Konservierungsmaßnahmen und Untersuchungen am Grabmal Ottos des Großen im Magdeburger Dom
Otto I., der durch die Wiederbelebung des römischen Kaisertums den Grundstein für das spätere Heilige Römische Reich legte, ist eine zentrale Figur der europäischen Geschichte. Sein Grabmal im Magdeburger Dom ist daher auch über die Landesgrenzen Sachsen-Anhalts hinaus ein Denkmal von erheblichem kulturhistorischen Wert. Seiner Pflege und Erhaltung kommt aus Sicht der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt als Eigentümerin des Magdeburger Domes, der Evangelischen Domgemeinde als Nutzerin des Gotteshauses sowie des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt als zuständigem Denkmalfachamt oberste Priorität zu.
Im Rahmen des turnusmäßigen gemeinsamen Monitorings der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt wurden im letzten Jahr am Grabmal Ottos des Großen besorgniserregende Schäden beobachtet. Beide Institutionen sahen sich daher gezwungen, Maßnahmen zur Konservierung dieses bedeutenden Denkmals in die Wege zu leiten.
Der aktuelle Stand der Arbeiten und Untersuchungsergebnisse zur Grablege Ottos des Großen wurden am Dienstag, den 24.6.2025 bei einem gemeinsamen Pressetermin der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt im Beisein von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff sowie von Staatsminister und Minister für Kultur Rainer Robra vorgestellt.
Bisherige Maßnahmen und Untersuchungsergebnisse I: nichtinvasive Voruntersuchungen
Seit Januar 2025 ist das Grab Ottos I. im Magdeburger Dom von einer geschlossenen Einhausung aus Holzwerkstoffplatten umgeben, innerhalb derer die diffizilen Arbeiten am Sarkophag optimal durchgeführt werden können. Sämtliche Arbeiten werden vor Ort in Magdeburg vorgenommen, insbesondere verbleiben die Gebeine des Kaisers in der Elbestadt.
Am Beginn der Maßnahmen standen die detaillierte zeichnerische und fotografische Dokumentation des Grabmals und der äußerlich sichtbaren Schäden sowie die Erstellung hochauflösender 3D-Modelle desselben. Daneben wurden sowohl das Grabmal selbst als auch sein Umfeld in Zusammenarbeit mit spezialisierten Partnern verschiedenen nichtinvasiven Voruntersuchungen unterzogen, die der detaillierteren Bewertung der Gefährdung der Grablege, aber auch der Beurteilung der Stabilität des Sarkophags sowie seines Umfelds dienten. Zum Einsatz kamen Georadaruntersuchungen des Untergrunds, der das Grab umgibt, sowie des Sarkophags selbst. Daneben führte das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V. (IDK) mittels Ultraschallmessungen Dichtemessungen am Sarkophagkasten sowie an der Deckplatte durch. Daneben wurde durch das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowohl das Eindringen von Feuchtigkeit in den Sarkophag bestätigt als auch damit zusammenhängend eine Salzbelastung festgestellt, die die Integrität des Sarkophags bedrohen. Die Untersuchung der am Sarkophag mutmaßlich im 19. Jahrhundert verbauten Eisenteile in Zusammenarbeit mit der Delta Sigma Analytics GmbH (Magdeburg) ergab, dass Klammern und Nägel fortschreitender Korrosion ausgesetzt sind. Dasselbe trifft auf zwei Eisenkeile unterhalb des Steinkastens zu, von denen einer erst jüngst im Rahmen der Voruntersuchungen bekannt wurde. All dies stellt, zumal im Zusammenspiel mit den erheblichen klimatischen Schwankungen und den teils extremen Luftfeuchtewerten im Dom, eine hochgradige Gefährdung des Denkmals dar. Zu ihrer Behebung sind die Entfernung der Eisenteile sowie ein zeitweises Versetzen beziehungsweise Anheben des steinernen Sarkophagkastens unumgänglich. Zudem war aufgrund der bereits äußerlich feststellbaren erheblichen Schäden am Steinkasten auch von einer akuten Gefährdung des im Sarkophag befindlichen Holzsargs sowie von dessen Inhalt auszugehen.
Bisherige Maßnahmen und Untersuchungsergebnisse II: der Holzsarg im Inneren des Steinkastens
Um Schadensursachen beheben, den Zustand des Holzsargs im Inneren des Steinkastens überprüfen und maßgeschneiderte Stabilisierungs- und Sicherungsmaßnahmen an der Grablege konzipieren und durchführen zu können, wurde Anfang März 2025 unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen zunächst die rund 300 Kilogramm schwere marmorne Deckplatte vom Sarkophag abgenommen. Seit diesem Zeitpunkt ist das Betreten der Einhausung aus konservatorischen Gründen und zum Schutz vor Kontaminationen nur in Vollschutz und lediglich einer sehr kleinen Personenzahl möglich.
Unter der Marmorplatte wurde ein schlichter Holzsarg angetroffen. Zwischen diesem und dem Steinsarkophag sind am Kopfende eine Steinplatte und an der nördlichen Seite ein Holzbrett eingebracht. Auch diese Situation im Inneren des Steinsarkophags wurde zunächst zeichnerisch und fotografisch dokumentiert sowie als hochauflösendes 3D-Modell festgehalten. Daneben wurden sowohl der Holzsarg als auch das Holzbrett naturwissenschaftlich untersucht. Die Holzartenbestimmung ergab, dass beide aus Kiefer gefertigt sind. Der Sarg selbst ist aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt: Fuß- und Kopfbrett sind auf das Bodenbrett aufgestellt, die Wandbretter seitlich angefügt. Der aus einem kräftigen Brett bestehende Deckel war durch wenige schmiedeeiserne Nägel fixiert. Mehrere Radiokarbondaten von verschiedenen Bestandteilen ermöglichen eine naturwissenschaftliche Datierung des Sargs und zeigen, dass er aus unterschiedlich alten Hölzern aus dem Hochmittelalter gezimmert wurde.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde er angefertigt, als die Gebeine Ottos des Großen nach dem Dombrand von 1207 und dem anschließenden Neubau des Doms umgebettet wurden. Hebelspuren an Deckel und Sarkophagwand zeugen von späteren Öffnungen des Holzsargs. Während sich dessen obere Partien gut erhalten haben und sich Schäden dort nur an Stellen zeigen, an denen über Öffnungen im Steinsarkophag Luft in das Innere gelangte, sind die unteren Bereiche des Holzkastens bereits weitreichend zersetzt, da sie aus dem Untergrund aufziehender Feuchtigkeit ausgesetzt sind.
