Fisch wurde schon in der frühen Altsteinzeit gekocht

Fischzähne, die in 780.000 Jahre alten Schichten der archäologischen Fundstelle Gesher Benot Ya’aqov in Israel zutage kamen, liefern den frühesten Hinweis auf das Garen von Nahrungsmitteln durch unsere Vorfahren.

Wanderroute des Homo erectus
Lage der archäologischen Fundstelle Gesher Benot Ya«aqov (GBY) auf der Wanderroute von Homo erectus heraus aus Afrika. Abb./©: Universität Tel Aviv

Für den evolutionären Erfolg der menschlichen Spezies hat die Ernährung und die Zubereitung von Nahrung eine zentrale Rolle gespielt. Besonders dem Garen oder Kochen wird für die Entwicklung der Gattung Homo eine große Bedeutung zugeschrieben. Dennoch war bislang unklar, wann genau unsere Vorfahren damit begonnen haben, Nahrungsmittel gezielt zu kochen oder zu garen. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Irit Zohar vom Steinhardt Museum of Natural History der Tel Aviv University und Beit Margolin am Oranim Academic College in Israel sowie der Archäologin Prof. Dr. Naama Goren-Inbar von der Hebrew University of Jerusalem ist zusammen mit dem Paläontologen Prof. Dr. Thomas Tütken der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) der Frage nun anhand von Fossilien der Fundstätte Gesher Benot Ya’aqov im nördlichen Israel nachgegangen. Das Team konnte mittels chemischer und mineralogischer Parameter von Fischzähnen zeigen, dass die frühen Menschen bereits vor rund 780.000 Jahren am prähistorischen Hula-See Fisch gefangen und vor Ort gegart haben.

»Es ist der früheste Nachweis, dass unsere Vorfahren ihre Nahrung auf eine gewisse Art und Weise gekocht haben«, sagt Irit Zohar. Bisher war diese Praxis nur von dem frühen Homo sapiens und von Neandertalern bekannt. Die Ergebnisse der neuen Studie wurden im Fachmagazin Nature Ecology & Evolution veröffentlicht.

Zeichen früher Besiedlung am Hula-See – die Fundstätte Gesher Benot Ya’aqov im levantinischen Korridor

Auch wenn schon viel über die Ernährung von Jägern und Sammlern in der frühen Altsteinzeit bekannt ist, so wissen wir nur wenig über den Beitrag von Fisch in der Nahrung unserer Vorfahren. Die Gruppe um die israelische Archäozoologin Irit Zohar, Erstautorin der Publikation, und Dr. Jens Najorka vom Natural History Museum in London hat die Veränderungen in der Kristallstruktur von Rachenzähnen großer Süßwasserbarben untersucht, die bei Gesher Benot Ya’aqov im nördlichen Jordantal gefunden wurden. Die archäologische Fundstätte liegt im Uferbereich eines ehemaligen Feuchtgebiets an dem damaligen Hula-See. Hier haben Ausgrabungen von Naama Goren-Inbar seit den späten 1980er Jahren zahlreiche Hinweise auf menschliche Besiedlung und Beweise für den kontrollierten Einsatz von Feuer bereits vor 780.000 Jahren zutage gefördert.

»Die klaren Anzeichen von Feuerstellen deuten darauf hin, dass frühe Hominiden während der frühen Altsteinzeit das Feuer beherrschten«, erklärt Prof. Nira Alperson-Afil von der Bar-Ilan University in Israel. »Möglicherweise handelte es sich bei den frühen Jägern und Sammlern sowie Fischern um Vertreter der Gattung Homo erectus«, erklärt Goren-Inbar, »allerdings wurden bisher keine Skelettreste von Hominiden gefunden, dafür aber zahlreiche Steinwerkzeuge, darunter auch Handbeile.«

Grabungsschicht mit auffälligen Fischfunden

Unter den Funden aus Gesher Benot Ya'aqov ragen zwei Besonderheiten hervor: In acht aufeinanderfolgenden archäologischen Schichten, in denen Nira Alperson-Afil Beweise für den kontrollierten Einsatz von Feuer identifiziert hatte, stellten Irit Zohar und Dr. Marion Prévost von der Hebrew University of Jerusalem fest, dass die große Zahl der geborgenen Fischreste – über 40.000 – eine extrem geringe Vielfalt an Fischarten aufwies. Dabei handelte es sich hauptsächlich um zwei Arten von großen Barben, von denen einige eine Länge von über einem Meter erreicht haben könnten. Darunter befanden sich die im Hula-See heimischen Barben Luciobarbus longiceps und Carasobarbus canis. Außerdem bemerkten Zohar und Prévost, dass in diesen Schichten so gut wie keine Fischknochen gefunden wurden. Dies steht in scharfem Kontrast zu der großen Menge an gefundenen Fischzähnen, und dies, obwohl andere Knochen von Landtieren durchaus vorhanden waren.

