Bedeutende Funde in antiker Synagoge

Ein internationales Forscherteam hat in Israel einzigartige Funde in einer Synagoge aus byzantinischer Zeit gemacht. Die Funde belegen die Wichtigkeit von Synagogen als Zentren des damaligen religiösen und sozialen Lebens.

Nachrichten durchblättern
Der Basalt-Tisch, dessen Verzierungen Aufschlüsse über seine genaue Funktion geben sollen. (Bild: Kinneret Regional Project)
Der Basalt-Tisch, dessen Verzierungen Aufschlüsse über seine genaue Funktion geben sollen. (Bild: Kinneret Regional Project)

In Horvat Kur, einem galiläischen Dorf in der Nähe des Sees Gennesaret in Israel, entdeckte ein internationales Team von Spezialisten und Studierenden 2010 eine antike Synagoge. Sie stammt aus dem 4. bis 5. Jahrhundert nach Christus. Nun vermeldet das Grabungs-Team, welchem auch Berner Forschende und Studierende angehören, einen neuen Erfolg: Erstmals wurden diverse Funde in einer einzigartigen Konstellation entdeckt – zum Beispiel Haushaltskeramik aus spätrömischer und frühbyzantinischer Zeit (4./5. Jh. n. Chr.).

Der bedeutendste Fund ist gemäß dem internationalen Grabungsteam ein Basaltstein, welcher einer früheren Phase in der Baugeschichte der Synagoge angehörte. Der Stein hat die Form eines niedrigen Tisches und ist mit figurativen und geometrischen Mustern verziert. Seine Funktion ist unklar: Diente er als Lesepult für die geöffnete Schriftrolle, vor welcher der Vorleser kniete, oder war er Unterlage für ein hölzernes Pult, hinter dem der Vorleser stand und rezitierte? Der Stein könnte noch eine ganz andere Rolle gespielt haben in der synagogalen Praxis. Die genaue Analyse der Verzierung soll darüber nähere Aufschlüsse geben.

Im Synagogen-Innenraum wurde zudem ein Steinsitz freigelegt. Der Sitz war in einer Bank entlang der Südmauer der Synagoge eingebaut und über zwei Stufen zugänglich. «Dieser Sitz wurde vermutlich vom Leiter der Gemeinschaft anlässlich von Versammlungen genutzt. Es ist der erste solche Sitz, der je in Israel in situ, das heisst in Originalposition, gefunden worden ist», sagt Stefan Münger vom Berner Institut für Judaistik und Co-Direktor des Ausgrabungsprojekts.

Ebenfalls an der – nach Jerusalem gerichteten – Südmauer fanden die Archäologinnen und Archäologen die Reste eines ehemals reich verzierten Podiums (einer sogenannten «Bemah»), auf welchem ursprünglich der Thoraschrein gestanden hatte. Zu den Dekorationselementen gehören unter anderem die Reste eines Löwenreliefs und einer Rosette aus Kalkstein.

«All diese Funde zeigen die Bedeutung der Synagoge als Zentrum des religiösen und sozialen Lebens», sagt Münger, «denn kein anderes Gebäude in der umliegenden Siedlung weist auch nur annähernd ähnliche Struktur- oder Dekorationsmerkmale auf.»

In einer versiegelten Zisterne nahe der Synagoge wurde ausserdem eine grosse Anzahl an intakten Gefässen der spätrömischen bzw. frühbyzantinischen Zeit (4./5. Jh. n. Chr.) gefunden. Darunter befinden sich viele Gefässtypen, die bisher noch nie komplett gefunden worden sind.

All diese neuen Entdeckungen werden laut den Forschenden erheblich zum Verständnis der Kulturgeschichte des galiläischen Synagogenbaus während der byzantinischen Zeit beitragen und neue Perspektiven für die Synagogenfoschung allgemein eröffnen. Die neuen Funde werden im November anlässlich eines Kolloquiums in Deutschland vorgestellt und eine Ausstellung im «Israel Museum» in Jerusalem ist derzeit in Vorbereitung.

Die Ausgrabungen auf Horvat Kur sind Teil des «Kinneret Regional Project» und werden von einem gemeinsamen Forschungsteam der Universitäten Bern, Helsinki, Leiden und des Wofford College (USA) durchgeführt. Forschende und Studierende dieser Universitäten sowie Studierende und Experten aus Belgien, Deutschland, Grossbritannien, Israel sowie Rumänien nahmen an der diesjährigen Ausgrabung teil.

Der Steinsitz, der vermutlich dem Leiter der Gemeinschaft vorbehalten war und erstmals in situ gefunden wurde. (Bild: Kinneret Regional Project)
Der Steinsitz, der vermutlich dem Leiter der Gemeinschaft vorbehalten war und erstmals in situ gefunden wurde. (Bild: Kinneret Regional Project)