Gewänder, Goldschmuck und ein Welterbe

Das Amt für Bodendenkmalpflege des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) blickt auf die archäologischen und paläontologischen Highlights des vergangenen Jahres zurück: von 389 Millionen Jahre alten Krebsen mit Rundumblick über eine 6.000 Jahre alte monumentale Grabenanlage und metallzeitliche Waffen, römische Wandmalereien, besondere Brunnenfunde und einzigartigen Goldschmuck hin zu mittelalterlichen Schätzen und außergewöhnlichen neuzeitlichen Gewändern.

Neolithische Rinderfigur
Jungsteinzeitliche Rinderfigur: Die fast vollständig erhaltene Tierplastik aus Würselen-Broichweiden ist ein einmaliger Fund im Rheinland. Foto: J. Vogel/LVR-LandesMuseum Bonn

Eine Auswahl der Fundhighlights ist in der Ausstellung »Archäologie im Rheinland 2021« im LVR-LandesMuseum in Bonn zu sehen. Die Jahrestagung des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland (LVR-ABR) wird aufgrund der Pandemie nicht wie gewohnt zum Auftakt der Ausstellung stattfinden, sondern erst am 2. und 3. Mai 2022.

Vorgeschichte

Bereits 1963 wurde bei Swisttal-Gut Capellen eine jungsteinzeitliche Siedlung entdeckt. Mit Hilfe von Georadar- und Magnetikmessungen konnte nun ein detaillierter Einblick in die Struktur der mehr als 20 Häuser umfassenden Siedlung gewonnen werden. Die bei Begehungen gefundene Keramik mit Ritzlinien, Einstichen sowie Knubben oder Ösen datiert die Siedlung in die Bandkeramik, in die Zeit von 5300 bis 4900 v. Chr.

Erstmals wurde eine weitgehend vollständig erhaltene Tierplastik aus der Bandkeramik (5.300 bis 4.900 v. Chr) im Rheinland entdeckt. Sie kam bei Trassengrabungen der Fachfirma Archaeonet in Würselen-Broichweiden in einer Siedlung zutage. Die kleine Rinderfigur ist Fund des Monats Februar.

Bei Waldfeucht-Obspringen wurde im Luftbild eine monumentale jungneolithische Grabenanlage mit einem Doppelgraben entdeckt. Die Anlage hat einen Durchmesser von 775 m und verfügt über mehrere Torbereiche. Ein Grabungsschnitt zur Qualifizierung des Bodendenkmals am 9,80 m breiten und max. 1,70 m tiefen, äußeren Graben erbrachte auch Holzkohlereste. Die mit Hilfe der Radiokarbonmethode (14C) untersuchten Reste bestätigten mit einer Datierung von 4.000 v. Chr. die vermutete Zeitstellung.

2021 wurde ein vergessenes Schwert bei Aufräumarbeiten während der Pandemie in einem Privathaushalt wiederentdeckt. Das bereits in den 1950er-Jahren vom Großvater des Wiederentdeckers in einer Kiesgrube in Wesel-Aue gefundene und neu gerichtete spätbronzezeitliche Schwert aus dem 9. Jh. v. Chr. gelangte damals durch Handel an den Niederrhein. Es war nach seiner Nutzung rituell niedergelegt worden wie sein ursprünglicher verbogener Zustand nahelegt. Der Besitzer hat dem LVR-LandesMuseum Bonn den Fund als Dauerleihgabe überlassen.

Von der Blouswardt bei Emmerich-Praest, einem von der späten Bronzezeit bis heute hochgewohnten Siedlungshügel, stammen tönerne Schleudergeschosse der jüngeren Eisenzeit (450 v. Chr. bis um Chr. Geburt). Derartige Geschosse wurden von den Kelten als Jagd- oder Kriegswaffe genutzt.