»Wir haben uns im Wesentlichen auf drei Punkte konzentriert, um herauszufinden, ob unsere Vorfahren vor etwa 780.000 Jahren ihren Fisch gekocht haben«, erklärt Irit Zohar. Zunächst führte das Forschungsteam ein Experiment durch, um zu untersuchen, wie sich Kochen und noch stärkere Erhitzung auf heute lebende Barben auswirkt. Dieses Experiment zeigte, dass Fischknochen durch die Koch- und Erhitzungsprozesse weich werden und sich auflösen. Dagegen bleiben die stärker mineralisierten Fischzähne intakt. Zweitens wurde festgestellt, dass die Fischzähne vorwiegend in der Nähe der Feuerstellen abgelagert wurden, die Alperson-Afil anhand der verbrannten Feuersteinartefakte identifiziert hatte. Schließlich fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mithilfe einer Röntgenbeugungsmethode kleine Veränderungen der Kristallstruktur im Zahnschmelz. »Die Vergrößerung der Apatitkristalle im Schmelz der Fischzähne zeigt uns, dass die Fische nur moderater Hitze ausgesetzt waren und nicht verbrannt sind«, erläutert Jens Najorka vom Natural History Museum in London.

Von Mainzer Seite wurden zudem speziell jahreszeitliche Aspekte der Fischnutzung untersucht. So gibt das Verhältnis von Sauerstoffisotopen Auskunft darüber, bei welcher Wassertemperatur der Zahnschmelz gebildet wurde. »Weil es auch in Israel saisonale Temperaturwechsel gibt, zeigen uns die Sauerstoffisotopendaten, dass in diesem Fall das ganze Jahr über nach Barben gefischt wurde und nicht nur zu einer bestimmten Saison«, erklärt Tütken. Süßwasserfisch als ganzjährig verfügbare, hochwertige Nahrungsquelle trug zum Lebensunterhalt der frühen Hominiden bei.

Gekochter Fisch als wertvolle Nahrungsquelle der Frühmenschen

»Wenn wir alle diese Parameter zusammenfügen und außerdem berücksichtigen, welchen hohen Nährwert die beiden Barben-Arten haben, ergibt sich für uns ein neues und faszinierendes Bild der Hominiden von Gesher Benot Ya'aqov, die ihren Fisch vor dem Verzehr gegart haben«, so Irit Zohar. »Fisch kann zwar auch roh gegessen werden, aber gekochter Fisch enthält mehr Protein, ist gesundheitlich unbedenklich und einfacher zu verdauen. Außerdem bleiben im Gegensatz zum Grillen beim Dampfgaren oder Backen die wichtigen Omega-3-Fettsäueren DHA und EPA erhalten.«

Bislang wurde zwar angenommen, dass frühe Hominiden, die Feuer benutzten, auch ihre Nahrung gekocht haben. »Doch endgültige Beweise für diese Praxis wurden bisher nur für den frühen Homo sapiens und den Neandertaler in Verbindung mit pflanzlichem Material erbracht – mit dem frühesten Datum vor 170.000 Jahren«, schreiben die Autorinnen und Autoren in der Veröffentlichung. Ihre Studie liefert nun den frühesten und ersten Beleg, dass Hominiden bereits vor 780.000 Jahren Fisch gegart haben, allerdings bleibt die Frage der Kochmethode ein Rätsel: Weder an diesem Fundort noch an anderer Stelle aus dieser Zeit sind Spuren von Kochgeräten erhalten. Eine Möglichkeit sei, so die Vermutungen, dass eine Art von Erdofen verwendet wurde, der eine Temperatur unter 500 Grad Celsius lieferte, wie sie für das Garen notwendig ist. »Jedenfalls stellt Süßwasserfisch eine qualitativ hochwertige, leicht verfügbare Nahrungsquelle dar, die die Hominiden von Gesher Benot Ya'aqov das ganze Jahr über genutzt haben«, fasst Thomas Tütken die Ergebnisse zusammen.

Schädel-Rekonstruktion
3-D-Rekonstruktion eines Schädels von Luciobarbus longiceps, der die Lage der Rachenknochen und der Rachenzähne zeigt. Das Model wurde mittels Mikro-Computertomographie erstellt. Foto/©: Universität Tel Aviv
Hominiden am Ufer des Hula-Sees
Eine Illustration von Hominiden, die am Ufer des ehemaligen Sees Hula Luciobarbus longiceps, einen großen Karpfenfisch der Familie Cyprinidae, erbeuten und kochen (gezeichnet von Ella Maru). Abb./©: Universität Tel Aviv
Publikation

Irit Zohar et al.

Evidence for the cooking of fish 780,000 years ago at Gesher Benot Ya'aqov, Israel

Nature Ecology & Evolution. 14.11.2022
DOI: 10.1038/s41559-022-01910-z
https://www.nature.com/articles/s41559-0...

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