Neue Forschungen zu Byzanz: Jugendszene, geschliffene Sprache

Die Jugendszene und die Subversivität der Sprache in Byzanz werden im Rahmen zweier wissenschaftlicher Projekte derzeit detailliert untersucht. Das Ziel des ersten Projektes ist dabei ein besseres Verständnis über den Lebensabschnitt des Erwachsenwerdens im Oströmischen Reich. Erste Zwischenergebnisse wurden vor Kurzem auf dem Symposium »Coming Of Age – Adolescence and Society in Medieval Byzantium« in Wien der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Das zweite Projekt befasst sich mit dessen Literatur zur Zeit der kulturellen Hochblüte vom 11. bis zum 13. Jahrhundert, wobei insbesondere die Verwendung von Ironie analysiert wird.

Theatermasken
Byzanz hat der Wissenschaft noch viel zu sagen – zwei Projekte des FWF »hören« es sich an. Foto: Wetman, Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-2.0 de (Kurzfassung). Originaldatei: Tragic comic masks - roman mosaic.

Das prachtvolle kulturelle Erbe des Byzantinischen Reichs ist ob seiner Kunstgegenstände und Baudenkmäler weithin bekannt. Doch neben Gold, Seide, Edelsteinen und Elfenbein bildet auch ein gewaltiger Schriftenbestand wertvolles Rohmaterial zum Verständnis der Kultur der mehr als 1000-jährigen Geschichte des Byzantinischen Reichs. Diese schriftlichen Quellen werden als Tor zum Verständnis des gesellschaftlichen Gefüges und der Mentalität der Leitkultur »Byzanz« in zwei Projekten am Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien detailliert ausgewertet und gewähren Einblicke in diese in vielerlei Hinsicht (einfluss)reiche und langlebige Kulturepoche.

Erwachsenwerden im Mittelalter

Erste Forschungsergebnisse wurden nun im Rahmen eines Symposiums international vorgestellt und diskutiert. Das Symposium bot internationalen ExpertInnen (Byzantinisten, Mediävisten, Kunsthistorikern, Juristen, Psychologen) eine Bühne zum regen interdisziplinären Gedankenaustausch über das Lebensalter der Adoleszenz des »homo byzantinus«. Prof. Johannes Koder, Projektleiter vom Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien, zur Bedeutung der Veranstaltung: »Mit diesem Symposium ist es gelungen, die umfangreichen und vielschichtigen Arbeiten des Instituts einer internationalen Fachöffentlichkeit vorzustellen, ein differenzierteres Bild des Jugendalters in Byzanz zu entwickeln und wichtige Leitlinien für künftige Forschungsvorhaben aufzuzeigen.« Das Projekt widmet sich der Analyse der »Entlassung« der Jugendlichen aus der Familie in der Zeit vom 6. bis zum 11. Jahrhundert. »Damals waren die Gründe für diese Entlassung die allgemeine oder berufsspezifische Ausbildung, die Verheiratung und der Klostereintritt. Diese bilden den Ausgangspunkt unserer Untersuchung umfangreicher schriftlicher Quellen wie juridischer Dokumente, Heiligenbiographien, Chroniken und Briefe«, so Projektmitarbeiterin Dr. Despoina Ariantzi. Ziel ist es dabei, unter anderem zu klären, inwieweit bei dieser Entlassung vom Jugendalter – im Gegensatz zum Kindesalter – nicht nur der Einfluss der Eltern, sondern auch die Wünsche der Jugendlichen von Bedeutung waren. Dadurch können Einblicke in die Rolle der Familie in der Gesellschaft, in die Zukunftserwartungen der betroffenen zwei oder drei Generationen in der Familie und in den Wandel solcher Zukunftserwartungen der Gesellschaft an die jeweils nachrückende Generation gewonnen werden.

Semantisch subversiv

Einblicke in die Mentalität der Byzantiner erlaubt ein weiteres Projekt am Institut, das sich mit dem kulturellen Phänomen der Ironie befasst. Wesentlich facettenreicher als der mit ihr verwandte Humor, kann Ironie zu verschiedenen Zwecken gezielt eingesetzt werden, vornehmlich, um das Gegenüber oder Sachverhalte in Frage zu stellen, Distanz zu schaffen und intellektuelle Überlegenheit zu beweisen. Das spielerische, humoristische Element der Ironie diente somit nur vordergründig der Erheiterung, wie Projektleiterin Prof. Claudia Rapp, die die Nachfolge von Prof. Koder am Institut für Byzantinistik und Neogräzistik angetreten hat, erläutert: »Tatsächlich benutzten die Autoren rhetorische Stilmittel, um subversive Effekte wie Ironie zu erzeugen und damit auf versteckte Weise kritische Meinungen zu äußern.« Projektmitarbeiterin Dr. Efthymia Braounou hat erstmals die Begriffsgeschichte der Ironie von der klassischen (griechischsprachigen) Antike bis in die byzantinische Zeit verfolgt und damit Kontinuitäten der literarischen Gepflogenheiten und des Sprachgebrauchs aufzeigen können. Im nächsten Schritt werden Werke byzantinischer Geschichtsschreiber des 11. und 12. Jahrhunderts, der Hochblüte der byzantinischen Literatur, einer semantischen Untersuchung unterzogen, um Absichten der Autoren und Wirkung auf das Publikum nachzuspüren. Ziel ist ein besseres Verständnis der »Poetik der Subversion« (so der Projekttitel) in der byzantinischen Literatur, die somit als eigenständiges Phänomen in ihrem sozio-kulturellen Kontext, und nicht nur als Vermittler der literarischen Zeugnisse der griechisch-römischen Antike, neu ausgeleuchtet wird.

Die beiden vom Wissenschaftsfond FWF geförderten Projekte zeigen exemplarisch, welche Bandbreite die Erforschung der byzantinischen Kultur in Österreich international vorzuweisen hat. Innovative geisteswissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der Byzantinistik, wie sie derzeit in Wien umgesetzt wird, erlaubt es, gängige Bilder zu entstauben und neben den Kunstschätzen die facettenreiche und vielschichtige Bedeutung von Byzanz für die kulturelle Formung der heutigen europäischen Kultur differenzierter zu beleuchten.

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