Pharaonen-Schätze in Bonn

Die Ausstellung »Tutanchamun. Das Goldene Jenseits - Grabschätze aus dem Tal der Könige«

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Museen & AusstellungenÄgypten

»Ich sehe wunderbare Dinge,« rief Howard Carter 1922 seinem schillernden Geldgeber Lord Carnarvon zu, als er durch eine Öffnung den ersten Blick auf die fabelhaften Grabschätze des Tutanchamun warf. Der Lord war mit seiner Tochter auf das Telegramm von der Entdeckung des Grabes hin aus England herbeigeeilt und wartete nun aufgeregt mit einer Menschenmenge.

Dasselbe möchte man sagen, wenn man die in Basel konzipierte und dort auch in diesem Jahr sehr erfolgreich gelaufene Ausstellung "Das goldene Jenseits. Tutanchamun - Grabschätze aus dem Tal der Könige" in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle sieht. 120 erlesene Kunstwerke aus Gräbern und Tempeln der 18. ägyptischen Dynastie sind zu bewundern, viele davon zum ersten Mal außerhalb des ägyptischen Museums in Kairo. Da Gold, das "Fleisch der Götter", im alten Ägypten als Farbe der täglich wiederkehrenden Sonne galt und daher ein Symbol für die Wiedergeburt im Jenseits war, sind neben dem viel verwendeten Edelmetall auch Gegenstände aus anderen Materialien, besonders Holz, in Goldfarbe gestrichen. Ein Rausch in Gold!

Die 18. Dynastie (16. - 13. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung) weist besonders spektakuläre Herrscher auf. Pharao Ahmose vertrieb die Hyxos, ein asiatisches Reitervolk mit Bogenschützen und Kampfwagen, nach hundertfünfzigjähriger Herrschaft am Nil. Seine Nachfolger Amenhotep, Thutmosis I und II sicherten das Reich weiter ab. Hatschepsut war eine Frau auf dem Königsthron. Die "erste Dame" war vermutlich die erste große Herrscherin der Weltgeschichte. Höhepunkt (und wohl auch Konsolidierung) ihrer Herrschaft war die Schiffsexpedition in das magische Land Punt der Götter, des Goldes, des Weihrauchs und der Myrrhe. Unsägliche Schätze wurden nach drei Jahren auf den fünf Segelschiffen mit je 30 Ruderern zurückgebracht. Bis heute streiten die Wissenschaftler, wo Punt lag, obwohl man einen Teil der Strecke anhand der im Hatschepsut-Terrassentempel anatomisch genau abgebildeten Fische rekonstruieren konnte. Im heutigen Somalia, in Eritrea oder in Simbabwe? Für letzteres spricht die lange Dauer der Fahrt, eine abgebildete Königin mit Fettsteiß, einer echten Hottentotten-Dame, und die Antimon-Nutzung seit der 6. Dynastie. Antimon konnte zu der Zeit nur vom Sambesi kommen. Hatschepsut widmete sich 22 Jahre mit aller Kraft friedlichen Aufgaben wie tüchtiger Verwaltung, guten Gesetzen, Tempelbau, Opferkult. Letztere sicherten auch ein gutes Verhältnis zu der übermächtigen Priesterschaft, ohne deren Hilfe die revolutionäre, staatsrechtswidrige Herrschaft einer Frau kaum hätte begründet und aufrecht erhalten werden können.

