Alte Steine in neuem Licht

Neueste Ergebnisse zu den Vorgängerbauten von St. Georg in Vreden (Kreis Borken / Westmünsterland)

veröffentlicht am
RekonstruktionDeutschlandMittelalterArchitektur

Im Rahmen seiner Dissertation an der Universität Heidelberg, Institut für Europäische Kunstgeschichte (Prof. Dr. Matthias Untermann), bot sich Harald Weiß die Gelegenheit, eine Altgrabung von Prof. Wilhelm Winkelmann und Dr. Hilde Claussen zu bearbeiten.

Die spätgotische Pfarrkirche St. Georg in Vreden war am 21. März 1945 bei einem Bombenangriff zerstört worden, die Ausgrabungen des damaligen Museums für Vor- und Frühgeschichte dauerten von 1949-1951. Die gesamte Grabungssituation der Krypten wurde an Ort und Stelle in einem Untergeschoss unter dem Chor des neuen Kirchenbaus bewahrt.

In Zusammenarbeit mit dem Referat Mittelalter- und Neuzeitarchäologie des Westfälischen Museums für Archäologie, Amt für Bodendenkmalpflege (Dr. Hans-Werner Peine) in Münster ergab eine zusätzliche archäologische Nachuntersuchung die Möglichkeit, die aufgestellten Hypothesen zu überprüfen und weitere Befunde auszugraben.

Zur Baugeschichte

So konnten insbesondere neue Erkenntnisse über die Gestalt der karolingischen (Bau I), ottonischen (Bau II) und frühsalischen Kirche (Bau III) gewonnen werden, wobei die aufwändigen Kryptenanlagen der beiden ersteren Aufsehen erregend sind.

Der Gründungsbau (Bau I) in Vreden wurde um 820/30 errichtet und ist mit der Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach und St. Cosmas und Damian in Essen vergleichbar. Es handelte sich dabei um eine Frauenstiftskirche.

Die mit dem Erwerb der Reliquien von drei römischen Märtyrern nachträglich angefügte karolingische Krypta (Bau Ia) steht in einer Reihe mit den Anlagen des Halberstädter (Bau Ic) und Hildesheimer (Bau II) Doms, sowie Corvey (Bau Ia). Chronologisch geht die Kirche in Vreden (Bau Ia) den übrigen Bauten dieser Gruppe sogar etwas voraus. Zusätzlich besaß die karolingische Kirche in Vreden einen großen Westbau mit gewölbtem Erdgeschoss, der wahrscheinlich aus einem Mittelraum und mehreren Nebenräumen bestand.

Die ottonische Kirche (Bau II) aus der Zeit kurz vor 1000 wiederholte mit einigen Varianten den karolingischen Bau, von dem einige Bauteile in den Neubau einbezogen wurden. Sein Westwerk ist am besten mit dem des ottonischen Minderer Doms und der Abteikirche in Essen-Werden zu vergleichen.

Die frühsalische Kirche (Bau III) wurde um 1030 errichtet und war eine einschiffige kreuzförmige Kirche mit einer vierstützigen Hallenkrypta. Solche Krypten gab es auch unter St. Aposteln in Köln, St. Peter in Worms-Hochheim, der ehemaligen Benediktinerabtei in Limburg an der Haardt und später in St. Felicitas in Vreden. Der Westturm (Bau IIIa) in Vreden entstand um die Mitte des 12. Jahrhunderts in der Nachfolge der ehemaligen Frauenstiftskirche von Hochelten und der Benediktinerabtei in Brauweiler. Bald danach wurde das Langhaus (Bau IV/IVa) dreischiffig ausgebaut.

Die um 1220/30 errichtete spätromanische Kirche (Bau V/Va) zählt zum regional verbreiteten Bautyp der Münsterländischen Hallenkirche, als dessen am Besten erhaltenes Beispiel St. Johannes in Billerbeck gilt.

Die letzte mittelalterliche Kirche (Bau VI/VIa) an der Stelle von St. Georg entstand 1473/1504. Es handelte sich um eine spätgotische Hallenkirche mit runden Säulen und polygonal gestaltetem Ostabschluß.

Die Präsentation

Die Ergebnisse der Neubarbeitung sind der Öffentlichkeit an originalem Ort zugänglich gemacht. Im Zentralraum des Untergeschosses von St. Georg, umgeben von den erhaltenen Mauerwerken wird die 1200jährige Bauabfolge anhand von Grundrissen, virtuellen Modellen und Animationen der Rekonstruktionen erklärt (maßwerke GbR, Münster).

Die erhaltenen Mauerteile werden durch eine aufwändige Lichtinstallation in den jeweiligen Phasenfarben angeleuchtet und so dem Besucher in ihrer Zugehörigkeit in die verschiedenen Bauten verständlich. Diese für Westfalen bisher einmalige Präsentation archäologischer Befunde war Anlass, den "Tag des offenen Denkmals" am 11. September 2005 in Vreden zu eröffnen. Die Aufarbeitung der archäologischen Grabungen, die Lichtinstallation und ein Begleitbuch entstanden mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, der Kirchengemeinde St. Georg und des Heimatvereins Vreden.

INFO

Weitere Informationen zur Baugeschichte und zur Lichtinstallation finden sich im Begleitbuch: Stift - Stadt - Land, Vreden im Spiegel der Archäologie (Beiträge des Heimatvereins Vreden zur Landes- und Volkskunde Bd. 69, hrsg. v. Hans-Werner Peine u. Hermann Terhalle, Vreden 2005, ISBN -3-926627-44-1).

Kontakt

Prof. Dr. Matthias Untermann
Universität Heidelberg
Institut für Europäische Kunstgeschichte
Seminarstraße 4
69117 Heidelberg

Dr. Hans-Werner Peine
Westfälisches Museum für Archäologie
Amt für Bodendenkmalpflege
Referat Mittelalter- und Neuzeitarchäologie
Rothenburg 30
48143 Münster

Harald Weiß M.A
Gerbodoweg 4
69123 Heidelberg

maßwerke GbR
Stephan Winkler M.A.
Hafenweg 31
48155 Münster