Nub-Cheper-Re Intef
Wiederentdeckt: Ein lange verschollenes Pharaonengrab der 17. Dynastie
Im Rahmen einer archäologischen Unternehmung des Deutschen Archäologischen Instituts, Abt. Kairo (DAI), wurden im vergangenen Frühjahr in der Nekropole von Theben-West, gegenüber der heutigen Stadt Luxor in Oberägypten, die Ruinen einer sehr ungewöhnlichen Grabanlage entdeckt. Der altägyptische Friedhof, in dem diese Grabstätte liegt, ist heute unter dem Namen Dra' Abu el-Naga bekannt und liegt im nördlichen Bereich der thebanischen Nekropole, unmittelbar vor dem Eingang in das berühmte Tal der Könige.
Der oberirdische Teil der Grabanlage besteht in einer Pyramide aus ungebrannten Lehmziegeln und ist von vergleichsweise bescheidenen Ausmassen: Die Basislänge einer Seite der Pyramide beträgt etwa 11 Meter, der Böschungswinkel liegt zwischen 65 und 68 Grad, womit ihre ursprüngliche Höhe mit etwa 13 Metern errechnet werden kann. Die Pyramide war einst mit einem festen Verputz aus leuchtend weissem Kalkmörtel überzogen und wahrscheinlich durch ein kleines "Pyramidion" aus Kalk- oder Sandstein bekrönt. Im östlichen Vorfeld der Pyramide fand sich ein grosser und tiefer, senkrecht in den anstehenden Fels getriebener Schacht. Am Boden des Schachtes öffnet sich nach Westen hin eine hohe Felskammer, von der aus ein weiterer Schacht abzugehen scheint. Um die Pyramide zog sich im Abstand von etwa 1 Meter eine ebenfalls mit weissem Kalkmörtel verputzte Lehmziegelmauer, die den "heiligen" Pyramidenbezirk nach aussen hin abgrenzen sollte.
Wiederum nur etwa 1 m südlich dieser Umfassungsmauer wurde eine kleine, aus Lehmziegeln errichtete Grabkapelle entdeckt, auf deren inneren Wänden sich noch Reste der ursprünglichen Wandmalerei fanden. Diese sind begleitet von hochinteressanten hieroglyphischen Inschriften, die uns nicht nur die Identität des Besitzers dieser Kapelle, sondern auch einen ersten Hinweis auf den Bauherrn des benachbarten Pyramidengrabes gaben. Die Kapelle wurde errichtet von einem Mann namens Teti, dessen Titel- und Berufsangaben ihn als einen der höchsten Beamten seiner Zeit ausweisen: "Regent, Fürst, Siegelbewahrer des Königs von Unterägypten, Einziger Freund (d.h. des Königs), Schatzmeister". Teti, dessen privilegierte Stellung am Hof schon allein durch die unmittelbare Nähe seiner Grabkapelle zur Pyramide seines Souveräns zum Ausdruck kommt, vergass auch nicht, diesen namentlich zu erwähnen; an prominenter Stelle innerhalb der Grabkapelle und fast etwas überdimensioniert befindet sich einer der Namensringe ("Kartuschen") seines Königs abgebildet:NUB-CHEPER-RE.
Aus der unmittelbaren Umgebung der Pyramide des Nub-Cheper-Re Intef, wie der vollständigere Name des Königs lautet, der Kapelle des Teti sowie aus dem gänzlich verfüllten Schacht konnten grosse Mengen an Fundmaterial geborgen werden. In erster Linie handelt es sich dabei um verschiedene Keramikgefässe, u.a. auch rot polierte Flaschen der Kultkeramik, die für den posthumen Totenkult des Königs verwendet wurden. Allein von diesem Typ liessen sich über 250 Exemplare bergen.
Ebenfalls in der Verfüllung des Schachtes fand sich auch der stark beschädigte Kopf einer Königsstatue aus Sandstein, in dessen Gesicht sich noch Reste der roten Bemalung erhalten haben.
Aber aus welchen Gründen wählten wir genau diesen Bereich in der etwa 300.000 Quadratmeter grossen Nekropole von Dra' Abu el-Naga für eine archäologische Untersuchung?
Die Grabstätte des Nub-Cheper-Re Intef war schon im Jahre 1827 von örtlichen Grabräubern entdeckt und geplündert worden: der mit Blattgold überzogene Holzsarg des Herrschers befindet sich seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts im Britischen Museum in London. Allerdings war nie bekannt woher exakt der Sarg stammt, es gab nur vage Informationen über die Grabanlage, die die Grabräuber entdeckt hatten. Auch mehrfache spätere Versuche, die Herkunft des Sarges und damit die Grabstätte des Königs zu identifizieren, scheiterten.
