Ein neuer Zweig der Feuersteinstraße zwischen Bayern und Böhmen?

Arnhofener Hornsteine bei Neustadt a.d. Waldnaab geben erste Hinweise auf eine steinzeitliche Handelsroute über den Böhmerwald

Nahe Neustadt auf einer exponierten Anhöhe an der Waldnaab konnten vergangene Woche Artefakte aus dem 120 km entfernten Feuersteinbergwerk von Arnhofen geborgen werden. Zusammen mit früheren Funden lagen die rund 20 Kerne, Klingen und Präparationsabschläge aus dem typischen gebänderten Hornstein ohne erkennbaren Zusammenhang mit einer vorgeschichtlichen Siedlung direkt an der Oberfläche. Wie auf der Hauptroute der Feuersteinstraße durch das Regental handelt es sich sehr wahrscheinlich um die Überreste eines Lagerplatzes von Steinzeithändlern, die auf ihrem Weg nach Böhmen an der Naab Rast machten.

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Übersichtskarte Feuersteinstraße
Übersichtskarte der Feuersteinstraße nach Böhmen mit der Hauptroute durch das Regental und die Cham-Further Senke. Der neue Zweig durch das Naabtal geht bis Neustadt an der Waldnaab. Von dort aus führte der Weg über Bärnau nach Tachov und Stříbro in Westböhmen und weiter nach Pilsen und Prag. © Alexander Binsteiner

Erste Handelsrouten

Auf dem Höhepunkt des Arnhofener Abbaues trieben die Steinzeitkumpels 20.000 Schachtanlagen in den Untergrund und bauten Hunderte von Tonnen des begehrten Steines ab. Daraus konnten Millionen von hochwertigen Klingen hergestellt werden. Die Förderung ging weit über den Eigenbedarf der Steinzeitbauern hinaus. Sie begannen mit ihren Produkten Handel zu treiben. Vor über 7.000 Jahren entstanden die ersten Handelsbeziehungen zwischen Bayern und Böhmen. Auf der sogenannten Feuersteinstraße wurden die bayerischen Feuersteine auf der Donau und über das Regental und den Bayerischen Wald bis nach Pilsen und Prag gehandelt. 

Solingen der Steinzeit

In der Folge bauten die Steinzeitkumpels aus Niederbayern ein weitgespanntes Handelsnetz auf. Die Nachfrage nach den bayerischen Feuersteinen war groß. Die besondere Qualität des Gesteines ermöglichte es den Steinschmieden der Jungsteinzeit lange und rasiermesserscharfe Klingen abzuspalten, die sie bevorzugt zu Messern und Erntesicheln schäfteten. Es entstanden regelrechte Industriebetriebe, die das Rohmaterial aus dem Bergwerk bezogen und in großer Stückzahl weiterverarbeiteten. Unlängst konnte in Regensburg-Pürkelgut eine Steinzeitmanufaktur vollständig untersucht werden. Die Spezialisten stellten Hunderttausende der gefragten Klingen her und organisierten einen internationalen Handel. Von der Donau bis an die Ruhr und vom Rhein bis zur Moldau schätzte man die Klingen aus Bayern. 

Der Weg nach Böhmen

Die Feuersteinstraße nach Böhmen verlief von Arnhofen aus auf der Donau nach Regensburg und durch das Regental und die Cham-Further Senke über den Bayerischen Wald bis nach Pilsen und Prag. Eine Nebenroute lief über den Pass von Waldmünchen. Die neu entdeckte Strecke durch das Naabtal nach Neustadt über Bärnau nach Tachov und Stříbro ist eine weitere Möglichkeit über den Böhmerwald ins Pilsener Becken zu gelangen. Mit größter Wahrscheinlichkeit war die Handelsstraße zum Höhepunkt des Arnhofener Bergwerkes zwischen 4.800 und 4.600 v. Chr. in Betrieb. Tausende Jahre später nützten Händler des ausgehenden Mittelalters dann die gleiche Route als einen Zweig der Goldenen Straße zwischen Nürnberg und Prag.

Kernstein aus Arnhofener Hornstein
Neustadt an der Waldnaab, Kernstein aus dem gebänderten Arnhofener Hornstein mit den Negativen bereits abgeschlagener Klingen (Länge 4,8 cm). Daneben eine Einsatzklinge für ein kleines Messer oder ein Erntesichel (Länge 2,2 cm). Verbleib: Thomas Bäumler, Neustadt. Foto © Alexander Binsteiner