DFG bewilligt für SFB "Materiale Textkulturen" zweite Förderperiode

Der Sonderforschungsbereich "Materiale Textkulturen. Materialität und Präsenz des Geschriebenen in non-typographischen Gesellschaften" (SFB 933) wird seine Arbeit an der Universität Heidelberg für weitere vier Jahre fortsetzen. Nach einer internationalen Begutachtung hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) für eine zweite Förderperiode Mittel in Höhe von rund 11,5 Millionen Euro bewilligt.

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Seite aus dem mittelalterlichen Benimmhandbuch "Welscher Gast"
Seite aus dem mittelalterlichen Benimmhandbuch "Welscher Gast" (Cod. Pal. germ. 389 Thomasin <Circlaere>; UB Heidelberg)

Ziel des 2011 eingerichteten Sonderforschungsbereichs ist es, neue interpretatorische Zugänge zu antiken und mittelalterlichen Texten zu entwickeln. An der Analyse von Texten und ihrer materialen Verortung wirken zahlreiche Forscherinnen und Forscher der Universität Heidelberg aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen mit. Beteiligt ist außerdem die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. Sprecher des SFB 933 ist der Mediävist Prof. Dr. Ludger Lieb vom Germanistischen Seminar der Ruperto Carola.

Im Mittelpunkt des Sonderforschungsbereichs "Materiale Textkulturen" stehen schrifttragende Artefakte aus Gesellschaften, in denen keine Verfahren der massenhaften Produktion von Geschriebenem verbreitet waren oder sind. Dazu gehören zum Beispiel Handbücher für Ächtungsrituale im Alten Ägypten, mit Keilschrift beschriebene Tontafeln aus Mesopotamien oder antike Briefe auf Papyrus aus dem Mittelmeerraum. Untersucht werden auch Inschriften an öffentlichen Gebäuden des antiken Kleinasiens, Echtheitszertifikate von mittelalterlichen Reliquien oder die verschiedenen Fassungen des "Welschen Gastes", eines mittelalterlichen Benimmhandbuchs, dessen älteste Handschrift sich in der Universitätsbibliothek Heidelberg befindet. Derartige Artefakte werden vor allem nach ihrer materialen Präsenz in einem bestimmten Raum- und Handlungszusammenhang befragt. An den Gegenständen und Erzählungen, mit denen sich die Wissenschaftler am SFB befassen, können "materiale Textkulturen", also komplexe Zusammenhänge von Material, Schrift und kulturellen Praktiken, erforscht werden.

"Unser Sonderforschungsbereich soll auch weiterhin kreatives und innovatives Denken ermöglichen. Gerade unsere jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können hier gemeinsam diskutieren und voneinander lernen. Wir wollen neue Forschungsfelder erschließen, analytische Verfahren verbessern und letztendlich mit einem neuen Instrumentarium die geisteswissenschaftliche Forschung generell voranbringen", erläutert Prof. Lieb.

In dem Verbund arbeiten zurzeit 21 Professoren und 50 junge Forscher gemeinsam an 24 verschiedenen Projekten. Als wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit der vergangenen vier Jahre und die Fortsetzung in einer zweiten Förderperiode sieht Ludger Lieb auch die spezifischen Strukturen des Wissenschaftsstandorts Heidelberg: "Unser Sonderforschungsbereich hat sein Fundament in den traditionellen Heidelberger Geisteswissenschaften, die durch eine große Anzahl sogenannter kleiner Fächer und eine ungewöhnliche thematische Spannweite geprägt sind. Zudem haben wir mit der Universitätsbibliothek, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, den bedeutenden wissenschaftlichen Sammlungen und dem Heidelberg Center for Cultural Heritage an der Ruperto Carola exzellente Kooperationspartner vor Ort."