Die Verlegung von neuen Abwasser- und Stromleitungen an der Südostseite des Doms erforderte einen Einsatz der Archäologen. Wo heute nur noch eine kleine grüne Wiese zu sehen ist, lag schon im Mittelalter ein Friedhof. Hier legten die Wissenschaftler des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) zwei Probegrabungen an. Direkt unter der Grasnarbe stießen sie in beiden Fällen auf Bestattungen.
Auf der westlichen Fläche fanden sie zwei Gräber. Von der ersten Bestattung ist nur noch ein Bein erhalten. Der Rest des Grabes ist wahrscheinlich durch ältere Baumaßnahmen zerstört worden. Im zweiten Grab entdeckten die Forscher einen Schädel, mehrere Halswirbel und ein Schulterblatt. Der Rest des Skelettes liegt vermutlich im Erdreich außerhalb der Ausgrabungsfläche. »Bei solchen von Baustellen verursachten Grabungen legen wir nur die betroffenen Flächen frei«, erklärt Archäologe Till Lodemann. »Dazu sind wir gesetzlich verpflichtet.«
Die beiden Toten lagen einst in Holzsärgen. Das Holz selbst ist verrottet - erhalten sind nur noch die eisernen Nägel. In der östlichen Grabungsfäche kam eine etwas aufwändigere Bestattung zu Tage. Hier lag der Leichnam in einem sogenannten Steinkistengrab. Die Grabkammer ist aus sorgfältig behauenen Kalksteinplatten gebaut, die präzise aneinandergefügt sind. Auch hier konnten die Archäologen nur einen Teil der Bestattung freilegen, und zwar den Oberkörper eines Skelettes. Der Schädel ist teilweise beschädigt.
»Unsere Ausgrabungen sind ein kleines Fenster in die Vergangenheit«, erläutert Dr. Sveva Gai. »Die Art dieses Grabs und die Lage nahe am Chor sprechen dafür, dass die Person ein hohes gesellschaftliches Ansehen besaß. Für weitergehende Aussagen zu dem Friedhof ist die ergrabene Fläche aber zu klein.«
Die Toten wurden in mittelalterlicher Tradition so bestattet, dass sie nach Osten blicken. Nach christlichem Glaube erwarteten die Menschen im Osten die Wiederkunft Jesu Christi am Tag des Jüngsten Gerichts. »Für mittelalterliche Gräber liegen die Bestattungen hier auf den ersten Blick ungewöhnlich dicht unter der Oberfläche«, so Gai. »Das liegt aber daran, dass das gesamte Bodenniveau an dieser Stelle zwei Meter tiefer liegt als der restliche Platz.« Die unterschiedlichen Höhen haben ihre Ursache in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals ließ der Architekt Arnold Güldenpfennig das Areal um den Dom umgestalten.
Eine Anthropologin wird die Knochen genauer untersuchen, um beispielsweise Fragen zu Alter und Geschlecht zu beantworten. Danach werden die Gebeine wieder in einer kirchlichen Zeremonie im ehemaligen Friedhofsbereich bestattet.
Noch ist unklar, wo genau die geplanten Leitungen verlaufen werden. Sollte ein neuer Kanalgraben notwendig werden, werden die Ausgrabungen weitergehen. Die Entscheidung darüber trifft als Eigentümer das Generalvikariat des Erzbistums Paderborn.