Eine neue Kultur des Lesens: Die »Archäologischen Informationen« im Open Access

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Schon vor ihrem Gang in den Open Access im Oktober 2013 war die Zeitschrift »Archäologische Informationen« im Fach gut verbreitet. Die weltweite Verfügbarkeit, gut durchdachte redaktionelle Prozesse sowie die enge Zusammenarbeit mit der Universitätbibliothek Heidelberg haben der »ArchInf« mittlerweile ein international hervorragendes Renommee beschert und sie zum Ort der Debatte über Open Access und Open Data in der Archäologie gemacht. Wir haben mit PD Dr. Frank Siegmund, Herausgeber der ArchInf, und mit Dr. Maria Effinger von der Universitätsbibliothek Heidelberg gesprochen.

8.400 heruntergeladene Artikel allein im Februar 2016, im Jahr zuvor insgesamt 61.000 heruntergeladene Artikel: die »Archäologischen Informationen« im Open Access sind offensichtlich ein absoluter Erfolg. Wie erklären Sie sich das?

Frank Siegmund: »Es ist das Gesamtpaket. Wie beim Mannschaftssport besteht das Ganze aus vielen einzelnen Komponenten, und wenn jedes einzelne Teil gut funktioniert und alles zusammenpasst, wird es ein Erfolg. Wir haben gute Autorinnen und Autoren, faire und engagierte Reviewer. Wir leisten gute redaktionelle Arbeit, schnüren spannende Themenbündel und sind sehr schnell geworden. Auch informieren wir besser als früher über neue Aufsätze: wir twittern sie, posten sie auf Facebook und setzen sie in den DGUF-Newsletter. Das ergibt in Summe Qualität, Aufmerksamkeit, viele Leser und dann wiederum auch das so wichtige Zitiert-Werden. Die vielen Downloads sind ja ein Mix aus Lesern der jüngsten, ganz aktuellen Beiträge, aber eben auch aus dem Wieder-Lesen von älteren Jahrgängen, die nun dank Retrodigitalisierung und Open Access eine zweite Rezeption erfahren.«

Dr. Maria Effinger: »Zu diesem »Gesamtpaket« gehört auch die Universitätsbibliothek Heidelberg. So hosten wir zuverlässig und nachhaltig die Software – Open Journal Systems (OJS), natürlich eine Open-Source-Entwicklung – mit der die »Archäologischen Informationen« online genutzt werden kann. Aber eine gute technische Plattform allein ist eben nicht alles: Die 'ArchInf' haben von Anfang an alles daran gesetzt, die Möglichkeiten, die der Medienwandel mit sich bringt, auch wirklich auszuschöpfen. Die aktuellen Beiträge verstecken sich nicht hinter eine Moving Wall, das heißt, sie sind sofort frei verfügbar und nicht erst nach einer Sperrfrist. Qualitätvolle Metadaten – also deutsche und englische Abstracts sowie Schlagwörter – sorgen für eine hervorragende Auffindbarkeit. Und dann trägt sicher auch die Erschließung jedes einzelnen Aufsatzes – bislang nur in Fachbibliographien zu finden – in den einschlägigen nationalen und internationalen Verbundkatalogen zur Sichtbarkeit bei.«

Wenn Sie die Reichweite und damit auch die wissenschaftliche Wirksamkeit der heutigen Artikel vergleichen mit dem, was vor dem Gang in den Open Access im Oktober 2013 möglich war: Wie würden Sie das beschreiben?

Frank Siegmund: »Auch vor der Online-Lesbarkeit waren wir keine Nischenzeitschrift, sondern wir waren – und sind ja weiterhin – mit mehr als 700 Abonnenten und einer Druckauflage von knapp 1«000 Exemplaren eine der großen Zeitschriften im Fach. Meine Vorgänger hatten schon mit dem Jahrgang 2003 englische Zusammenfassungen und Stichwörter eingeführt, d. h. sich um mehr internationale Wahrnehmung bemüht. Wer einen Fachartikel lesen wollte, konnte dies mit den üblichen Mühen auch vor 2013 tun. Aber Online hat eben eine weltweite Verbreitung und ist – dank Open Access – ungleich bequemer. Zudem findet Google nun alle Aufsätze, womit wir stärker über die rein akademische Welt hinausreichen.