Römische Epoche

Niedergermanischer Limes wird zum UNESCO-Welterbe

Der Höhepunkt des vergangenen Jahres war im Juli die Ernennung des Niedergermanischen Limes zum UNESCO-Welterbe. Die länderübergreifende Welterbestätte »Grenzen des Römischen Reiches – Niedergermanischer Limes« umfasst entlang des Rheins in den Niederlanden und in Deutschland insgesamt 44 Fundplätze von Katwijk an der Nordsee (Niederlande) bis Remagen in Rheinland-Pfalz, darunter 24 in Nordrhein-Westfalen.

Passend zur Ernennung hat im September 2021 die Archäologische Landesausstellung Nordrhein-Westfalen »Roms fließende Grenzen« eröffnet. Sie präsentiert die neuesten Forschungsergebnisse zum Niedergermanischen Limes. Fünf verschiedene Standorte (Detmold, Xanten, Bonn, Haltern am See, Köln) widmen sich mit fünf unterschiedlichen Schwerpunkten dem Leben an und mit dieser Flussgrenze (mehr Informationen unter www.roemer.nrw ).

Zu den Fundplätzen des Welterbes zählt auch das Bonner Legionslager. In Bonn-Castell wurden bei Grabungen der Fachfirma AbisZ-Archäologie im Bereich des Lagers Gebäudereste freigelegt. Zahlreiche verstürzte, aber auch noch stehende Wände waren mit bemaltem Wandputz versehen und zeugen so von einer gehobenen Ausstattung des Militärstandortes. Auf weißem Grund waren vielfältige geometrische Muster sowie Pflanzenmotive in verschiedenen Farben aufgebracht. Rund 300 Kisten mit Wandputzfragmenten wurden gesichert und in die Werkstätten des LVR-LandesMuseums Bonn gebracht.

Im Vorfeld des Braunkohlentagebaus Garzweiler wurde bei Erkelenz-Lützerath ein römisches Landgut des späteren 1. bis ausgehenden 4. Jh. n. Chr. vollflächig ausgegraben. Im Laufe der Zeit sind dort insgesamt acht zwischen 15 und 18 m tiefe Holzbrunnen angelegt worden. Neben den eisernen Resten einer Hebe- und Kippvorrichtung mit fassartigem Förderbehältnis im größten der Brunnen, die möglicherweise der Wasserversorgung einer Badeanlage diente, sind auch zahlreiche Gerätschaften aus Haus und Hof in die Tiefe gelangt. Neben einem Kesselhaken und Werkzeugen fanden sich auch persönliche Gegenstände, wie eine Fibel, die wahrscheinlich beim Wasserholen verloren gingen. Besonders aufschlussreich ist eine große Lanzenspitze germanischer Machart, deren anhaftende Brandspuren möglicherweise von Germanenüberfällen im 3. bis 4. Jh. Zeugnis geben.

Durch den fortschreitenden Abbau konnte in einer Kiesgrube bei Bornheim-Uedorf* der Brunnen einer villa rustica bis in 10 m Tiefe verfolgt werden. Zwischen den Tuffblöcken des Brunnenschachts fand sich eine Münze des Tetricus (271–274) als Bauopfer, sie macht eine Errichtung des Brunnens ab dem letzten Viertel des 3. Jhs. n. Chr. wahrscheinlich. Auf seine Verfüllung nach 367–375 geben Münzen der Kaiser Valentinian, Gratian und Valens Hinweise. Im Brunnen lagen zahlreiche Architekturteile und Bauschutt des Landguts, darunter auch Fragmente einer Jupitersäule inklusive der beschädigten Skulptur des darauf thronenden Göttervaters. Sie lassen auf ein Jupiterheiligtum in diesem Landgut schließen, das möglicherweise in der Spätantike Opfer von Verwüstungen wurde. Eine Teilrekonstruktion des massiven römischen Tuffsteinbrunnens ist in der Ausstellung zu sehen.

Bei einem römischen Landgut in Zülpich konnte 2021 ein kleines Gräberfeld des 2.–4. Jhs. abschließend untersucht werden, das Bestattungen mit besonderer Ausstattung umfasste. Hervorzuheben sind feinste Glasgefäße aus fast durchsichtigem Glas aus einem der neu freigelegten Brandgräber, einem bustum, die sich unverbrannt in einer Beigabennische fanden.

