Die männliche Seite der Pferdedomestikation

Weltweit gibt es gegenwärtig etwa 60 Millionen Pferde – 12 Millionen Hengste und 48 Millionen Stuten. Nahezu alle heute lebenden Hengste stammen von einem Hengst aus der Eisenzeit ab – wie eine internationale Studie unter Leitung des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung und der Universität Potsdam jetzt erstmalig belegt. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift »Science Advances« veröffentlicht.

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Przewalskipferd. Foto: A. Ludwig / Leibniz-IZW

Ein internationales Wissenschaftsteam untersuchte die Domestikation des Pferdes aus Sicht der Hengste. Bereits bekannt war, dass es viele Stutenlinien, aber nur sehr wenige Hengstlinien in den modernen Pferden gibt, obgleich kürzlich gezeigt wurde, dass die Y-chromosomale Diversität bei Hauspferden bis zur Eisenzeit deutlich höher war. Bisher war unklar, wann und warum alle Hengstlinien bis auf eine verschwanden.

Die jetzt vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass das Verschwinden der meisten Hengstlinien auf künstliche Selektion zurückzuführen ist - zunächst in der Eisenzeit durch Nomaden der Eurasischen Steppe und später aufgrund der straff organisierten Tierzucht im Römischen Reich.

Die aktuelle Studie zeigt, dass die Hengstlinien von Przewalski- und Hauspferd zumindest bis zum Beginn des Mittelalters (6.-7. Jahrhundert) parallel existierten, was in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen steht, die zeigen, dass zuerst das Przewalskipferd und später die Ahnen unserer modernen Hauspferde in den Haustierstand überführt wurden.

Schon bei Beginn der Domestikation setzten Pferdehalter auf gezielte Züchtung. Allerdings stand bis zur Eisenzeit (ca. 1.000 v. Chr.) die Zucht vor allem der Stuten im Vordergrund. In der Eisenzeit - während die heutige Hengstlinie ihre Dominanz in den europäischen Pferden erreichte - wurden Europa und angrenzende Gebiete in Asien und Nordafrika vom Römischen Reich regiert. Die Römer änderten die Zucht von Nutztieren grundlegend, indem sie die Zucht auf männliche Tiere (Hengste und Bullen) fokussierten. Zuchtziele lassen sich wesentlich leichter und schneller durch einen gezielten Einsatz individuell ausgesuchter Hengste erreichen. Schließlich sind Stuten durch die lange Tragezeit in der Zahl ihrer Nachkommen stark limitiert. Ein Hengst kann dagegen viele Nachkommen in relativ kurzer Zeit zeugen. Über die Zeit setzte sich eine Hengstlinie durch und dadurch verlor das Y-Chromosom der Hauspferde einen Großteil seiner genetischen Variabilität. Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reichs wirkte die in dieser Zeit erfolgte Fixierung auf eine Hengstlinie bis in die heutige Zeit fort.

Publikation

Wutke S, Sandoval-Castellanos E, Benecke N, Döhle HJ, Friederich S, Gonzalez J, Hofreiter M, Lõugas L, Magnell O, Malaspinas AS, Morales-Muniz A, Orlando L, Reissmann M, Trinks A, Ludwig A

Decline of genetic diversity in ancient domestic stallions in Europe

Science Advances. 18.04.2018
DOI: 10.1126/sciadv.aap9691