Im Zuge der Ausschachtungsarbeiten für das neue Gebäude haben Archäologen an der Heierstraße 15 die Reste einer mächtigen, zwei Meter dicken Mauer gefunden. Von der Mauer ist nur noch das Fundament mit der untersten Steinlage erhalten. Die Mauer besteht aus vermörtelten Kalkbruchsteinen und ist direkt auf den Kalksteinuntergrund gebaut. »Die Grundmauer wird von Schichten aus dem 12. Jahrhundert überlagert«, erklärt Grabungsleiter Ralf Mahytka. »Das heißt, das Mauerstück ist mindestens in diese Zeit, vielleicht auch früher zu datieren.«
Über eine Gesamtlänge von mehr als 10 Meter zieht sich die Mauer - von der Tiefgarage des Konrad Martin-Haus gekappt - quer über die gesamte Grabungsfläche. Der östliche Verlauf der Mauer kam erst zutage, als die Wissenschaftlerinnen eine schmalere, jüngere Mauer näher untersuchten. »Diese neuzeitliche Mauer verläuft exakt in derselben Flucht, wie die der Domburg«, erläutert Mahytka. »Das hat uns aufmerksam werden lassen.« Tatsächlich lag unterhalb dieser jüngeren Mauer auch die breite Domburgsbefestigung aus dem 12 Jahrhundert. »Die Menschen haben die Domburg als Fundament wiederverwendet, das sparte Baumaterial.«
»Die Entdeckung kommt für uns sehr überraschend und wirft neue Fragen auf«, sagt LWL-Stadtarchäologin Dr. Sveva Gai. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass die Mauer der Domimmunität weiter südlich verlief. Die Lage der Mauer wurde größtenteils anhand von punktuellen Grabungen aus dem 1950er und -70er Jahren rekonstruiert. Die damals entdeckten Mauerabschnitte stammten aus der Karolingerzeit, also dem 9. Jahrhundert. »Bislang hatten wir angenommen, dass das Areal der Domimmunität sich auch im 11. Jahrhundert nicht verändert. Doch möglicherweise gab es zu dieser Zeit eine Verlagerung.«
Die Domimmunität bezeichnet den Grund um den Bischofssitz, also den Dom. Dieser Bereich unterstand nicht der städtischen Gerichtsbarkeit, sondern unterlag der weltlichen Herrschaft des Bischofs. In der Regel war die Domimmunität mit einer Mauer umgeben, sodass Wissenschaftler auch von einer »Domburg« sprechen.
Die aktuelle Ausgrabung begann bereits unmittelbar nach dem Abriss des alten, nachkriegszeitlichen Gebäudes, das in Paderborn als »Kleiderkammer« bekannt war. Das Haus war nicht vollständig unterkellert, sodass ein Teil des Erdreichs bis dahin unangetastet war. In diesem Bereich stießen die Forscher auf den Keller eines Hauses, das aus dem 16. Jahrhundert stammt.
Ein Teil des Kellers erstreckte sich unter der Heiersstraße, die nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitert wurde. Erhalten waren nur die umgebenden Mauern ohne das darüber liegende Kellergewölbe. Aus dem unterschiedlichen Mauerwerk gehen mehrere Bauphasen hervor. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Keller des 16. Jahrhundert auf älteren Fundamenten ruht, deren Datierung im Moment noch unklar ist.
An dieser Stelle stand die sogenannte Tigge, ein 1527 erbautes Gebäude, das ursprünglich als Gerichtsstätte diente. Aus einer Zeichnung aus dem Jahre 1841 geht hervor, dass es sich um einen schmalen Fachwerkbau handelte, der im ersten Obergeschoss mit Wappendarstellungen verziert war. Anhand von alten Stadtrechnungen, die Ausgaben und Einnahmen Paderborns auflisten und im Stadtarchiv liegen, lässt sich die Besitzerfolge ab 1610 nachvollziehen. Die Inhaber mussten nämlich einen besonderen Zins an die Stadt zahlen, das Pensionalgeld.
Die Ausgrabung erfolgt im Vorfeld der Errichtung des neuen IT-Gebäudes des Erzbischöflichen Generalvikariats an der Heierstraße 15. Das Generalvikariat unterstützt die notwendigen Arbeiten. Gai: »Eine gute Zusammenarbeit, um die archäologische Dokumentation mit dem Bauplan abzustimmen.« Die Ausgrabung war erforderlich, da das Areal nordwestlichen der mittelalterlichen Domburg liegt und dementsprechende Funde zu erwarten waren. Die Mauer wird unter dem Betonfundament eingeschlossen. So bleibt sie, zusätzlich zu Fotos, Zeichnungen und einem digitalen 3-D-Modell, unter der Erde für zukünftige Generationen erhalten.