In einem Brandgräberfeld des 2. und 3. Jhs. in Tönisvorst-Vorst waren die Gräber durch dicht beieinanderliegende, rechteckige Gräbchen eingefriedet, in denen einst Zäune standen. Ein derartiger Befund war vom Niederrhein bislang unbekannt. Von dort stammen auch umfängliche Gefäßbeigaben für Speise und Körperpflege.

Am Rande einer ländlichen Straßensiedlung (vicus) aus römischer Zeit wurde bei Selfkant-Tüddern ein Brandgräberfeld zu beiden Seiten einer römischen Straße entdeckt. In einem der Gräber aus dem 1. Viertel des 3. Jhs. n. Chr. lag der Leichenbrand eines Mannes. Unter den Beigaben sind die sog. Unguentarien in einem Männergrab ungewöhnlich. In den kleinen Glasfläschchen bewahrte man Öle, Salben oder spezielle Flüssigkeiten auf. Ungewöhnlich ist auch die Beigabe einer bereits in römischer Zeit über 4000 Jahre alten Antiquität: eine jungsteinzeitliche Beilklinge aus Jadeitit. Das Grab ist in der Archäologischen Landesausstellung NRW in Bonn zu sehen. Ein gut ausgestattetes Frauengrab mit umfangreichen Gefäßbeigaben wird in der Ausstellung Archäologie im Rheinland 2021 gezeigt.

Bei Nideggen-Abenden gelang dem ehrenamtlichen Mitarbeiter Stephan Mros und dem lizenzierten Sondengänger Günther Ehlen ein besonderer Fund bei einer vom LVR-ABR beauftragten Suche: eine kostbarer Goldschmuck. Die goldene Rollenkappenfibel des 1. Jhs. n. Chr. weist einen aufwändigen Dekor aus Goldkügelchen und eckig gefassten Glasperlen auf. Wahrscheinlich stammt sie aus einer renommierten Goldschmiedewerkstatt, die sich am ehesten in der Provinzhauptstadt Köln oder auch in Gallien befunden haben dürfte.

Im LVR-Archäologischen Park Xanten kamen bei Ausgrabungen in einem Wohnviertel am Rande der römischen Stadt überraschend die Überreste eines privaten Kultbaus mit Funden von speziellen Lampen, Räucherkelchen und Pinienkernen zutage. Neue Forschungen über die ältesten Gräber im Stadtgebiet geben Hinweise auf die früheste römische Siedlung am Ort. Sie zeichnen das Bild einer ausgesprochen heterogenen Bevölkerung, die sich von Anfang an aus verschiedenen Regionen des Imperiums zusammensetzte.

Die Bodendenkmalpflege des Römisch-Germanischen Museums der Stadt Köln war auch im letzten Jahr an vielen Orten der Colonia Claudia Ara Agrippinensium tätig. Bei aufwändigen Sondagen am Marsplatz gelang es, den Verlauf der rheinseitigen römischen Stadtmauer mit dem ehemaligen Marstor genau zu dokumentieren. Dabei konnten auch außergewöhnlich gut erhaltene Baureste des römischen Torbaus mit mittelalterlichen Ausbaumaßnahmen freigelegt werden. Durch eine mit Hilfe der Radiokarbonmethode (14C) gewonnene Datierung kann die mittelalterliche Bautätigkeit mit dem Umbau des Torbaus in die für das 12. Jahrhundert bezeugte Michaelskapelle in Verbindung gebracht werden.
In der Vorstadt des römischen Köln wurden an der Frankstraße auf einer Fläche von knapp 1.000 m² ein vollständig erhaltener Abschnitt der römischen Fernstraße nach Trier (Aggrippastraße) und Überreste der daran anschließenden Vorstadtbebauung ergraben. Ein parallel zur Straße verlaufender römischer Kanal diente wahrscheinlich dem Auffangen von Regenwasser für eine weitere Nutzung.
Bei einer Untersuchung im Rahmen von Leitungsverlegungen in der Christophstraße konnten die Fundamente des nördlichen Turms der Gereonstorburg aus dem frühen 13. Jh. freigelegt, dokumentiert und unterirdisch erhalten werden. Sie war Teil der großen mittelalterlichen Stadtbefestigung auf Höhe der Kölner Ringe, die auf das Jahr 1180 zurückgeht.

