Die »Archäologische Zeitmaschine«

Mit virtueller Realität in die westfälische Vergangenheit reisen

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Museen & AusstellungenDigitale TechnologienNordrhein-Westfalen

Die Altertumskommission für Westfalen und die LWL-Archäologie für Westfalen (beide Münster) präsentieren mit der Roadshow „Archäologische Zeitmaschine“ vom 8.8. bis zum 10.9.2022 VR-Kurzfilme zu drei archäologischen Fundstätten in Westfalen-Lippe:

In virtueller Realität (VR) geht es in die Jungsteinzeit, die Römerzeit und ins Mittelalter. In Shopping-Malls in fünf Städten gastiert die Show jeweils für eine Woche (Münster, Bielefeld, Bocholt, Siegen, Dortmund). Als Leitmotiv ist die „echte Zeitmaschine“ aus dem Kultfilm „Zurück in die Zukunft“ (1985) mit dabei: das spektakuläre Auto, ein umgebauter DeLorean (Besitzer: Josef Hesse, Münster).

Das Besondere: Eine solche Aufbereitung archäologischer Stätten in VR auf wissenschaftlicher Basis hat es noch nicht gegeben. Das Publikum kann den Bau des Großsteingrabs Große Sloopsteene bei Westerkappeln aus der Jungsteinzeit (3.500-2.800 v.Chr.), die Ankunft des römischen Feldherren Drusus im Halterner Feldlager um 12 v.Chr. und den Angriff auf die Holsterburg bei Warburg im Jahr 1294 erleben, als wäre es live dabei. Dafür wurde die führende VR-Filmproduktionsfirma Faber-Courtial GbR aus Darmstadt gewonnen.

»VR ist ein Quantensprung in der Wissensvermittlung«

Faber-Courtial

Nur die VR erlaubt das Eintauchen in eine filmische Szenerie, das heißt, die dargestellte Aktion fast körperlich zu erfahren. Das erzeugt eine andere Art der Weltwahrnehmung: viel stärker teilhabend – quasi als Augenzeuge – und damit auch eine andere Art des Lernens, nämlich unmittelbarer, sinnlich, spürend, tiefgehend. Das körperliche Erleben dringt „tiefer“ ein als das, was rein rational erfasst wird. Diese immersiven Effekte macht sich die »Archäologische Zeitmaschine« für die Wissensvermittlung zunutze.

Ein VR-Film bedeutet eine Kugelwelt: man steht mitten im Geschehen und kann sich in 360° umsehen. Narration funktioniert deshalb also in VR anders als bei 2D-Filmen. Für die Filmproduktion bedeutet das erstens: Überall muss etwas zu sehen sein, nicht nur in einer Richtung. Es braucht also eine Fülle von Informationen über den Raum, die Situation und das Setting an jeder Stelle der Kugelwelt. Es bedeutet zweitens, dass man den Blick der Zuschauer:innen letztlich nicht steuern kann – sie können hinschauen, wohin sie möchten. So müssen erzählerische und filmtechnische Mittel dafür sorgen, den Blick auf das Hauptgeschehen zu lenken: Szenerie, Setting und Handlungen auf narrativer Seite; Licht, Geräusche und Bewegungen auf filmtechnischer Seite. Das Hauptgeschehen muss zu jeder Zeit so interessant sein, dass der Blick darauf gerichtet bleibt. Die große Nähe der Zuschauer:innen zum Geschehen bedeutet auch: Nichts kann überspielt werden oder im Ungefähren bleiben. Alles muss stimmen!

Virtuelle Zeitreisen I

How-to: Wissenschaftliche Grundlagen für die VR-Produktion

Für die Filme der »Archäologischen Zeitmaschine« haben daher die Expert:innen aus Wissenschaft, Filmproduktion und Vermittlung in Workshops alle Details intensiv besprochen, den Wissensstand erhoben, die Narrationen und Bilder entwickelt. Noch junge Forschungsergebnisse konnten verwendet werden, z.B. digitale Rekonstruktionen von Landschaften oder Fotogrammetrien (IBM) von Megalithen. So wurden das Megalithgrab »Große Sloopsteene« steingenau in seiner jungsteinzeitlichen Ursprungsform rekonstruiert und die mittelalterliche Holsterburg und das Lager ihrer Angreifer 1294 detailgetreu in ihrer Landschaft platziert. Aus dem 3D-Drucker kamen Rekonstruktionen von Keramikgefäßen, die nach fachlicher Maßgabe bemalt wurden. Auch lang etabliertes Wissen über das römische Feldlager in Haltern wurde neu genutzt. Anlässlich der VR-Filmproduktion wurde daraus erstmals ein maßstabsgetreuer Plan der Lager-Binnenstruktur erstellt und die maximale potenzielle Anzahl der campierenden Legionen berechnet. Die räumlichen Dimensionen, der Platz für - zumindest rein rechnerisch - bis zu 30.000 Mann und die Organisation dieser Anlage im Film anstatt auf einem zweidimensionen Plan zu sehen, hat auch die Expert:innen in Erstaunen versetzt.

Der Filmproduktion waren allerdings natürlich auch Grenzen gesetzt durch technische Machbarkeit, die Umsetzung der Details von Kostümen und Requisiten, Wahl der Darsteller, und natürlich durch Zeit und Budget - und das alles unter den Beschränkungen der Pandemie.

