Chinas wirtschaftliche Hochblüte im ersten Jahrtausend vor Christus

Der deutsch-amerikanische Archäologe Lothar von Falkenhausen übernimmt in diesem Jahr die Dagmar-Westberg-Vorlesung an der Frankfurter Goethe-Universität. In drei Vorlesungen und einem Kolloquium wird die wirtschaftliche Blütezeit im China des 1. vorchristlichen Jahrtausends beleuchtet.

Lothar von Falkenhausen
Prof. Dr. Lothar von Falkenhausen (Foto: privat)

In unseren Tagen ist China auf dem Weg zur wirtschaftlichen Supermacht. Um Chinas wirtschaftliche Hochblüte in früheren Zeiten geht es in der dritten Ausgabe der Dagmar-Westberg-Vorlesung der Goethe-Universität: Für das Wintersemester konnte der international bekannte China-Experte Professor Lothar von Falkenhausen gewonnen werden, der an der Universität von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) Archäologie lehrt und sich auf das "Reich der Mitte" spezialisiert hat. Dagmar Westberg, die die Vorlesung gestiftet hat, feiert ihren 100. Geburtstag mit der Auftaktveranstaltung am Montag.

"Von Falkenhausen ist einer der weltweit renommiertesten China-Archäologen und Kunsthistoriker", freut sich der Frankfurter Archäologe und Prähistoriker Prof. Rüdiger Krause auf die Vorlesungsreihe, die in der nächsten Woche am Campus Westend läuft. Krause forscht selbst im Ural und sieht etliche Berührungspunkte mit der chinesischen Frühkultur. Deshalb hatte er von Falkenhausen zusammen mit dem Frankfurter Sinologen Prof. Iwo Amelung für die Reihe vorgeschlagen.

"Chinas wirtschaftliche Hochblüte im ersten Jahrtausend vor Christus im Spiegel archäologischer Entdeckungen" – so lautet der Titel der Veranstaltungsreihe mit drei Vorlesungen und einem abschließenden Kolloquium. Die Vorlesungen werden ein facettenreiches Bild vermitteln: Lothar von Falkenhausen spricht über die Herausbildung von Wirtschaftsräumen, über die Beziehungen zwischen Kernraum und Peripherie, über Landwirtschaft und Steuerwesen, über Handelsverbindungen, Märkte und die Rolle der Kaufmannschaft. Die Zuhörer erfahren auch etwas über frühe Formen von Industrie, dass es schon damals eine Massenproduktion von Gebrauchs- und Luxusgütern gab, welche Technologien man nutzte. Auch das Geld- und Münzwesen, der Fernhandel und die Wechselwirkung zwischen wirtschaftlichem Austausch und Kulturtransfer während des 1. Jahrtausends vor Christus werden thematisiert. Und es geht auch um methodische Probleme, nämlich darum, wie Erkenntnisse zu all diesen Bereichen aus archäologischem Material gewonnen werden können. Den Abschluss bildet am Donnerstag ein Kolloquium, das die Archäologie der Periode der Streitenden Reiche (475 bis 221 v. Chr.) in den Blick nimmt und nach Wechselwirkungen zwischen wirtschafts-, geistes-, kunst- und musikgeschichtlichen Entwicklungen fragt. Die Veranstaltungen richten sich nicht nur an das Fachpublikum, sondern an Hörer aller Fächer.

Der gebürtige Essener von Falkenhausen hat an der Universität Bonn Sinologie und Kunstgeschichte und anschließend als deutscher Austauschstudent in Peking Archäologie studiert, befasste sich als Graduierter in Harvard mit Ostasienstudien und wurde 1988 in Anthropologie promoviert. Dazwischen lagen Forschungsaufenthalte in Korea und Kyoto. Seit 1993 lehrt er am Cotsen Insitute of Archaeology an der UCLA. 2011 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences berufen. In seiner Forschung beschäftigt sich von Falkenhausen vor allem mit der chinesischen Bronzezeit, worüber er zwei Bücher und mehr als hundert Zeitschriftenbeiträge geschrieben hat.

Die Gastprofessur, ist nach dem Vorbild amerikanischer Lectures konzipiert. Sie wird aus einem Stiftungsfonds finanziert, den Beiersdorf-Erbin Dagmar Westberg zur Verfügung gestellt hat. Nach dem Willen der Stifterin soll das Geld ausschließlich für die Geisteswissenschaften verwendet werden. So kann die Goethe-Universität jährlich einen weltweit renommierten Vertreter nach Frankfurt einladen. "Alle fünf Dekane treffen sich und sammeln Vorschläge", beschreibt der federführende Vizepräsident, Prof. Matthias Lutz-Bachmann, das Auswahlprozedere. In den vergangenen beiden Jahren fiel die Wahl auf den Germanisten Peter Strohschneider, der nun DFG-Präsident ist, und die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum. Für Lutz-Bachmann ist die Stiftungsvorlesung eine Chance, auch kleinere Disziplinen sichtbarer zu machen, indem namhafte Wissenschaftler eingeladen werden. Stets soll es um eine generalisierende Sichtweise gehen, um eine Wissenschaft, die "nicht bei sich bleiben will". "Ich bin sehr gespannt auf die Vorträge von Professor von Falkenhausen", sagt Lutz-Bachmann.

Stifterin Dagmar Westberg stammt aus einer baltisch-hamburgischen Unternehmerfamilie. Aufgrund ihrer besonderen Lebenssituation während der Nazizeit konnte sie selbst nie studieren, möchte nun aber mit ihrem mäzenatischen Engagement jungen Menschen helfen, diese Chance wahrzunehmen. Der Stiftungsfonds für die Gastvorlesung ist nicht das einzige Engagement der Stifterin an der Goethe-Universität: Seit 2010 finanziert Dagmar Westberg auch einen Preis für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der britischen Literatur, Kultur und Geschichte an der Universität Frankfurt.

Vorlesungen

"Langzeitperspektiven; die Verflechtung von Zentren und Peripherien"
Montag, 8. Dezember, 15 bis 17 Uhr, Festsaal Casino, Campus Westend

"Technologische Entwicklungen"
Dienstag, 9. Dezember, 18 bis 20 Uhr, Hörsaalzentrum, HZ4, Campus Westend

"Eurasiatische Vernetzungen (mit einem Exkurs über die Ritualmusik")
Mittwoch, 10. Dezember, 18 bis 20 Uhr, Hörsaalzentrum, HZ4, Campus Westend

 

Kolloquium

"Zur Archäologie der Periode der Streitenden Reiche (ca. 450 - 221. V. Chr.): Wechselwirkungen zwischen wirtschafts-, geistes-, kunst- und musikgeschichtlichen Entwicklungen"
Das Kolloquium zu den Vorlesungen findet am Donnerstag, 11. Dezember, von 10 bis 16 Uhr im Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität, am Wingertsberg 4, in Bad Homburg statt.

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