Mittelalter

Aus dem Frühmittelalter stammen zwei fränkische Gräber, die bei einer Baustellenbegleitung in Bad Honnef-Rhöndorf zutage kamen. In einem der Gräber war eine reich verzierte Goldscheibenfibel der zweiten Hälfte des 7. Jhs. der Beraubung entgangen. Die Bestattungen gehören zu einem Gräberfeld, das bereits durch ältere Funde bekannt ist.

Ein großer Hortfund aus dem Mittelalter kann als versteckte Barschaft gelten: Nahe Rheinberg-Ossenberg fanden Peter Bluth, ein Sondengänger mit denkmalrechtlicher Genehmigung, und sein Sohn Moritz über 200 Silbermünzen vom Ende des 12. Jhs. zerstreut auf einem Acker. Die nachfolgenden Untersuchungen des LVR-ABR deckten die ursprüngliche Grube sowie weitere Münzen auf. Die hier seltenen Prägungen des Utrechter Bischof Balduin II. (1178–1198) und seines Bruders, Graf Floris III. von Holland (1157–1190), sind wahrscheinlich im Rahmen einer geschäftlichen Transaktion hierher gelangt.

Eine besondere Form der Deponierung wurde in Goch bei einer Sachverhaltsermittlung durch die Fachfirma Wroblewski Archäologie und Burgenforschung im Vorfeld der Gebäudesanierung entdeckt. Vor dem Bau des gotischen Hauses »zu den fünf Ringen« um 1500 hatte man an einer Ecke des Hinterhauses einen bronzenen Grapen, ein kleines Kochgefäß mit drei Standbeinen, mit zwei Goldgulden aus der Zeit um 1400 als Bauopfer deponiert. Warum prägefrische Münzen 100 Jahre später zur Grundsteinlegung des Patrizierhauses in ein Bauopfer gelangten, entzieht sich unserer Kenntnis.

Neuzeit

In die Frühe Neuzeit datiert ein besonderer Grabfund aus Düren-Rölsdorf. Bei Grabungen der archäologischen Fachfirma Goldschmidt Archäologie und Denkmalpflege wurden die Fundamente einer ehemaligen Kirche freigelegt. Eines der dabei entdeckten Gräber des späten 17. bzw. beginnenden 18. Jhs. beherbergte außergewöhnliche Lederobjekte. Bei der Restaurierung im LVR-LandesMuseum Bonn zeigte sich, dass es sich um liturgische Gewänder eines Priesters handelte: Kasel (Obergewand), Stola und Manipel. Statt des üblichen bestickten Seidenstoffs besteht die Gewänder aus sog. Goldleder.

Von der Grabungsfirma Archbau wurden bei einer Ausgrabung in Essen-Werden Gräber des Begräbnisplatzes der Königlich-Preußischen Strafanstalt erfasst. Die Bestattungen erfolgten in genagelten Holzsärgen in eng nebeneinanderliegenden Grabgruben. Bemerkenswert sind mehrere Skelette mit Sägespuren, darunter drei Schädel mit abgesägter Schädelkalotte und mindestens eine Person mit abgesägter Hand. Offensichtlich dienten diese Leichen anatomischen Studien.

Aus der jüngeren Vergangenheit stammt ein stilles Zeugnis des Holocausts. In Zülpich wurden bei der Begleitung von Kanalsanierungsarbeiten durch die Fachfirma AbisZ-Archäologie die Fragmente jüdischer Gebetbücher entdeckt, wie die Restaurierung der Funde im LVR-LandesMuseum Bonn ergab. Die Gebetbücher waren ursprünglich in einer Holzkiste vergraben worden, um sie vor dem Zugriff der Nationalsozialisten zu bewahren. Ihre einstigen Besitzer*innen fielen alle dem Holocaust zum Opfer.

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