Umweltschäden vor 2.000 Jahren

Menschlicher Raubbau an der Natur ist keine Erfindung der Moderne. Schon vor fast 2.000 Jahren griffen Siedler am Nordrand des Wiehengebirges so stark in ihre Umwelt ein, dass sie schon bald die Folgen zu spüren bekamen. Diese Entdeckung machten Archäologen bei Lübbecke, wo sie in Abstimmung mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eine Hofstelle ausgraben.

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Gemeinsam untersuchen und diskutieren Dr. Sven Spiong (LWL-Archäologie für Westfalen) und Christiane Kunze (ArchaeoFirm) den Befund
Gemeinsam untersuchen und diskutieren Dr. Sven Spiong (LWL-Archäologie für Westfalen) und Christiane Kunze (ArchaeoFirm) den Befund eines Grubenhauses. (Foto: LWL/J. Schubert)

Anlass der Untersuchung ist die Entstehung eines Neubaugebiets an der Bleichstraße im Stadtteil Gehlenbeck. Bevor alle Überreste den Baumaßnahmen weichen müssen, werden diese in einer mehrwöchigen Ausgrabung auf einer Fläche von 2.000 Quadratmetern untersucht. "Für die archäologische Erforschung des Raums zwischen Wiehengebirge und Großem Torfmoor ist diese Grabung von besonderer Bedeutung", erläutert Dr. Sven Spiong, Leiter der Bielefelder Außenstelle der LWL-Archäologie für Westfalen. "Erstmals kann hier eine Hofstelle des 2. und 3. Jahrhunderts nach Christus wissenschaftlich untersucht werden."

Um an die archäologischen Befunde zu gelangen, musste der Bagger aber außer dem humosen Erdreich auch eine etwa 50 Zentimeter dicke Schwemmschicht abtragen. Eine Schwemmschicht entsteht durch eine Verlagerung von Böden, etwa bei Regenfällen. Während diese Verlagerung zwar auf natürlichem Wege geschieht, ist die Ursache dagegen menschengemacht. "Vergleichbare Schwemmschichten können wir auch in Porta Westfalica-Barkhausen nachweisen. Dort erreichen sie teilweise eine Mächtigkeit von bis zu 90 Zentimeter", berichtet Spiong. Die Ursache dafür ist in der damaligen Landwirtschaft zu sehen. Um Ackerflächen zu schaffen, wurden umfangreich Bäume gefällt. Bei Starkregen fand die Erde auf dem wasserundurchlässigen Lehmboden keinen Halt und rutschte nach und nach den Hang herunter. Der fruchtbare Boden ging dadurch verloren. "Wahrscheinlich mussten die Bauern damals mit großen Ernteausfällen zurechtkommen", meint Spiong. Doch diese Tatsache hat heute auch eine gute Seite: "Unter dem angeschwemmten Boden haben sich die Spuren des Hofes sehr gut erhalten", erklärt Dr. Hans-Otto Pollmann, der das Grabungsteam seitens des LWL betreut.

Die Ausgräber stießen bereits auf die Spuren eines großen Wohnhauses und zweier Nebengebäude. Von dem Wohnhaus zeugen nur noch die Spuren der Pfosten, die sich als Verfärbungen im Boden erhalten haben. Bei den beiden Nebengebäuden handelt es sich um sogenannte Grubenhäuser. Diese Bauten wurden tiefer in den Boden eingelassen. Wenn diese Häuser nicht mehr genutzt wurden, blieben verfüllte Gruben zurück. Die beiden Grubenhäuser sind so gut erhalten, dass sich die Archäologen Konstruktionsdetails und Hinweise auf die ehemalige Nutzung erhoffen.

Keramikscherben deuten darauf hin, dass der Hof aus dem 2. Jahrhundert nach Christus stammt. Die Scherben haben für diese Zeit typische Verzierungen wie gekerbte Ränder oder Fingerkuppeneindrücke. Außerdem stießen die Archäologen auf eine runde Bronzescheibe mit kreisförmiger Rillenverzierung. Möglicherweise war die Scheibe Teil des Zaumzeugs eines Pferdes.

Nach bisheriger Kenntnis bestand der Hof vermutlich nur etwa 50 bis 100 Jahre. Das Wohnhaus wurde nämlich nicht mehr erneuert. "Die Lebensdauer solcher Bauten mit eingegrabenen Hauspfosten war begrenzt. Das Holz fiel nach einiger Zeit der Witterung zum Opfer und musste dann ausgebessert werden", so Pollmann. "Das scheint hier aber nicht geschehen zu sein."

Die Untersuchungen werden noch in den nächsten Wochen weitergehen. Nachdem die archäologischen Spuren dokumentiert sind, kann das Gelände bebaut werden.

In dem lehmigen Boden zeichnen sich die dunklen Verfärbungen deutlich ab
In dem lehmigen Boden zeichnen sich die dunklen Verfärbungen deutlich ab, wo einst das Grubenhaus stand. Im weiteren Verlauf der Grabungen wird das Haus noch näher erforscht. Foto: LWL/J. Schubert