Alles in Einklang zu bringen, verlangte hohe Kreativität und Genauigkeit. Entstanden sind nun - zu einigen Themen erstmals - auf aktueller Wissenschaft basierende VR-Filme.

Virtuelle Zeitreise II

Geschichte sinnlich erleben, unterhaltsam erfahren, gut verstehen

»Es ist ein Pionier-Projekt«, betont LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, »der LWL beschreitet mit der Show neue Wege der Wissensvermittlung« - ein definiertes Ziel im kulturpolitischen Konzept des LWL 2019. »Wir stellen uns dem Publikum freundlich in den Weg - und zwar da, wo es uns nicht erwartet: abseits der Museen, mitten im Alltag und im kommerziellen Raum«, so Dr. Aurelia Dickers, Vorsitzende der Altertumskommission. Eine Kampagne in Social Media begleitet die Show: YouTube, Instagram und Facebook werden eigens mit neuen Formaten bespielt, ebenso eine Projekt-Website mit einem neuen Blog. Im Zentrum stehen dabei stets die archäologischen Fundstücke und Fundstätten, denn das Ziel ist die Wissensvermittlung außerhalb des Elfenbeinturms und für ein breites Publikum. Experimente mit neuen Formaten sind ausdrücklich gewünscht!

»Wir möchten auf sinnliche, verständliche und unterhaltsame Art zeigen, welche Schätze im Boden unter unseren Füßen liegen, und wie behutsam wir sie mit modernster Technik erforschen«, ergänzt Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie und damit Landesarchäologe für Westfalen. »Wir wünschen uns die Begegnung von Publikum und Wissenschaft - direkt und spielerisch.«

Virtuelle Zeitreise III

Synergie-Effekte zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeitsarbeit

Ein weiterer Baustein des Projekts »Archäologische Zeitmaschine« ist die Social Media-Kampagne. Also wurden eigens für die Kanäle auf YouTube und Instagram so unterhaltsame wie seriöse Filme über die archäologischen und historischen Hintergründe der Fundstätten aus den VR-Filmen gedreht - in Eigenregie mit dem Iphone. Im Zuge dessen entstanden teils erstaunliche Wechselwirkungen. Für die Dokumentarfilm-Serie »Eine archäologische Zeitreise« zu Fundstätten in Westfalen-Lippe brachte das Projektteam Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen zusammen, um die jeweiligen Drehbücher zu entwickeln: Geschichte, Archäologie, Medienwissenschaften. Dafür mussten zunächst die äußerst komplexen Hintergründe der jeweiligen Fundstätten beleuchtet werden: Fakten erheben, Daten sortieren, Widersprüche klären, offene Fragen identifizieren. Die Ergebnisse: Bisweilen wurden alte Fragen neu aufgerollt, Kaskaden weiterer Fragen entstanden, Quellen wurden neu bewertet.

Es gab anhaltende, intensive Diskussionen - und große Forschungsfreude. Das Ausformulieren einer Balance zwischen Wissenschaft und Vermittlung reizte die Schmerztoleranz auf wissenschaftlicher und konzeptioneller Seite aus - glücklicherweise. Denn so gelang es, die Fülle und Komplexität der Inhalte bei maximaler wissenschaftlicher Sorgfalt bis zur Allgemeinverständlichkeit zu kondensieren und in eine ansprechende und umsetzbare Form zu bringen. Und nun werden einige Geschichten über archäologische Stätten in Westfalen-Lippe erstmals aus dieser multi-disziplinären Perspektive und außerhalb wissenschaftlicher Publikationen für ein breites Publikum erzählt. Das Projekt »Archäologische Zeitmaschine« zeigt: Der intensive und kreative Austausch beförderte die wissenschaftliche Tiefe, schärfte den Fokus und füllte die historischen Fakten mit Leben. Es ist für alle Seiten ein großer Gewinn.

Die »Archäologische Zeitmaschine« im Internet

Rund um die Archäologische Zeitmaschine finden sich bereits zahlreiche Beiträge im Internet und den sozialen Medien.

Homepage: www.zeitmaschine.lwl.org

YouTube: Altertumskommission für Westfalen - YouTube

Facebook: m.facebook.com/Altertumskommission

Instagram: #Altertumskommission

Roadshow »Archäologische Zeitmaschine« unterwegs in Westfalen

Ab dem 8.8.2022 ist die Roadshow in fünf Städten unterwegs und täglich zu den regulären Geschäftszeiten der Malls geöffnet:

  • Station 1
    Münster; Arkaden (Erdgeschoss)
    Montag 8.8. bis Samstag 13.8.
  • Station 2
    Bielefeld; Loom (Untergeschoss)
    Montag 15.8. bis Samstag 20.8.
  • Station 3
    Bocholt; Shopping Arkaden (Erdgeschoss)
    Montag 22.8. bis Samstag 27.8.
  • Station 4
    Siegen; City Galerie (Untergeschoss)
    Montag 29.8. bis Samstag 3.9.
  • Station 5
    Dortmund; Thier Galerie (Erdgeschoss)
    Montag 5.9. bis Samstag 10.9.