MISR: Mission Siptah - Ramses X.

Drei königliche Gräber und eine Ansammlung von Arbeiterhütten im Tal der Könige (Luxor)

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Das Projekt «MISR: Mission Siptah - Ramses X.» hatte zunächst, wie der Name sagt, zum Ziel, die Gräber der beiden Pharaonen Siptah und Ramses X. vollständig auszugraben und zu publizieren. Aus den zwei sind nun vier Teilprojekte geworden. Von 1998/1999 bis 2001/2002 fanden vier Kampagnen im Tal der Könige statt.

  • Die Dokumentation des 100 m langen und ursprünglich fast vollständig dekorierten Grabes Siptahs (KV 47) ist noch im Gange. Während der Kampagne 2001/2002 wurde mit der Ausgrabung des Eingangsbereichs begonnen.
  • Bei der Anlage dieses Grabes zur Zeit des Königs Siptah wurde ein älteres tangiert. Dieses undekorierte Grab KV 32, das bisher keinem Besitzer/keiner Besitzerin zugeschrieben werden konnte, kann neuerdings mit guten Gründen einer Königin der 18. Dynastie zugeordnet werden: der Gemahlin Amenophis' II., Tiaa.
  • Die Ausgrabung und Dokumentation des Grabes Ramses' X. (KV 18) ist abgeschlossen; im Jahr 2000 erschien die Publikation. Während der Kampagne 2001/2002 wurde mit der Reinigung des Architravs des Grabeingangs begonnen. Zudem wurden die Elektroanlagen untersucht.
  • Bei der Ausgrabung in der Umgebung des Grabes Ramses' X. kamen Arbeiterhütten und Objekte aus dem Grab Sethos' I. (KV 17) zum Vorschein. Die bisher unentdeckt gebliebenen Arbeiterhütten versprechen interessante Aufschlüsse über die Art der «Bewohnung» des Tals der Könige. Das Grab Sethos' I. ist neben demjenigen Tutanchamuns das berühmteste im Tal der Könige («Belzoni's tomb»).

Alle Mitarbeiter des Projektes MISR gehören dem Ägyptologischen Seminar der Universität Basel / Schweiz an:
Dr. Hanna Jenni (Koordinatorin), lic.phil. Elina Paulin-Grothe (Grabungsleiterin), lic.phil. Andreas Dorn, Dr. Barbara Lüscher, Prof. Dr. Thomas Schneider

Das Grab Siptahs (KV 47)

Das Grab KV 47, das im westlichen Teil des sogenannten Osttales liegt, war die letzte Ruhestätte des zweitletzten Königs der 19. Dynastie namens Siptah (1198-1194 v.Chr.). Es wurde 1905 von Edward R. Ayrton entdeckt und bis zu dem Raum vor der Sarkophaghalle ausgeräumt. Man hörte damals auf, die Anlage von dem durch Schwemmschichten verfüllten harten Schutt zu befreien, weil man befürchtete, die Sarkophagkammer könnte einstürzen. 1912 hat Harry Burton dann die Sarkophaghalle geräumt; dabei kam der grosse Sarkophag zum Vorschein. In diesem Zustand ist das Grab von 100 m Länge bisher geblieben.

KV 47 weist folgende Abfolge auf (Plan mit Schnitt und isometrische Zeichnung): Nach dem Treppenabgang (gezählt als Korridor A) folgen zunächst drei Korridore: B geneigt, C flach, D wieder geneigt. In den Korridoren B und C ist die Dekoration fast vollständig erhalten und besonders farbfrisch.

Schachtraum E, Pfeilerraum F , der Abgang vom Pfeilerraum F in den Korridor G, die ursprünglich ebenen Korridore G und H und auch die Vorhalle I sind sehr stark zerstört. In diesem unteren Teil des Grabes sind die Decken gewölbeförmig ausgebrochen. Dadurch und weil das Fussbodenniveau höher ist als original, hat man einen etwas anderen Raumeindruck, als man ihn von dem Besuch in anderen Königsgräbern in Erinnerung hat. Zu diesem Raumeindruck trägt auch die ungewöhnliche Länge des zweiten Teils des Grabes bei, die nicht nur durch das Vorhanden sein von zwei Korridoren im unteren Teil des Grabes versursacht ist - das kommt auch bei anderen ramessidischen Gräbern vor -, sondern v.a. durch das Vorhandensein eines zusätzlichen Raumes.

