Musikarchäologie - eine Einführung

veröffentlicht am
Musikarchäologie

Die Musikarchäologie befaßt sich mit der Erforschung vor- und frühgeschichtlicher Zeugnisse der Musik und des Musiklebens in den Kulturen der Welt. Für vorgeschichtliche Epochen bezieht man musikalische Nachweise ausschließlich aus Bodenurkunden (Archaeologica), in frühgeschichtlichen kommen schriftliche Aussagen über die Musik hinzu. Musiknotationen erscheinen spät, vereinzelt und teils bruchstückhaft.

Archäologische Funde, vor- und frühgeschichtliche Instrumente oder ihre Überreste wurden bisher regional wie zeitlich eher zufällig geortet. Wenn sie Ergebnisse gezielter Grabungen waren, konnten sie von Archäologen datiert werden. Häufig ermöglichte der Fundkontext Rückschlüsse über die Bedeutung der Klangwerkzeuge für die versunkenen Kulturen, wenn es sich z.B. um Schatz- bzw. Hort-, Siedlungs-, Grab- oder Lesefunde handelte. Voraussetzung war allerdings, daß die Objekte als Schallgeräte erkannt wurden. Dies war häufig nicht der Fall, und so wanderten die Stücke unerkannt ins Museum. Hier setzt nun die Arbeit des Musikarchäologen ein: er identifiziert und klassifiziert das Artefakt, vermißt und beschreibt es. Im günstigsten Fall ist das vormals klingende Objekt spielbar, doch gehen alle Bemühungen dahin, ein Replikat anzufertigen, das dann auf Klangqualitäten hin weiter untersucht werden kann.

Doch es geht dem Musikarchäologen nicht nur um vor- und frühgeschichtliche Klangwerkzeuge, die es zu entdecken und nachzubauen gilt. Er beschäftigt sich intensiv auch mit den wohlbekannten vorgeschichtlichen Höhlen, etwa in Frankreich und Spanien, untersucht die Malereien, wenn Instrumentenspiel und Tanz zu entdecken ist, und er erforscht die Akustik der Räume und die Möglichkeit, Stalagmiten und Stalagtiten zum Klingen zu bringen. Felskunst in vielen Teilen der Welt, etwa in Skandinavien, Israel, Australien, Indien, China, Afrika und Amerika gehört zu den Forschungsgebieten der Musikarchäologie, Musik- und Tanzszenen können Hinweise auf die Musizierpraxis vergangener Kulturen geben. Frei im Felde liegende, große Steine, die Bearbeitungen durch den Menschen erkennen lassen, auch Steinformationen wie Kreise konnten akustisch ausgewertet werden und mögen ebenfalls auf frühe Klangvorstellungen schließen lassen. Diese und ähnliche Interpretationen sind oft spekulativ und können nur durch angenähert sichere Datierungen und mit Hilfe ausgedehnter Exploration des weiteren Umfelds, geographisch wie im Kontext mit Lebensweisen einstiger Menschen, einigermaßen abgesichert werden. Häufig hilft hier der Blick auf heute noch existierende Kulturen, d.h. die ethnographische Analogie.

Die genannten zentralen Bemühungen stellen einen großen Teil musikarchäologischen Arbeitens, Einzelforschungen kommen hinzu. Die Internationale Studiengruppe Musikarchäologie (International Study Group on Music Archaeology), 1983-1996 eine der Study Groups im International Council for Traditional Music - ICTM, arbeitet seit 1997 eng mit dem Deutschen Archäologischen Institut, Orient-Abteilung, zusammen. Man versucht, in verschiedenen Zugangsweisen die Vorha-ben zu bündeln und die Forscher einander näher zu bringen, damit wissenschaftlicher Austausch stattfinden kann, und zu diesem Zweck veranstaltet sie Tagungen und Workshops. Eine neue Publikationsreihe wurde geschaffen (Studien zur Musikarchäologie), die u.a. die Kongreßberichte der Studiengruppe enthält. Längst tun sich Forscher und Musiker zusammen, um die alten Klänge auch in neuem, zeitgemäßem Zusammenhang mit heute üblichem Instrumentarium zu kombinieren. Diese Tendenzen sollten zu einem Großprojekt zusammengefaßt werden, um die Musikarchäologie zu aktualisieren und ihre klanglichen Emanationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Informationen über Publikationen, CDs oder LPs stehen auf Anforderung zur Verfügung.

Publikationen zu Tagungen, Symposien, Kolloquien, Seminare und Round Tables der International Study Group on Music Archaeology (Internationale Studiengruppe Musikarchäologie) (ab 1997 - bis 1996: ICTM Study Group on Music Archaeology)

