Schon unsere frühesten Vorfahren arbeiteten bei der Jagd eng zusammen

Tübinger Förderpreis für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie zeichnet Lucía Cobo-Sánchez aus: Die Spanierin rekonstruierte das Jagd- und Sozialverhalten vor 1, 84 Millionen Jahren

Der Tübinger Förderpreis für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie geht in diesem Jahr an Dr. Lucía Cobo-Sánchez von der Universität Madrid. Die Wissenschaftlerin erhält die Auszeichnung für ihre Dissertation »Taphonomic and spatial study of the archaeological site DS from Bed I in Olduvai Gorge (Tanzania)«. In dieser kombinierte sie klassische Tierknochenuntersuchungen mit Maschinenlernverfahren und konnte so zeigen, dass Menschen bereits vor 1,84 Millionen Jahren zu Planung, Kooperation und koordiniertem Handeln fähig waren.

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Ausgrabung Olduvai
Ausgrabungen in der Olduvai-Schlucht in Tansania. Foto: privat/Lucía Cobo-Sánchez

Lucía Cobo-Sánchez studierte an den Universitäten Madrid und Tübingen Archäologie mit Schwerpunkt Vorgeschichte und Archäozoologie. Für ihren Master an der Universität Cambridge wählte sie den Studiengang »Human Evolutionary Studies«. Ihre Promotion in Vorgeschichte schloss sie 2020 an der Universität Madrid ab. Seit 2021 forscht sie an der Universität Köln in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Eleftheria Paliou und Dr. Tilman Lenssen-Erz im vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt »Modellierung prähistorischen Jagdverhaltens«.

In ihrer Dissertation behandelte Cobo-Sánchez die kontrovers diskutierten Fragen, inwieweit Menschen vor knapp zwei Millionen Jahren Fleisch aßen und wie sie es sich beschafften. Als Grundlage diente ihr der außergewöhnlich gut erhaltene Fundplatz David’s Site in der Olduvai-schlucht in Tansania, an dessen Ausgrabung sie beteiligt war. Anhand der Knochen von Huftieren, Spuren ihrer Bearbeitung durch Menschen und räumlichen Verteilung untersuchte sie – unterstützt durch den Einsatz künstlicher Intelligenz – die Entstehung der Fundstelle.

Mit ihren Erkenntnissen kann die Wissenschaftlerin zeigen, dass kleine bis mittelgroße Beutetiere im Ganzen zum Fundort gebracht und dort mithilfe zahlreicher Steingeräte zerlegt wurden. Es gibt wenig Anzeichen, dass sich fleischfressende Tiere an den Kadavern bedienten. Dies und der hohe Anteil junger erwachsener Tiere lässt Cobo-Sánchez darauf schließen, dass die Tiere gezielt aus dem Hinterhalt gejagt wurden.

Darüber hinaus bietet ihre Arbeit grundlegenden Einblick in das Sozialverhalten unserer frühen Vorfahren. Das wiederholte Aufsuchen des Ortes über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren weist auf eine Nutzung als zentralen Platz hin, an dem vermutlich die Nahrung geteilt wurde. Neben Jagdbeute transportierten die Menschen auch große Mengen Rohmaterial zur Herstellung von Steingeräten dorthin. »Offensichtlich prägten in dieser frühen Zeit bereits Planung, Kooperation und koordiniertes Verhalten das enge menschliche Miteinander«, sagt die Preisträgerin. Die große Zahl von Knochen- und Gerätefunden auf engem Raum zeigen jedoch ein Verhalten, das sich sehr deutlich sowohl von dem anderer Primaten als auch moderner Menschen unterscheidet.

Der mit 5.000 Euro dotierte Förderpreis für Urgeschichte und Quartärökologie ist von der Mineralwassermarke EiszeitQuell gestiftet und wird in diesem Jahr zum 24. Mal vergeben.

Vermessung in der Olduvai-Schlucht
Dr. Lucía Cobo-Sánchez bei Ausgrabungen in der Olduvai-Schlucht in Tansania. Foto: privat/Lucía Cobo-Sánchez

Hinweis

Die Preisverleihung findet am Donnerstag, 3. Februar 2022, um 11 Uhr im Fürstenzimmer auf Schloss Hohentübingen (Burgsteige 11) statt. Die interessierte Öffentlichkeit kann per livestream teilnehmen, eine Anmeldung ist nicht notwendig:

Livestream: https://zoom.us/j/97296100980?pwd=K3hpLy9vVjNRNEk4WURaRkd4ZGcyUT09
Meeting-ID: 972 9610 0980
Kenncode: 151333