1445 stirbt Hatschepsut, vermutlich ermordet durch ihren Stiefsohn Thutmosis III, den Grossen, der wohl endlich an die Macht wollte. Ihr Grab ist verschollen, ihr Gesicht in Portraits und Statuen zerkratzt, ihre Sphingen zerschlagen, ihre Kartuschen ausgemeißelt und zum Teil durch die des Nachfolgers ersetzt. Dieser ist einer der bedeutendsten Kriegsherren aller 31 Dynastien - 17 Schlachten in 20 Jahren, darunter die von Megiddo (in Palästina) gegen die "Erbfeinde" Hethiter, zu der er über 10.000 Soldaten führte. Er dehnte das Reich bis zum Euphrat aus. Ihm folgten Amenhotep II, Thutmosis IV, Amenhotep III, dann Amenhotep IV oder Echnaton. Dieser "Ketzerkönig" begründete mit seiner Gattin Nofretete die neue Religion des einen Gottes Aton, dargestellt durch die Sonnenscheibe Re mit ihren lebensspendenden Strahlen. Aber er war offenbar krank, politisch zu schwach, in der Landesverteidigung zu nachgiebig, zu sehr in seine revolutionäre Religion, die schönen Künste und den Bau seiner neuen Residenz Amarna vertieft, um auf die Dauer die Amun-Priester in Schach halten zu können. Er wurde vermutlich ermordet und seine Mumie ist bis heute verschollen. Auch seine Stein-Bildnisse wurden verstümmelt und in neue Tempel verbaut. Die alten Götter gewannen unter den folgenden Pharaonen Meretaton, Semenchkaré, Tutanchamun wieder zunehmend mehr Macht. Tutanchamun, Sohn des Echnaton mit einer Nebenfrau, herrschte nur von seinem neunten bis achtzehnten Lebensjahr. Der unbedeutende Kindpharao war eine Marionette der Amun-Priester. Aber sein Grab ist das einzige bis heute gefundene, das über die Jahrtausende von Grabräubern fast verschont blieb. Wenn man seine unsäglichen Schätze sieht, fragt man sich, wie reich erst die Gräber der großen Könige geschmückt gewesen sein mögen. Nach Pharao Aja beschließt König Haremhab, ein großer General, die 18. Dynastie. Da diesem wackeren Haudegen ein Sohn versagt blieb, adoptierte er einen seiner Offiziere, der die folgende 19. Dynastie gründete. Sein Name war Ramses.

Unter den nun in Bonn ausgestellten Kostbarkeiten prägen sich prachtvoll geschmückte Kanopengefäße (Eingeweidesärge), erlesene Statuetten, bemalte Salbgefäße aus Alabaster, reich verzierte Diademe, Pektorale und andere kostbare Schmuckstücke, edle Kleider, feine Möbel, diverse Musikinstrumente, Weinkrüge, Waffen besonders dem Gedächtnis ein. All das sollte die toten Pharaos ins Jenseits begleiten und sie dort nach der Auferstehung erfreuen.

Eine farbige Rekonstruktion der Grabkammer des Tutanchamun vertieft den Eindruck der Ausstellung. Besonders interessant ist eine Computeranimation der Firma Art+Com, die eine Einführung in die Geographie des Reiches am Nil und in die Grabarchitektur von den frühen bis in die späten Dynastien gibt.

"Tut ist zurück in Deutschland. Wenn Sie ihn jetzt nicht hier sehen, müssen Sie dafür nach Amerika fahren, dem nächsten Ausstellungsort." So sagte zutreffend der moderne Pharao der ägyptischen Antikenverwaltung, Prof. Dr. Zahi Hawass in der Presseeröffnung - ausnahmsweise ohne sein Markenzeichen, den braunen Hut, den wir aus so vielen Fernsehsendungen kennen. Er erklärte auch, warum wir über zwanzig Jahre seit der letzten Ausstellung ägyptischer Museumsschätze warten mussten. Vor 23 Jahren war beim Verpacken die Uräus-Schlange des Kopfschmucks der Göttin Selket abgebrochen. Darauf hatte das ägyptische Parlament beschlossen, die Schätze des Tutanchamun nicht mehr auf die Reise zu schicken. Erst eine leidenschaftliche Rede des Kultusministers vor dem Parlament hat diese Tournee ermöglicht, denn ein neues Super-Museum bei den Pyramiden muss finanziert werden.

Die Ausstellung "Tutanchamun. Das Goldene Jenseits - Grabschätze aus dem Tal der Könige" wird in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn vom 4. November 2004 – 01. Mai 2005 gezeigt.