  1. Crocker, Richard (Chair), Hickmann, Ellen (Report) (1981): "Music and Archaeology." Round Table at the 12th Congress of the International Musicological Society (SJM) with papers by B. Bayer, Ch. L. Boilès, E. Hickmann, M. Hood, A. Draffkorn Kilmer, Liang Ming-Yüeh, C.S. Lund. In: Report of the 12th Congress, Berkeley 1977, ed. by D. Heartz and B. Wade, Kassel/Basel etc., pp. 844 – 865
  2. Lawson, Graeme (ed.) (1983): Current Research in European Archaeomusicology. A summary and abstracts of a seminar on the archaeology of musical instruments. (Music-Archaeological Report No. 6). Cambridge
  3. Hickmann, Ellen (Einleitung u. Hrsg.) (1985): "Music and Dance in Prehistoric Cultures: Reconstructing and Expanding the Boundaries of Tradition." Round Table beim 27. Internationalen Kongreß des International Council for Traditional Music (ICTM), 8.-16. August 1983, New York, mit Beiträgen v. E. Hickmann, M. Hood, B. Lawergren, C.S. Lund, H. Yurchenco. In: Acta Musicologica vol. LVII, Fasc. I (1985), S.1-50
  4. Lund, Cajsa S. (ed.) (1986): Second Conference of the ICTM Study Group on Music Archaeology. Stockholm, Nov. 19-23, 1984. 2 vol.: I. General Studies. II. The Bronze Lurs. - Publications issued by the Royal Swedish Academy of Music No. 53. Stockholm
  5. Hickmann, Ellen and David W. Hughes (eds.) (1988): "The Archaeology of Early Music Cultures." Third International Meeting of the ICTM Study Group on Music Archaeology, Wolfenbüttel/Hannover/Hildesheim, Nov. 16 - 21, 1986: "The Magic Flute: Flutes and Shawmes, Pipes and Whistles from the World's Prehistoric/Antique Ages". Bonn
  6. Stassikova-Stukovska, Danica (ed.) (1993): "Music and Plays in Ancient Cultures." Round Table at the XIIième Congrès International des Sciences Préhistoriques et Protohistoriques, Bratislava, Sept. 1991, with papers by E. Hickmann, A. Kilmer, C.S. Lund, M. Matoušová, D. Stassikova-Stukovska e.a., in: Actes du XIIième Congrès USSP, réd. par J. Pavuk (4 vol.), vol. IV, pp. 352-395. Bratislava
  7. Homo-Lechner, Catherine et al. (éd.) (1994): "La pluridisciplinarité en archéologie musicale." IVe rencontres internationales du Groupe d’études sur l’archéologie musicale de l’ICTM. Saint-Germain-en-Laye: museé des antiquités nationales, 8 - 12 octobre 1990. Colloque organisé en hommage à Theodore Reinach par C. Homo-Lechner et Annie Bélis, Centre français d’archéologie musicale Pro Lyra. 2 vol., Ed. de la Maison des sciences de l’homme, 11 et 12. Paris
  8. Otte, Marcel (éd.) (1994): "SONS ORIGINELS". Préhistoire de la musique. 5ieme rencontre internationale du Groupe d'études sur l’archéologie musicale de l’ICTM, Wégimont, 11-12-13 décembre 1992. Etudes et Recherches Archéologiques de l’Université de Liège, no. 61, Liège
  9. Hickmann, Ellen und Ricardo Eichmann (eds.): "Music Archaeology in the Egaen and Anatolia. Musikarchäologie in der Ägäis und Anatolien." 6. Internationales Kolloquium der ICTM Study Group on Music Archaeology, Istanbul, 12. - 16. April 1993, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Archäologischen Institut Istanbul und dem Institut Français d’Archéologie Istanbul. (Forthcoming/in Vorb.) in der Reihe "Studien zur Musikarchäologie: Orient-Archäologie, Deutsches Archäologisches Institut Berlin
  10. Braun, Joachim (org.) (1994/1995): "Music Images and the Bible -Instruments - Forms - Symbolism". Conjoint Conference of the ICTM Study Groups on Music Archaeology (7th Meeting) and of Iconography. Jerusalem, 29 Dec. 1994 - 3 Jan. 1995 (some papers published in "Studien zur Musikarchäologie I" (series Orient-Archäologie 6". Deutsches Archäologisches Institut Berlin, Orient-Abteilung) (see no. 12)
  11. Hickmann, Ellen (Org.) (1995): "Music Archaeology and Rock Art." Round Table at the International Rock Art Congress (NEWS), Turin, Aug. 30 - Sept. 6, 1995, with papers by E. Hickmann, V. Meshkeris, M. Otte, C. Patterson-Rudolph J Tzonou e.a. (some papers published in "Studien zur Musikarchäologie I, Orient-Archäologie (Deutsches Archäologisches Institut Berlin, Orient-Abteilung), see no.12
  12. Hickmann, Ellen und Ricardo Eichmann (Hrsg.): "Stringed Instruments in Archaeological Context. Saiteninstrumente im archäologischen Kontext: "Studien zur Musikarchäologie I, Orient-Archäologie 6 (Deutsches Archäologisches Institut Berlin, Orient-Abteilung). Mit Beiträgen von den Arbeitstagungen in Jerusalem 1994/95, Limassol 1996 von verschiedenen Felskunstkongressen einschl. freier Aufsätze. Rahden/Westf. 2000
  13. Hickmann, Ellen und Ricardo Eichmann (eds.): "Music Archaeology of Early Metal Ages. Musikarchäologie früher Metallzeiten der Welt." 1st Symposium of the International Study Group on Music Archaeology, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Archäologischen Institut Berlin, Orient-Abteilung (IN MEMORIAM HANS HICKMANN 1908 - 1968). Stiftung Kloster Michaelstein, 18. - 25. Mai 1998. - Studien zur Musikarchäologie II, Orient-Archäologie 7. Rahden/Westf. 2000
  14. The Archaeology of Early Sound: Origin and Organization. Archäologie früher Klangerzeugung und -organisation (Ancient Orient, Mediterranean Antiquity, European Pre- and Protohistory, Precolumbian Latin America). 2nd Symposium of the International Study Group on Music Archaeology, Stiftung Kloster Michaelstein, Sept. 17. - 24, 2000. Publication forthcoming, eds. Ellen Hickmann and Ricardo Eichmann, Serie Studien zur Musikarchäologie, Orient-Archäologie (Deutsches Archäologisches Institut Berlin, Orient-Abteilung)