Palatium der Ottonen in der Pfalz Helfta entdeckt

Die Königspfalz Helfta bei Lutherstadt Eisleben (Landkreis Mansfeld-Südharz) wird seit dem letzten Jahr durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt erforscht. Nach der Wiederentdeckung der von Otto dem Großen vor 968 gegründeten Radegundiskirche im vergangenen Jahr konnten in der diesjährigen Grabung die Überreste des Hauptgebäudes der Pfalz, des Palatiums aus dem 10. Jahrhundert, freigelegt werden.

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Ausgrabungen im Bereich des Palatiums der ottonischen Pfalz Helfta
Ausgrabungen im Bereich des Palatiums der ottonischen Pfalz Helfta. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Robert Prust.

Seit dem vergangenen Jahr steht der Hügel ›Kleine Klaus‹ oberhalb von Helfta vor den Toren der Lutherstadt Eisleben (Landkreis Mansfeld-Südharz) im Fokus einer Forschungsgrabung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt. Hier und auf dem benachbarten Hügel ›Große Klaus‹ befanden sich im frühen und hohen Mittelalter eine Burg, eine ausgedehnte Siedlung und – in der Epoche der ottonischen Könige und Kaiser – eine Königspfalz, in der sich sowohl der ostfränkische König und römische Kaiser Otto I., der Große (912 bis 973), als auch sein Sohn und Nachfolger, Kaiser Otto II. (955 bis 983), mehrfach aufhielten. Heute ist dieser historisch überaus bedeutende Ort gänzlich von der Erdoberfläche verschwunden.

Das mit mindestens 20 Metern Länge und 7 bis 12 Metern Breite sehr große, in mehrere Räume unterteilte und ehemals zweistöckige Palatium in prominenter Position gleich nordwestlich der Radegundiskirche kann mit seinen vermörtelten Sandsteinmauern, sorgfältig verputzten Wänden und mehreren Eingängen – darunter eine in ein Souterrain führende Treppe – als ein zentrales Element des ottonischen Pfalzkomplexes aufgefasst werden. Eine aufwendige Heizanlage belegt den Wohnkomfort, den das Gebäude vor gut 1050 Jahren bot. In einer Zeit, in der Wohngebäude gemeinhin aus Holz und Lehm errichtet wurden und Pfosten- sowie kleine Grubenhäuser das Bild der Siedlungen bestimmten, muss das Palatium mit seinen Ausmaßen und seinen steinernen Mauern großen Eindruck gemacht haben. In diesem Gebäude dürften die Herrscher residiert haben, wenn sie sich in Helfta aufhielten. Der Bau wurde bereits bald nach der Jahrtausendwende abgetragen, als der Ort seine Bedeutung für die Kaiser verlor. Grundmauern und Ausbruchgruben verblieben aber im Boden, nur knapp unter der Pflugtiefe.

Zu ottonischen Königspfalzen – den Stationen und Stützpunkten der durchs Land reisenden Regenten – gehörten stets solche repräsentativen und komfortablen Wohngebäude. Relikte ähnlicher Ausmaße und Gestalt sind zwar in einigen Pfalzorten freigelegt worden, bilden jedoch insgesamt eine große Seltenheit. Viel spricht dafür, dass es sich hier um das Hauptgebäude jenes kaiserlichen Hofes (curtis imperialis) zu ›Helpidi‹ handelt, der am 6. Juni 969 in einer in Azzano in Umbrien (Italien) ausgestellten Urkunde Ottos des Großen Erwähnung fand. Damals übertrug der Kaiser die von ihm gestiftete Helftaer Kirche an das Bistum Merseburg.

Die Ausgrabungen gewähren überdies wichtige Einblicke in die Bebauung, die Befestigung, die Wirtschafts- und Siedlungsstrukturen der ottonischen Pfalz und ihres Vorgängers, der karolingerzeitlichen Helphideburg, sowie in die weitere Nutzung des erst in der frühen Neuzeit endgültig aufgelassenen Ortes. Im gut 120 Meter langen und bis zu 12 Meter breiten Hauptschnitt der aktuellen Ausgrabungen kommen zahlreiche Siedlungsgruben von der vorrömischen Eisenzeit (ab ungefähr 750 vor Christus) bis ins späte Mittelalter ans Tageslicht. Darunter befinden sich unter anderem frühmittelalterliche Grubenhäuser, Öfen, Feuerstellen, Getreidespeichergruben, ein sogenannter ›Erdstall‹ (eine in den Löss gegrabene Kelleranlage) und ähnliche Relikte historischer Epochen. Weitere Einzelfunde belegen zudem noch ältere Aktivitäten seit der Jungsteinzeit. Die Grabungen bieten damit einen guten Einblick über die jahrtausendelange Besiedlung der Anhöhe. Von der Befestigung der frühmittelalterlichen Burg stammen Reste des verbrannten Holz-Erde-Walls und ein stattlicher Befestigungsgraben von fast 6 Metern Tiefe und gut 15 Metern Breite. Es ist ein für den fränkischen Burgenbau typischer sogenannter Spitzgraben mit V-förmigem Profil.

Die Bedeutung des karolingisch-ottonischen Machtstützpunktes unterstreichen erneut reiche Funde, darunter Gewandspangen, Tracht- und Schmucksachen, Münzen, große Mengen von Keramik, Tierknochen und ähnliches.

Das Projekt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt wird aus Forschungsmitteln des Landes Sachsen-Anhalt finanziert. Eingebunden sind die archäologischen Untersuchungen bei Helfta in den LDA-Forschungsschwerpunkt zu den Stätten ottonischer Macht und Herrschaft im südlichen Sachsen-Anhalt. Im Rahmen mehrerer Ausgrabungskampagnen in Memleben und in Großwangen (Stadt Nebra) wird unterschiedlichen Forschungsfragen nachgegangen, die wichtige landesgeschichtliche Lücken schließen.

Projektverantwortlicher ist Prof. Dr. Felix Biermann, wissenschaftlicher Referent im LDA und Professor für Frühmittelalterarchäologie an der Universität Stettin (Szczecin, Polen). An den Ausgrabungen beteiligen sich Studentinnen und Studenten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Universität Stettin, die hier ihr universitäres Grabungspraktikum absolvieren, sowie ehrenamtliche Mitarbeiter des LDA. Die diesjährige Ausgrabungskampagne in Helfta läuft bis Anfang Oktober 2022.

Es wurden mehrere Eingänge des Helftaer Palatiums dokumentiert
Es wurden mehrere Eingänge des Helftaer Palatiums dokumentiert. Über die Jahrhunderte hinweg erhielt sich an mehreren Stellen sogar der Wandverputz. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Felix Biermann.
Blick in Richtung Norden über den Hügel ›Kleine Klaus‹ hinweg
Blick in Richtung Norden über den Hügel ›Kleine Klaus‹ hinweg. In der Bildmitte die Ausgrabungsfläche im Bereich des Palatiums der Pfalzanlage Helfta. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Thomas Koiki.