Im Hinblick auf die Leser erscheint mir wesentlich, dass wir dual publizieren, d. h. Online und eben weiterhin auch im Druck. Damit öffnen wir uns bei Erhalt des Traditionellen zusätzlich für eine neue und andere Kultur des Lesens. Für viele junge Menschen sind Texte, die man nicht beim Googeln findet, inexistent. Wir beklagen das nicht als Kulturverfall, sondern haben uns für dieses neue Publikum geöffnet. Ganz konsequent, denn wir veröffentlichen Online ja aktuell, d. h. mit unseren »Early Views« sogar lange vor dem gedruckten Produkt.«

Maria Effinger: »61.000 heruntergeladene ArchInf-Artikel im Jahr 2015: das bedeutet, dass jeder online verfügbare Artikel durchschnittlich 50 mal genutzt wurde. Da wir bei unseren Statistikmessungen Suchmaschinenzugriffe herausrechnen, handelt es sich dabei auch wirklich um qualifizierte Downloads. Damit nehmen die Archäologischen Informationen einen Spitzenplatz unter den Heidelberger altertumswissenschaftlichen E-Journals ein.«

Sie beschreiben nicht nur quantitativen Erfolg, sondern Open Access auch als Entwicklungsprozess. Tragen die Archäologischen Informationen auch zu einem solchen Prozess bei den archäologischen Fächern bei?

Maria Effinger: »Wir hosten im Rahmen unseres Fachportals 'Propylaeum' aktuell 18 altertumswissenschaftliche E-Journals. Bei den meisten handelt es sich nicht um neu gegründete Online-Produkte, sondern um etablierte, zum Teil schon seit vielen Jahrzehnten gedruckt erscheinende Zeitschriften, die nun mit unserer Unterstützung nach und nach den Transformationsprozess hin zu einem Open-Access-Angebot durchlaufen. Nicht alle sind dabei so weit fortgeschritten wie die Archäologischen Informationen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Rechteklärung ein mühsames Geschäft ist. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass die DGUF hier vielfach Vorbild gebend war und anderen Herausgebern ganz konkret vor Augen geführt hat, was möglich und vor allem machbar ist.«

Die Archäologischen Informationen erscheinen im so genannten Platinum Open Access. Was bedeutet das denn konkret für den Autor und für den Leser?

Frank Siegmund: »Für die Leser heißt es, dass es nichts kostet. Das gilt für alle Open-Access-Zeitschriften. Der Unterschied liegt auf der Autorenseite. Denn als Ausgleich für den nunmehr fehlenden Verkauf verlangen heute viele Zeitschriften Publikationsgebühren von den Autoren. Oft einige hundert bis einige tausend Euro pro eingereichtem Artikel. 'Platinum' heißt, dass wir von den Autoren keine Gebühren nehmen. Das ist nur möglich, weil das Team im Hintergrund ehrenamtlich arbeitet und uns die Abonnenten der gedruckten Zeitschrift und vor allem die Mitglieder der DGUF treu geblieben sind.«

Maria Effinger: »Und wir in Heidelberg sind froh, dass wir zu dieser 'Platinum-Situation' etwas beitragen, können, indem wir unseren Beitrag – Hosting, Erschließung, nachhaltige Archivierung – für unsere Herausgeber kostenfrei anbieten können. Möglich ist dies zum einen durch den Einsatz von hauseigenen Mitteln, die wir im Rahmen unseres 'Fachinformationsdienstes Altertumswissenschaften – Propylaeum' bereitstellen, zum anderen aber auch durch die Mitfinanzierung seitens der Deutsche Forschungsgemeinschaft.«