Wer sich in ramessidischen Königsgräbern auskennt, erwartet ja, nach dem Korridor H und einem Vorraum die Sarkophaghalle zu betreten. Es folgt aber ein länglicher Raum, der etwas breiter ist als die Korridore und dominiert ist von einem Loch in ca. 2 m Höhe in der linken Wand. Es ist ein Durchbruch zu dem Grab KV 32. Dieser Raum J1 ist in der Raumabfolge singulär und höchst wahrscheinlich ungeplant gewesen, wie der Zusammenstoss mit dem zu Siptahs Zeit bereits bestehenden KV 32 nahelegt.

Die Sarkophaghalle J2 ist unfertig geblieben. Es fehlt quasi die hintere Abschlusswand. Nur die vordere Reihe von vier Pfeilern, die Wandbänke auf drei Seiten und das Deckengewölbe in der Querachse sind fertig. Die vier vorhandenen Pfeiler sind allerdings nur noch in Resten vorhanden. Die Sarkophaghalle wird von dem monumentalen Sarkophag dominiert.

Der Raum J1 weist entgegen älteren Darstellungen Reste von Dekoration auf. Es handelt sich um Abschnitte des Unterweltsbuches Amduat. Der Erhaltungszustand ist allerdings prekär, so dass die Wände zuerst konsolidiert werden mussten.

Während der Kampagne 2001/2002 wurde mit der Untersuchung und Räumung des Schutts ausserhalb des Grabes, gegenüber dem Eingang, begonnen. Die Höhe der Schuttschicht beträgt in diesem Bereich bis zu 5m. Hier wurden spärliche Reste eines Arbeitercamps der 19. Dynastie entdeckt.

KV 32

Während der Kampagne 2000/2001 wurde nicht nur die Stelle des Zusammenstosses zwischen KV 32 und KV 47 untersucht, sondern auch KV 32 selber ausgraben. Dessen Eingang liegt im Vergleich zu demjenigen von KV 47 sozusagen über dem Berg, etwa dort, wo der Aufstieg zum Grab Thutmosis' III. beginnt. In KV 32 hatte 1898 bereits Victor Loret gegraben. Der Treppenabgang von Korridor A ist äusserst steil und zerstört, so dass der Zugang eine recht anstrengende Kletterei ist. Es folgen drei Korridore, B bis D, von denen C auch recht steil ist, und dann der Sarkophagraum J. Er weist einen Pfeiler auf. Vom Sarkophagraum J ist links ein Nebenraum Ja zu betreten. Von diesem aus geht rechts die Verbindung zu dem Grab Siptahs (KV 47) ab.

Für wen das undekorierte Grab angelegt wurde, war bisher unklar. Während der Kampagne 2001/2002 sind Funde zum Vorschein gekommen, die eine Königsmutter namens Tiaa nennen. Sie ist bekannt als Gemahlin Amenophis' II. und Mutter Thutmosis' IV. Ausgrabungen zu Beginn des 20. Jhs. im erwähnten Grab Siptahs (KV 47), die ebenfalls Fragmente mit diesem Namen zutage brachten, wurden - fälschlich, wie sich jetzt gezeigt hat - der Mutter Siptahs zugeschrieben. Der Grund für den Fundort dieser Fragmente ist, dass sie aus KV 32 durch Regenwasser in das Grab Siptahs geschwemmt wurden.

Das Grab Ramses' X. (KV 18)

Das Grab Ramses' X. (1109-1105 v.Chr.) im Tal der Könige von Theben (Luxor) ist bisher nicht wissenschaftlich publiziert worden. Ramses X. regierte nur kurz (1107-1103 v.Chr.), sein Grab blieb unvollendet, der König war nie in dem für ihn vorgesehenen Grab bestattet worden. Das Felsgrab wurde im Laufe der Zeit weitgehend mit Schutt verfüllt, der durch Regenfälle eingeschwemmt wurde. Zudem versperrte eine moderne Mauer den hinteren Teil des Grabes, und im vorderen Teil wurden zu Beginn des 20. Jhs. Elektroapparate installiert, die einige Gräber des Tals der Könige ertsmals mit künstlichem Licht versahen.

