Das Ende der Blauen Brigade in der Schlacht von Lützen

Die Eliteeinheit der schwedischen Armee war schlecht ernährt, von Krankheiten gezeichnet und hatte einen kräftezehrenden Alltag. In der Schlacht von Lützen, einer der folgenreichsten des Dreißigjährigen Krieges, wurde die Blaue Brigade durch einen Flankenangriff einer kaiserlichen Kavallerie-Einheit vernichtend geschlagen. Das Massengrab, in dem die Toten nach der Schlacht vergraben wurden, kam bei archäologischen Ausgrabungen zum Vorschein. Die kürzlich in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlichten Ergebnisse der anthropologischen Untersuchungen zeichnen das Leben und den Tod der Landsknechte nach.

Massengrab in Ausstellung
Das Massengrab von Lützen in der Sonderausstellung »Krieg – eine archäologische Spurensuche« im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (06.11.2015–22.05.2016). © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, Foto: Juraj Lipták

Schlachtfeldarchäologie stellt sich der Aufgabe, Schlachten historisch aufzuarbeiten und alle Fakten zusammenzutragen. Zeitgenössische Berichterstattungen über Schlachten sind häufig unvollständig oder sogar fehlerhaft, da sie die selten neutralen Anschauungen des Verfassers widerspiegeln. Die integrative Studie »The Face of War – Trauma Analysis of a Mass Grave from the Battle of Lützen (1632)«, die heute in der Fachzeitschrift PLOS ONE erschien und an der unter anderem mehrere Wissenschaftler des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt beteiligt waren, konzentriert sich auf die archäologische und anthropologische Untersuchung von Skeletten aus einem Massengrab des Dreißigjährigen Krieges, um die Verletzungen vor und während der Schlacht zu dokumentieren.

Am 16. November 1632 gemäß julianischem Kalender bzw. am 6. November 1632 gemäß des heute üblichen gregorianischen Kalenders wurde bei Lützen im südlichen Sachsen-Anhalt eine der folgenreichsten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges ausgetragen. Auf der katholischen Seite befehligte der kaiserliche Feldherr Albrecht von Wallenstein, und der schwedische König Gustav II. Adolf führte die Einheiten der protestantischen Seite an. König Gustav II. Adolf, auch Löwe aus Mitternacht genannt, galt bis dahin als unbesiegbar – in der Schlacht von Lützen verlor er jedoch bereits in den ersten Stunden der Schlacht sein Leben.

Seit 2006 führt das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Zusammenarbeit mit der Stadt Lützen umfangreiche archäologische Geländearbeiten auf dem riesigen Areal zwischen den Ortschaften Lützen, Meuchen und Nempitz durch. Auf 300 Hektar, also über ein Drittel des Schlachtfeldes wurden die Hinterlassenschaften der damaligen Schlacht detektiert und analysiert. 2011 wurde ein Massengrab mit Toten aus der Schlacht entdeckt. Es wurde als Block geborgen und anschließend im Landesmuseum Halle (Saale) umfassend untersucht. Die osteologischen Untersuchungen zu Alter, Geschlecht, Körperhöhe, Gesundheitszustand bzw. Erkrankungen und Verletzungen wurden durch bildgebende Verfahren (X-ray, CT, DVT), Histologie und Isotopenanalysen (C/N, Sr/O) ergänzt. Neben den kulturhistorischen Zeugnissen und Artefakten liefern die sterblichen Überreste der im Kampf Gefallenen wertvolle Informationen. Bei der Untersuchung von Massengräbern im militärischen Kontext sind die festgestellten Verletzungsarten und -muster bedeutsam. Sie erlauben die Rekonstruktion der Todesumstände und geben Auskunft über die Kampfhandlungen auf dem Schlachtfeld.

Und so liegt der Fokus der vorliegenden Studie auf den Verletzungen, welche sich die Soldaten vor und während der Schlacht zugezogen haben. Die anthropologischen Untersuchungen zeigen, dass es sich bei den Toten um 47 Männer handelt: der Jüngste war 14-16 Jahre alt, der Älteste 40-50 Jahre. Zahlreiche verheilte Verletzungen an Armen, Beinen und Schädel belegen, dass die Männer häufiger in tätliche Auseinandersetzungen verwickelt waren und ihr Leben von Gewalt geprägt war. Aber auch durch körperliche Belastungen und Infektionen bedingte Veränderungen an den Knochen zeugen von einem harten, kräftezehrenden Alltag.

Etwa drei Viertel der Soldaten zeigen unverheilte Verletzungen, die mit den Todesumständen in Verbindung gebracht werden können. Während tödliche Verletzungen durch stumpfe und scharfe Gewalt nur eine untergeordnete Rolle spielen, dominieren Schussverletzungen durch Handfeuerwaffen, insbesondere am Schädel. Die 21 betroffenen Soldaten scheinen über keinen ausreichenden Kopfschutz verfügt zu haben. Bei acht Männern wurden Schussverletzungen auch an Rumpf und Extremitäten festgestellt. Die im Massengrab gefundenen und noch bestimmbaren 20 Bleikugeln stammen vor allem aus Karabinerwaffen, die in der Regel von der Kavallerie auf kurze Distanz genutzt wurden. Somit ist es höchstwahrscheinlich, dass ein Großteil der Männer bei einem Angriff durch eine Kavallerie-Einheit getötet wurde. Die Verteilung der zahlreichen Einschusswunden an den Schädeln deuten auf eine schnell verlaufende, seitlich-frontal geführte Konfrontation hin – eine Situation, in der eine Flucht kaum möglich war.

In diesem Zusammenhang erscheinen historische Aufzeichnungen und archäologische Rekonstruktionen zum Schlachtverlauf besonders spannend, da sie darauf schließen lassen, dass es im Bereich des später angelegten Massengrabes zu einer bedeutsamen Niederlage einer schwedischen Infanterie-Brigade kam: die sogenannte Alte Blaue Brigade, eine Elite-Einheit der schwedischen Armee, wurde hier durch einen überraschenden Flankenangriff einer kaiserlichen Kavallerie-Einheit vernichtend geschlagen. Quellen berichten von hohen Verlusten. Die Ergebnisse der vorliegenden integrativen Studie unterstützen die Vermutung, dass es sich bei den Toten aus dem Massengrab um Opfer dieser Auseinandersetzung handelt, vorrangig um Angehörige der schwedisch-protestantischen Armee.

Das Massengrab von Lützen wurde in seinem Originalzusammenhang erhalten. Der Gesamtkomplex wurde als Zentralinstallation der Sonderausstellung »Krieg – eine archäologische Spurensuche« präsentiert, die vom 6.11.2015 bis 22.5.2016 über 58.000 Besucher angezogen hat. Zu jedem der im Massengrab niedergelegten namenlosen Soldaten gelang es durch die integrative Analyse der archäologischen und anthropologischen Daten den individuellen Lebenslauf aufzuzeigen. Darüber hinaus wurde das damaligen Leben der breiten Bevölkerung, weit über Lützen hinaus, dargestellt.

Publikation

N. Nicklisch, F. Ramsthaler, H. Meller, S. Friederich, K. Alt: The Face of War – Trauma Analysis of a Mass Grave from the Battle of Lützen (1632), PLOS ONE 2017
DOI: 10.1371/journal.pone.0178252

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