Ein altägyptischer Papyrus ("Papyrus Abbott") aus der Zeit um 1110 v. Chr., dessen Inhalt ein Protokoll über eine offizielle Untersuchung des Zustandes einiger thebanischer Königsgräber darstellt, berichtet auch über das Grab dieses Königs, und den gescheiterten (!) Versuch von Grabräubern, durch das Anlegen eines Tunnels von dem Grab eines Beamten der Ramessidenzeit (19. Dynastie, um 1200 v.Chr.) namens Shuroy in die Pyramide des Königs Nub-Cheper-Re Intef vorzudringen. Dem amerikanischen Ägyptologen und Archäologen Herbert E. Winlock gebührt das Verdienst, in einem 1924 erschienen Aufsatz das Privatgrab des Beamten Shuroy in der Nekropole von Dra' Abu el-Naga identifiziert und damit die ungefähre Lage des Grabes von König Nub-Cheper-Re Intef lokalisiert zu haben. Unerklärlicherweise hat weder Winlock selbst noch sonst jemand seit dieser Zeit versucht, die Existenz des Königsgrabes durch eine Ausgrabung in unmittelbarer Nähe des Shuroy-Grabes zu beweisen.
Diesen Versuch hat das DAI im vergangenen Frühjahr durchgeführt; der Erfolg, die Auffindung der Pyramide des Königs, bestätigt nun nicht nur die geniale, aber nie verifizierte Hypothese Winlocks, sondern auch die erstaunliche Genauigkeit der Angaben des Papyrus Abbott: von dem Privatgrab des Beamten Shuroy ging, laut Papyrus Abbott, ein (nicht vollendeter) Grabräuber-Tunnel in Richtung der Pyramide des Nub-Cheper-Re. Der archäologische Befund entspricht dieser Angabe: Die Nordostecke der von uns entdeckten Pyramide befindet sich nur etwa eineinhalb Meter entfernt vom Innenraum des Shuroy-Grabes!
Hinzu kommt ein weiterer Befund: im Jahre 1860 entdeckt der französische Archäologe und Leiter des ägyptischen Antikendienstes, Auguste Mariette, in der Nähe des Grabes von Shuroy zwei in mehrere Teile zerbrochene Obelisken, die die nahezu vollständige Titulatur des Nub-Cheper-Re Intef trugen. Diese werden 1881 von ihrem Fundort an den Nil geschafft und auf ein Schiff geladen, das sie in das Museum Boulaq (in Kairo) transportieren soll. Das Schiff sinkt 10 km nördlich von Luxor, die Obelisken des Königs sind damit wohl für immer verloren - nicht aber ihre Spuren: im östlichen Vorfeld der Pyramide entdeckten wir eine grosse, nahezu quadratische Platte aus Sandstein, die an drei Seiten steile Böschungen aufweist. Auf ihrer Oberseite finden sich Verwitterungsspuren, die es als völlig sicher erscheinen lassen, dass diese Platte die Basis für einen der beiden Obelisken darstellte.
Welche Bedeutung hat die Entdeckung des Grabes von Nub-Cheper-Re Intef für unser Bild des alten Ägypten?
Zunächst ist damit das erste Grab eines Königs der 17. Dynastie identifiziert. Nub-Cheper-Re Intef regierte um 1570 v. Chr. und ist nach unserer Auffassung einer der unmittelbaren Vorgänger der letzten Könige dieser Dynastie, die zweifellos durch ihre ebenso aggressiven wie erfolgreichen militärischen Aktionen gegen die so genannten Hyksos (nicht-ägyptische Könige aus Asien) im Norden Ägyptens die Grundlage für die vielleicht höchste Blüte des alten Ägypten gelegt haben, die Zeit des Neuen Reiches. Die Grabanlage ist auch Ausdruck der königlichen Selbstdarstellung. Eine Analyse der Herkunft und Bedeutung ihrer einzelnen Komponenten wird uns erlauben, das Selbstverständnis eines Herrschers dieser Zeit zu rekonstruieren.
Weiterhin können wir uns, gerade im Vergleich mit den nur wenig später belegten, gänzlich anderen Grab- und Jenseitsvorstellungen der Könige der frühen 18. Dynastie nun erstmals ein Bild machen von den Vorstellungen, die ein Herrscher der vorangegangenen, "dunklen" Zeit hatte über seine nach-todliche Existenz. Erstmals wird es möglich, die Frage sinnvoll zu formulieren: wie wurden zu jener Zeit Begräbnis, Grabarchitektur, Grabbeigaben gedacht, wie stellte man sich das Jenseits vor? Mit der Entdeckung des Grabes von Nub-Cheper-Re Intef wird es nun möglich sein, erste Antworten auf diese Fragen zu geben.