Das Grab wurde in zwei Kampagnen von 1998-2000 vollständig ausgegraben und dokumentiert. Die nun vorliegende Publikation des Grabes Ramses' X. bietet zusammen mit Plänen, Zeichnungen und Photographien eine Beschreibung der Architektur, der Dekoration und der Funde sowie eine historische Abhandlung über die Person Ramses' X., die anhand des Tagebuches der Nekropolenarbeiter das Geschehen im Tal der Könige nachzeichnet und eine mögliche Antwort auf die Frage gibt, wo Ramses X. tatsächlich bestattet worden sein könnte.

Das bisher für Touristen nicht zugängliche Grab - zwischen dem Grab Sethos' I. (KV 17) und der sog. embalming cache Tutanchamuns (KV 54) gelegen - war durch dreissig von Regenfällen verursachte Einschwemmschichten weitgehend verfüllt. Die moderne Mauer und die Verfüllung in Korridor C wurden während der ersten Kampagne (1998/1999) entfernt; dahinter endet der unfertige Korridor C, indem der noch nicht vollständig abgebaute Fels in Stufen ansteigt. Der Befund lässt Schlüsse auf das Werkverfahren zu. Unmittelbar hinter dem Türdurchgang zu Korridor C wurde ein Teil der Verfüllung als Profil stehen gelassen; an ihm sind zweiundzwanzig Schichten erkennbar.

Eine Besonderheit des Grabes Ramses' X. stellen die elektrischen Installationen dar. Sie ermöglichten erstmals, die besuchenswerten Pharaonengräber im Tal der Könige durch künstliches Licht zu erhellen. Dies bedeutete einen Riesenfortschritt, nicht nur für den schon damals boomenden Tourismus, sondern auch für die Ägyptologie, hat doch die elektrische Beleuchtung bei der Entdeckung des Grabes Tutanchamuns im Jahre 1922 eine bedeutende Rolle gespielt (wie in Carters Bericht nachzulesen ist).

Die elektrischen Installationen wurden während der Kampagne 2001/2002 von einem Elektroingenieur, Dr. Erwin Alzinger, untersucht und teilweise ergänzt. Hier sein zusammenfassender Bericht:

»Für die Beleuchtung von sechs Gräbern im Tal der Könige wurde bereits im Jahre 1902 ein kleines Kraftwerk im unvollendeten Grab Ramses' X. (KV 18) eingerichtet. Diese Ausrüstung wurde vom Ingenieur M. Zimmerman projektiert und von der AEG Berlin geliefert. Im Jahre 1925 bemühte sich Howard Carter um eine Verbesserung der elektrischen Anlage. Die Erneuerung dauerte aber bis etwa 1936, als die heute noch vorhandene Schalttafel für den Parallelbetrieb von zwei Generatoren von Thomas Cook & Son in Kairo geliefert wurde. Diese Anlage war bis etwa 1972 in Betrieb. Seit dieser Zeit wurden viele Bestandteile entfernt. Die noch vorhandenen Teile wurden registriert und beschrieben. Die Schalttafel konnte bereits teilweise restauriert werden.«

Die Eingangsszene auf dem Architrav der Grabfassade zeigt die Sonnenscheibe mit der Darstellung von Skarabäus und widderköpfigem Gott, flankiert von je einer Figur des knienden Königs und den stehenden Göttinnen Isis (links) und Nephthys (rechts). Der stark verschmutzte Architrav wurde bisher teilweise gereinigt.

Das in unmittelbarer Nähe des Grabeinganges gefundene Kalkstein-Ostrakon ist von besonderem Interesse, da es wahrscheinlich eine partielle Skizze oder Vorzeichnung dieser Architrav-Szene ist.

In der Umgebung des Grabes Ramses' X. wurden Arbeiterhütten und Objekte aus dem Grab Sethos' I. (KV 17) entdeckt.

