Die Saalkirche St. Bonifatius ist ein im Kern ein romanischer Bruchsteinbau mit dreiseitigem Ostabschluss. Unter dem Patrozinium des auch »Apostel der Deutschen« genannten Heiligen Bonifatius (ca. 673–754/755) stehen in Mitteldeutschland nur die allerältesten Kirchen. Dazu passt, dass das, im Jahr 992 erstmals genannte Quenstedt im Mittelalter trotz fehlendem Stadtrecht nicht unbedeutend war. Bekannt ist, dass die Ortschaft damals darüber hinaus auch eine Ummauerung mit Toren, einen Markt und ein Rathaus besaß. Der querrechteckige Turm mit spitzbogigen Schallöffnungen, wurde dagegen erst im ausgehenden Mittelalter (1448) errichtet. Das heutige Erscheinungsbild der Kirche ist vor allem geprägt durch den Wiederaufbau nach Bränden im 17. Jahrhundert (darunter barocke Haube und Laterne des Turms) sowie den tiefgreifenden Umbau im Jahre 1884 (zwei neugotische Säulenvorhallen, Maßwerkfenster).
Hier wurden die beiden Bildsteine Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt, vermutlich im Zuge maßgeblicher Bauarbeiten. Vom ehemaligen Pfarrer sichergestellt, wurden die Steine über 150 Jahre im Turmgewölbe der Kirche verwahrt. Wegen des starken Verfalls der beiden Sandsteinblöcke werden diese nun durch das Engagement der örtlichen Pfarrerin und einer ehrenamtlichen Beauftragten mit der Unterstützung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und in Zusammenarbeit mit dem Restaurator Christoph Reichenbach notgesichert. Zum Zwecke der konservatorischen Behandlung wurden sie nun in eine Restaurierungswerkstatt überführt.
Die aus hellgrauem Sandstein gefertigten, quaderförmigen Blöcke weisen eine Kantenlänge von 45 bis 57 Zentimeter und eine Tiefe von 17-20 Zentimeter auf. Motive und Ausarbeitung lassen darauf schließen, dass beide Steine in Beziehung zueinander stehen. Abgebildet sind zwei unterschiedliche Motive:
Der erste Stein bildet zwei menschliche Figuren ab. Eine große, mutmaßlich männliche Figur schwingt mit beiden Händen ein axt- oder hammerartiges Objekt, Füße und Kopf zeigen gemeinsam in die Richtung einer kleineren Person, die ihre Hände zum Gesicht führt. Das zentrale Element des zweiten Steines bildet die wiederholte Darstellung des großen Mannes mit einem schwingenden, axtähnlichen Werkzeug in beiden Händen. In diesem Fall scheint er die Axt gegen etwas oder jemanden am Boden liegenden zu richten.
Damals wie heute regen die Bildmotive der Steine zu Spekulationen hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Bedeutung an. Die eher grobe, etwas ungelenke Darstellungsweise macht eine zeitliche Einordnung schwierig. Handelt es sich wirklich um mittelalterliche Bildsteine oder zeigen sie vielleicht Szenen aus der vorchristlichen Mythenwelt? Handelt es sich um die Darstellung Thors mit seiner Frau (1. Stein), der mit seinem Hammer gegen Loki kämpft (2. Stein) oder sind vielleicht Szenen aus dem Bergbau abgebildet – verschiedenste Thesen sind in Betracht gezogen worden. Für einen christlichen Kontext spricht eine, vom Bildinhalt ähnliche, Szene am Portal der St. Andreaskirche im keine 25 Kilometer entfernten Heiligenthal, Lkr. Mansfeld-Südharz. Diese datiert in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts. Dort wehrt sich ein Mann mit einer Axt gegen ein am Boden liegendes Untier, welches ihm in den Fuß beißt. Somit könnten die Bildsteine aus Quenstedt zur ersten romanischen Ausbauphase der Kirche aus dem 11./12. Jahrhundert und damit ins Mittelalter gehören. Vielleicht handelt es sich um lokale Darstellungsvarianten von Heiligenlegenden, die den »Kampf gegen das Böse« thematisieren, wie zum Beispiel St. Georg gegen den Drachen oder der Erzengel Michael gegen den Teufel (häufig ebenfalls in Drachengestalt).
In Motivik und Ausfertigung sind die Bildsteine jedoch ohne direkte Parallelen und stellen deshalb ein bislang einzigartiges Kulturzeugnis in Sachsen-Anhalt dar. Im Rahmen der Notsicherung und Restaurierung sollen neue Erkenntnisse zu den rätselhaften Bildsteinen gewonnen werden.