Neue Erkenntnisse zur Keltenstadt Heuneburg

In frühkeltischer Zeit bildete die Heuneburg mit dem Kult- oder Versammlungsplatz auf der Alten Burg, der Großen Heuneburg, dem Bussen und den offenen ländlichen Siedlungen im Umfeld offenbar ein einziges großes Siedlungssystem

​Das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart hat am Mittwoch im Rahmen eines Pressegespräches die neuesten Ergebnisse der archäologischen Forschungen im Umfeld des frühkeltischen Machtzentrums Heuneburg vorgestellt. Landesarchäologe Prof. Dr. Dirk Krausse vom LAD informierte über die bisherigen Ergebnisse von überregionaler und internationaler Bedeutung.

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Der heilige Berg Oberschwabens
Blick von der Heuneburg auf den Bussen, den »heiligen Berg Oberschwabens«. Im Vordergrund befindet sich die rekonstruierte Mauer der Heuneburg. Foto: LAD im RPS

Die Heuneburg bei Herbertingen-Hundersingen (Landkreis Sigmaringen) an der oberen Donau zählt zu den bedeutendsten und besterforschten prähistorischen Fundstätten Deutschlands und Mitteleuropas. Es handelt sich um die älteste bisher bekannte Stadtanlage nördlich der Alpen, die um 620 vor Christus (v. Chr.) entstand und aus bisher unbekannten Gründen um 450 v. Chr. verlassen wurde. In den zurückliegenden Jahrzehnten wurden das Burgbergplateau (Akropolis) und die unmittelbare Umgebung (Vorburg und Außensiedlung) des frühkeltischen Machtzentrums erforscht. Seit 2014 untersucht das LAD erstmals auch das weitere Umfeld der Heuneburg systematisch. Unterstützt werden diese Untersuchungen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die vor wenigen Wochen entschieden hat, die Ausgrabungen um weitere drei Jahre mit einem Betrag in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro zu fördern. Im Mittelpunkt stehen dabei mehrere bislang unerforschte imposante Höhenbefestigungen, die im weiteren Umfeld der Heuneburg liegen und zum Teil monumentale Befestigungsanlagen aufweisen. In den ersten sechs Jahren intensiver Forschungstätigkeit konnten bereits durch umfangreiche archäologische Ausgrabungen und Prospektionen sensationelle Ergebnisse von weit überregionaler Bedeutung erzielt werden.

Außergewöhnlich erkenntnisreich sind die Ausgrabungen auf der Alten Burg bei Langenenslingen (Landkreis Biberach), die rund neun Kilometer nordwestlich der Heuneburg in exponierter Lage am Südrand der Schwäbischen Alb liegt. Die aktuellen archäologischen Forschungen haben bestätigt, dass dieses 340 Meter lange und zwischen 50 und 60 Meter breite Bergplateau im 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. von Menschenhand vollkommen umgestaltet und zu einer monumentalen Anlage ausgebaut worden war. Durch die letztjährigen Ausgrabungen konnten Architektur und Datierung dieser vollkommen außergewöhnlichen Anlage zuverlässig geklärt werden. Es handelte sich um einen Kult- und Versammlungsplatz des 8. bis 4. Jahrhunderts v. Chr. von weit überregionaler Bedeutung.

Einen anderen Charakter als die Alte Burg hatten die ebenfalls monumentalen Befestigungsanlagen der Großen Heuneburg bei Zwiefalten-Upflamör (Landkreis Reutlingen), etwa zwölf Kilometer nordnordwestlich der Heuneburg gelegen. Ein Grabungsschnitt durch den Wall im Nordwesten der mehr als fünf Hektar großen Hauptburg führte zur Freilegung einer beeindruckenden frühkeltischen zweischaligen Trockenmauer aus Kalksteinen, die 3,6 Meter breit und noch bis zu 1,6 Meter hoch erhalten war. Eine andere Konstruktion besaß die Befestigung an der Ostseite der 1,5 Hektar großen Vorburg. Einer ebenfalls zweischaligen Steinmauer von bis zu 3,4 Meter Breite war an der Innenseite ein 8-9 Meter breiter Wall aus Mergel angeschüttet und an der Außenseite ein 2,6 Meter tiefer Graben vorgelagert worden. Durch die Ausgrabungen konnte nachgewiesen werden, dass auch die in ihren Dimensionen sehr beeindruckenden Baumaßnahmen auf der Großen Heuneburg ins 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. fallen. Es zeigt sich für das Umfeld der Heuneburg somit inzwischen eine beispiellose Konzentration von Macht und ein komplexes System ökonomischer, politischer und religiöser Zentren.

Zu diesem System gehörte offensichtlich auch der Bussen, der »heilige Berg Oberschwabens«, bei Uttenweiler-Offingen (Landkreis Biberach) auf dem 2019 erstmals systematische archäologische Prospektionen und Ausgrabungen stattfanden. Inzwischen zeichnet sich ab, dass der Bussen schon lange vor der Entstehung der frühkeltischen Heuneburg zentralörtliche Bedeutung für diese im bronze- und früheisenzeitlichen Fernhandel wichtige Region an der oberen Donau besaß. Dies zeigen auch die Aufsehen erregenden Grabfunde, die 2016 am Fuße des Berges bei Unlingen entdeckt wurden.

Einen weiteren wichtigen Aspekt des Forschungsprojekts bilden die Entdeckung und Untersuchung der zeitgleichen bäuerlichen Höfe, Weiler oder Dörfer, die die Bewohner der Höhensiedlungen und die Keltenstadt Heuneburg mit Nahrungsmitteln versorgt haben müssen.

Im Jahr 2018 gelang es, eine höchst interessante offene ländliche Siedlung bei Langenenslingen-Emerfeld (Landkreis Biberach) am Südrand der Schwäbischen Alb zu entdecken. Es handelt sich um ein ausgedehntes Siedlungsareal, in dem sich zahlreiche ähnlich orientierte Grundrisse von Pfostenbauten sowie Gräbchenstrukturen und Gruben – darunter auch eine Reihe sogenannte Brenngruben – unterschiedlicher Größe abzeichnen. Die Funde und Befunde gehören ins 9. bis 6. Jahrhundert v. Chr. Einige außergewöhnliche Fundkontexte – wie Deponierungen von Hirschgeweihen, Keramikgefäßen oder Tonspulen – können auf einen rituellen Zusammenhang verweisen.

Durch die bisherigen Forschungen zeichnet sich deutlich ab, dass in frühkeltischer Zeit die Heuneburg mit dem Kult- oder Versammlungsplatz auf der Alten Burg, der Großen Heuneburg, dem Bussen und den offenen ländlichen Siedlungen im Umfeld ein einziges großes Siedlungssystem gebildet haben muss.

Unlinger Reiter
Der sog. Unlinger Reiter, eine 2016 in einem Grabhügel am Fuße des Bussens bei Unlingen entdeckte bronzene Statuette. Foto: LAD im RPS
Wallschnitt auf der Großen Heuneburg
Grabungsschnitt durch die Befestigungsanlage im Osten der Vorburg der Großen Heuneburg bei Zwiefalten-Upflamör mit der Steinmauer, dem dahinter angeschütteten Wall und dem vorgelagerten Graben. Foto: LAD im RPS