Projekt "Bearbeitung von Text in beschädigten Manuskripten"
Antike Manuskripte sind häufig unlesbar, weil sie schwere Schäden aufweisen. Ein bekanntes Beispiel sind die Papyrusrollen und Holztafeln aus Herculaneum unweit von Pompeji, die beim Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 zwar erhalten geblieben, aber stark verkohlt sind. "Moderne Bildgebungsverfahren wie Multispektralaufnahmen oder Röntgentomographie können verbliebene Tintenreste besser sichtbar und damit lesbarer machen. Das Hauptproblem besteht darin, dass das Trägermaterial Löcher und Risse aufweist und dass sich einzelne Papyrusschichten oft nicht zerstörungsfrei voneinander trennen lassen", erklärt Projektleiter Dr. Vincent Christlein vom Lehrstuhl für Mustererkennung der FAU. Letzteres trifft auch auf die manichäischen Codices aus dem ägyptischen Medinet Madi zu, mit denen sich das Projekt ebenfalls beschäftigt. Die Forschenden aus Erlangen, den USA und Italien arbeiten an einem KI-Werkzeug, das nicht nur auf der Ebene der Texterkennung funktioniert, sondern auch Schäden diagnostiziert und inhaltliche Vorschläge für fehlende Passagen macht.
Projekt "Entschlüsselung der verlorenen Kunst der Stenografie"
Insbesondere im 19. und frühen 20. Jahrhundert sind zahlreiche Manuskripte in der seltenen Form der Gabelsberger-Stenografie verfasst worden. Dazu zählen Aufzeichnungen des Mathematikers und Philosophen Kurt Gödel, des Physikers Erwin Schrödinger, des Juristen und Politikers Carl Schmitt, des Schriftstellers Erich Kästner und des Münchner Erzbischofs Kardinal Faulhaber. "Die Manuskripte und Tagebücher enthalten Material von historischer und intellektueller Relevanz. Allerdings sind heute nur noch sehr wenige Menschen in der Lage, diese Schrift zu lesen, sodass viele Archivbestände praktisch unzugänglich sind", sagt Vincent Christlein. Gemeinsam mit Nikolaus Weichselbaumer von der Universität Mainz will Christlein die KI-gestützte Handschriftenerkennung so trainieren und weiterentwickeln, dass auch stenografische Schriften maschinell gelesen werden können.
KI mit und für Geisteswissenschaften
"Wir arbeiten von Anfang an mit Expertinnen und Experten aus den Geisteswissenschaften zusammen, die Rückmeldung zu den Trainingsdaten geben", erklärt Christlein. "So entwickeln wir valide Bewertungsmaßstäbe, die Methoden der Informatik mit humanistischer redaktioneller Praxis verbinden." Die KI-Modelle werden zunächst mit den vorhandenen Quellen der Stenografie- und Papyrus-Bibliotheken trainiert. Ziel beider Projekte ist es jedoch, jeweils universale Werkzeuge zu schaffen, die schwer zugängliche Quellen entschlüsseln und damit die geisteswissenschaftliche Forschung bereichern.