Das an der nördlichen Wandung zwischen Holzkasten und Steinkasten eingebrachte Brett ist ebenfalls hochmittelalterlich. Wirbelstrommessungen an den Nägeln, mit denen es am Sarkophag fixiert ist, verweisen auf die Verwendung von vormodernem Eisen. Bei der Konstruktion handelt es sich wohl um eine ältere Maßnahme gegen bereits im Mittelalter eingetretene Risse. Die am Kopfende in den Sarkophag eingebrachte Steinplatte diente 1844 zur Stabilisierung der ausgebrochenen Nordwestecke des Sarkophags.
Aktueller Zustand nach erfolgter Öffnung des Holzsargs und nächste Schritte
Nach dem Abschluss der Dokumentationsmaßnahmen und Voruntersuchungen zum Zustand des Sarkophaginneren wurde Mitte Juni 2025 auch der Deckel des Holzsargs abgenommen. Dieser war mit drei eisernen Nägeln am Sarg befestigt, die zunächst freipräpariert werden mussten. Im Inneren des Holzsargs zeigt sich, soweit erkennbar, eine Gemengelage von durcheinander liegenden textilen und pflanzlichen Resten, Sediment und Gebeinen. Dieser Zustand wird derzeit ausführlich dokumentiert. Parallel laufen die Vorbereitungen für die nähere Analyse und die Konservierung des Sarginhaltes.
Eine erste Inaugenscheinnahme erlaubt allerdings bereits einige vorläufige Ergebnisse. So befinden sich im Sarg verstreut liegende menschliche Überreste eines männlichen, älteren Individuums mit für das Mittelalter überdurchschnittlicher Körperhöhe. Anvisierte anthropologische und bioarchäologische Analysen sollen künftig Aufschluss über Krankheiten, Lebensweise und äußere Erscheinung sowie letztlich auch darüber geben, ob es sich bei dem Bestatteten tatsächlich um Otto den Großen handelt. Alle hierfür an den menschlichen Überresten notwendigen Untersuchungen werden vor Ort in Magdeburg durchgeführt.
Unter den Textilien stechen ein rot und ein blau gefärbtes Gewebe mit Rautenmuster hervor. Die Fragmente sind teils sehr fragil und stark konservierungsbedürftig. Ferner enthält der Sarg Schalen von Eiern. Die Beigabe von Eiern ist in christlichen Gräbern des Mittelalters nicht unüblich, gilt doch das Ei als Symbol für die Auferstehung Christi.
An der Sicherung und Erschließung der Grablege und des Materials aus dem Sarg sowie an den Untersuchungen zu deren Datierung, Gebrauch und Bedeutung wirken Restauratorinnen und Restauratoren sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit, die nicht nur aus dem Mitarbeiterstab der Kooperationspartner stammen. Darüber hinaus sind an dem Vorhaben auch renommierte externe Kolleginnen und Kollegen beteiligt, die auf Marmor, Kalkstein, Mörtel, Eisen, Textilien und Holz spezialisiert sind. Parallel dazu erfolgt fortlaufend die weitere nationale und internationale Vernetzung mit besonders qualifizierten Spezialistinnen und Spezialisten, unter anderem zur Untersuchung von Sedimenten, Insekten und weiteren organischen Relikten.
Um den Sarkophag sanieren zu können, ist die Entnahme des Inhalts notwendig. Daneben muss der Sarkophag zeitweise versetzt werden, um den Untergrund so zu gestalten, dass das Aufsteigen von Feuchtigkeit und Salzen nach Möglichkeit gestoppt und ein fester Stand gewährleistet wird. Auch hier sind verschiedene fachlich versierte Institutionen und Personen beteiligt.
Nach Abschluss der Arbeiten soll eine Wiederbeilegung der Gebeine erfolgen, wofür ein neuer innenliegender Sarg notwendig ist. Dessen Ausgestaltung erfolgt in Zusammenarbeit mit der Kunststiftung Sachsen-Anhalt.
Das Grabmal Ottos des Großen im Magdeburger Dom
Otto I., der Große (geboren am 23. November 912; gestorben am 7. Mai 973 in Memleben), aus dem Geschlecht der Liudolfinger ist als Neubegründer des Kaisertums in Westeuropa und Mitteleuropa in der Nachfolge des antiken Römischen Reichs sowie der Herrschaft Karls des Großen eine zentrale Figur der europäischen Geschichte. Er war die treibende Kraft hinter der Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum im Jahr 968, der die Stadt an der Elbe ihren wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung zu verdanken hatte. Im Magdeburger Dom wurde er nach seinem Tod 973 in Anwesenheit der Erzbischöfe Adalbert von Magdeburg und Gero von Köln an der Seite seiner 946 verstorbenen Frau Editha beigesetzt. Seit dem Domneubau im 13. Jahrhundert befindet sich das Grabmal des Kaisers zentral im Binnenchor des Magdeburger Doms.