Die Arbeiterhütten in der Umgebung des Grabes Ramses' X. (KV 18)

Nachdem in der Kampagne 1999/2000 die Arbeit im Grab Ramses' X. abgeschlossen werden konnte und die Publikation erschienen ist, wurde die Grabung in der Umgebung dieses Grabes KV 18 in der während der Kampagne 2000/2001 fortgesetzt. Die heutige Grabungspolitik ist zurecht die, wonach sich Untersuchungen nicht auf die Gräber und den umittelbaren Eingangsbereich beschränken sollen. Seit der Zeit der Anlage der Gräber und bis in die heutige Zeit ist im Tal der Könige viel Material bewegt worden: antikes Aushubmaterial wie auch Schutt, der von verschiedenen Ausgräbern mal hierhin, mal dorthin bewegt wurde. Das gesamte Gebiet des Tals der Könige lag ursprünglich um einiges tiefer, und die Landschaft böte einen etwas anderen Eindruck, würde man diesen «Abfallschutt» konsequent entfernen.

Das Areal wurde also bis auf den anstehenden Fels abzugraben begonnen und das durchsuchte Material auf dem Anhänger eines Traktors aus dem Tal hinausbefördert. Bereits in den ersten beiden Kampagnen wurden südlich des Grabeinschnittes von KV 18 mehrere Mäuerchen gefunden, die sich ostwärts erstrecken und zu einer Ansammlung von Arbeiterhütten gehören. Sie liegen auf zwei Terrassen und haben einen Treppenzugang von Nordwesten her. Während der Kampagne 2000/2001 entpuppte sich das kleine Wadi, das sich östlich von KV 18 und KV 54 (der sogenannten embalming cache Tutanchamuns) nach Süden erstreckt, als eine Ansammlung von Räumen, die bisher unentdeckt geblieben war. Arbeiterhütten im Tal der Könige sind zwar nicht neu - man hat auch an anderen Stellen Überreste gefunden -, aber neu ist das Ausmass und die Situationskohärenz, sind es doch insgesamt etwa 35 kleine Räume von ca. 1,5 mal 1,7 m, die ein zusammenhängendes Ganzes bilden.

Die Mauern sind ca. 50-60 cm hoch erhalten. Um sie zu schützen und um ein besseres Bild zu vermitteln, wurden sie mit Kalkstein und Mörtel leicht ergänzt und gefestigt. Am oberen Ende schliesst zum Schutz vor Regenwasser ein Damm aus grossen Steinen diese kleine Siedlung ab. Nach dem bisherigen Eindruck dürften es Konstruktionen gewesen sein, die den Arbeitern, welche die Königsgräber anlegten und dekorierten, als Platz dienten, um Skizzen anzufertigen, Mahlzeiten einzunehmen, ein Nickerchen zu machen, den Wachhabenden zum Nächtigen und zur Aufbewahrung von Proviant und Werkzeugen.

Die Arbeiter werden mit Ausnahme von Wachen im Dienst hier nicht wirklich gewohnt haben, sondern ausserhalb des Tals der Könige, in der Arbeitersiedlung von Deir el-Medina. Von der Untersuchung der Funde ist darüber genauerer Aufschluss zu erwarten. Bei der Mehrzahl handelt es sich um Kalkstein-Ostraka mit Bildern und Texten aus spätramessidischer Zeit. Besonders wertvoll ist natürlich, dass sich Objekte in situ in den Hütten fanden, so z.B. Geschirr, Knochen, Ostraka und kleine Stelen mit den Gottheiten Ptah, Amun und Meretseger.Die Dokumentation der Fundobjekte und deren Untersuchung im Zusammenhang mit der Arbeitersiedlung erfolgt seit Frühjahr 2002 mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaften.Im Bereich zwischen KV 18 und dem berühmten Grab Sethos' I. (KV 17, «Belzoni's tomb») wurden Fragmente von der Wanddekoration und der Decke von KV 17 sowie Objekte, die zur Grabausstattung Sethos' I. gehörten, gefunden. An den Fragmenten der Wände ist die ursprüngliche Leuchtkraft der Farben erhalten geblieben.