Der Wald der Zukunft ist in der Vergangenheit verwurzelt

Was verraten uns alte Grubenhölzer und historische Holzkohle über die Wälder von morgen? Diese Frage stand gestern im Zentrum der Vorstellung der Ergebnisse des Verbundvorhabens "ArchaeoForest – Mittelalterliche Waldzusammensetzung als Basis forstwirtschaftlicher Anpassungen an den Klimawandel". In dem interdisziplinären Gemeinschaftsprojekt von Sachsenforst, dem Landesamt für Archäologie Sachsen und der Universität Greifswald wurden archäologische Holzfunde aus mittelalterlichen Bergwerken und Holzkohlemeilern sowie Pollenvorkommen aus Sedimentproben im Osterzgebirge untersucht.

Landschaftsarchäologische Untersuchungen entlang eines Bachlaufs im Fichten-Buchenwald im Osterzgebirge
Landschaftsarchäologische Untersuchungen entlang eines Bachlaufs im Fichten-Buchenwald im Osterzgebirge (© Landesamt für Archäologie Sachsen, K. Cappenberg)

Die Analysen von über 6.000 Proben erlauben nicht nur Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und den Zustand der hoch- bis spätmittelalterlichen Wälder im Osterzgebirge ab dem 12. Jahrhundert«, betont Dr. Christiane Hemker vom Landesamt für Archäologie Sachsen. »Anhand der Jahrringe der Hölzer können auch Einschätzungen zu den Klimabedingungen zu der Zeit getroffen werden.« Die Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für die Wälder von morgen.

Das Baumartenspektrum der Wälder hat sich über die Jahrhunderte stark verändert. Vor dem ersten Bergschrei im 12. Jahrhundert prägten vor allem Buchen, Tannen und Fichten die Wälder im Osterzgebirge. Dieser als »Miriquidi« bekannte sächsische Urwald profitierte von einer frühmittelalterlichen Wärmezeit, wie die Klimarekonstruktion der Universität Greifswald durch Jahrringanalysen an Weiß-Tannenhölzern aus den Silberbergwerken ergab. »Die durchschnittlichen Spätsommer-Temperaturen im rekonstruierten Zeitraum sind teilweise mit den Temperaturen des 20. Jahrhunderts vergleichbar«, sagt Dr. Tobias Scharnweber von der Universität Greifswald. »Bei dieser warm-trockenen Klimaausprägung wurde die Ausbreitung von Buche und Weiß-Tanne bis in die Kammlagen des Osterzgebirges begünstigt.«

Ab Mitte des 12. Jahrhunderts schloss sich, wie die im Projektverlauf erhobenen regionalen historischen Klimadaten vermuten lassen, eine anhaltend kühlere Klimaperiode an, welche wahrscheinlich im 16. Jahrhundert in einer »kleinen Eiszeit« mündete. Zu dieser Zeit lag die durchschnittliche Temperatur um rund zwei Grad Celsius unter der des 21. Jahrhunderts. Während die Temperaturen abnahmen, stiegen die menschlichen Aktivitäten: Der Vergleich von Bergwerkshölzern und Holzkohlefragmenten aus benachbarten Meilern zeigt, dass zu einem gewissen Grad bestimmte Holzarten für die Nutzungen gezielt ausgewählt wurde. So lässt sich am Beispiel eines Untersuchungsgebietes bei Niederpöbel zeigen, dass zu Beginn des 13. Jahrhunderts bevorzugt Weiß-Tanne als Grubenholz für den Bergbau und zeitgleich Buchenholz für die Gewinnung von Holzkohle genutzt wurde. »Man war sich schon damals dem guten Heizwert der Buche bewusst«, unterstreicht Dr. Dirk-Roger Eisenhauer, Leiter des Kompetenzzentrums Wald und Forstwirtschaft von Sachsenforst.

Die Ergebnisse verdeutlichen aber auch ein damals zunehmendes Vorkommen von Baumarten, die Freiflächen besiedeln, sowie von krautiger Vegetation. »Das sind Hinweise auf landschaftsprägende Eingriffe durch den Menschen«, so Eisenhauer. »Der Wald wurde für den Bergbau und die Holzkohleherstellung stark genutzt. In den entstandenen Lücken und auf den Freiflächen haben sich Pionierbaumarten, Gräser und Kräuter angesamt.« Mit der intensiven Aufforstung der Flächen ab dem 18. Jahrhundert verbreitete sich schließlich die Fichte, welche heute noch die häufigste Baumart im Osterzgebirge darstellt.

Die Projektergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für die weitere Entwicklung der Wälder im Erzgebirge und anderen Mittelgebirgen. »Der intensive Waldumbau, den wir bereits seit über dreißig Jahren in Sachsen betreiben, muss fortgeführt werden«, betont Eisenhauer. »Wir müssen weiterhin Wälder in den Mittelgebirgen entwickeln, die neben vielen anderen Baumarten wieder durch Buchen und vor allem Weiß-Tannen geprägt sind.« Die Ergebnisse der Jahrringuntersuchungen zeigen klar, dass nach einer Erholung von den Rauchschäden der 1980er Jahre die Weiß-Tanne aktuell der Fichte in Punkto Wuchsleistung und Trockenheitsanfälligkeit deutlich überlegen ist. Auch die gewonnenen Informationen zur Resilienz der betrachteten Baumarten gegenüber extremen warm-trockenen Witterungsverläufen während der frühmittelalterlichen Wärmezeit sind im gegenwärtigen rasanten Klimawandel von hoher Relevanz.

Aber nicht nur das: Das Vorkommen der Buche und Weiß-Tanne bis in die Kammlagen während der frühmittelalterlichen Wärmezeit belegt, dass mit zunehmendem Klimawandel diese Wälder bereits heute bis in die Kammlagen entwickelt werden müssen. In den unteren und teils mittleren Berglagen hingegen werden zunehmend natürliche Wälder des Hügellandes mit hohen Eichenanteilen relevant. Das sind weitere Puzzle-Teile für eine vegetationsökologische Orientierung beim Waldumbau während einer sehr dynamischen Klimaentwicklung. Die vielen Freiflächen in den Wäldern des Mittelalters infolge der intensiven Holznutzung zeigen in Bezug auf die Waldentwicklung demgegenüber Parallelen zu den aktuellen Waldschäden. »Auch hier wachsen auf großen Freiflächen wieder Pionierbaumarten und bei hohen Wilddichten vor allem Gräser und Kräuter«, so Eisenhauer. Umso wichtiger ist es, noch intakte Wälder in den Mittelgebirgen zu nutzen, um Baumarten wie Buche oder Weiß-Tanne, die nicht auf großen Freiflächen wachsen können, unter dem Schutz der älteren Bäume einzubringen.

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