Von Jahrmärkten und Heringsladungen – Fernstraßen der Hansezeit digital rekonstruiert

Open Street Map zur Hansezeit

Ein Team der Universität Göttingen hat gemeinsam mit der Forschungsstelle zur Geschichte der Hanse und des Ostseeraums in Lübeck und den Universitäten Magdeburg, Aarhus und Nimwegen eine digitale Plattform zu Fernhandelswegen in Nordeuropa zwischen 1350 und 1650 aufgebaut.

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Mittelalterliche Fernhandelswege in Nordeuropa
Gesamtausdehnung der digitalen Viabundus-Karte: Das Team hat eine digitale Plattform zu Fernhandelswegen in Nordeuropa zwischen 1350 und 1650 aufgebaut. Foto: www.viabundus.eu

Mit der auf www.viabundus.eu veröffentlichten Karte ermöglichen die Forscherinnen und Forscher es interessierten Besuchern, Routen und Reisezeiten für den hansischen Wirtschaftsraum zu berechnen, Jahrmarkttermine zu überblicken und die Erreichbarkeit von Orten im historischen Verkehrsnetz zu analysieren. In Kombination mit weiteren Daten lassen sich vielfältige Fragen der Wirtschafts- und Verkehrsgeschichte erforschen. Das Team konnte dabei auf Vorarbeiten aus der Hanseforschung sowie am Institut für Historische Landesforschung der Universität Göttingen erarbeitete Kartenwerke zurückgreifen.

»Entstanden ist eine Open Street Map zur Hansezeit«, erklärt der Historiker Dr. Bart Holterman vom Institut für Historische Landesforschung der Universität Göttingen, der die Datenbank maßgeblich gestaltete. Die großen Verkehrsachsen basierten auf regionalen Wegeverbindungen. Handelsstraßen waren zugleich auch Pilgerwege, Heerstraßen und Verbindung zwischen Dorf und nächster Stadt. Die Karte ermöglicht daher allen Interessierten, auch abseits von wissenschaftlichen Fragen einen Blick auf die historischen Wege vor Ort zu werfen und sich über Orte entlang der Straßen zu informieren.

Die Forscherinnen und Forscher haben damit eine wissenschaftlich belastbare Grundlage für die Analyse des vormodernen Handelsverkehrs geschaffen. »Lukrativer Handel bedeutete damals wie heute die Überbrückung großer Entfernungen. Die Verkehrsrouten spielten dabei eine zentrale Rolle«, betont Projektkoordinator und Institutskollege Dr. Niels Petersen. »Viele sind überrascht, wenn sie erfahren, dass der Großteil der Hansestädte im Binnenland lag. Diese Städte waren auf den Transport mit Fuhrwerken oder auf die Binnenschifffahrt angewiesen, um ihre Waren in den Fernhandel zu bringen. Beispielsweise passierten die Zollstelle Eilenburg bei Leipzig im Jahr 1525 ganze 575 mit schwedischem Hering beladene Frachtwagen. Das zeigt, wie selbstverständlich die Waren über den ganzen Kontinent gehandelt wurden, wie leistungsfähig das Transportnetz und wie hoch die Verkehrsdichte auf einigen Strecken gewesen ist.«

Zollstellen, Jahrmärkte, Fluss- und Seehäfen, Brücken und Fähren bildeten Stationen auf dem Weg der Waren und sind in der Datenbank verzeichnet. Das Team stellt alle Daten unter der Commons-Lizenz CC BY-SA frei zur Verfügung. Am weitesten erschlossen ist derzeit das Verkehrsnetz im heutigen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. »Die internationale Zusammenarbeit ist das A und O bei einer europäischen Karte. Daher freuen wir uns, dass in wenigen Monaten unsere Projektpartner in Dänemark und den Niederlanden ihre Bearbeitung abgeschlossen haben werden und die Karte damit bedeutend erweitern«, ergänzt Holterman.

Das Projekt wurde vom Land Niedersachsen im Programm Pro*Niedersachsen sowie von der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung, Nordhausen, gefördert.