Amerikanischer Bomber 72 Jahre nach Absturz geborgen

Experten aus den USA und Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) haben Spuren eines abgestürzten Bombers aus dem Zweiten Weltkrieg in Reken (Kreis Borken, Nordrhein-Westfalen) untersucht. Die Untersuchung der Funde geht jetzt in Amerika weiter.

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Kuppelzelt
Auch bei Frost muss durchgearbeitet werden, unter dem Kuppelzelt wird das Erdreich aufgetaut. Im Hintergrund die Siebanlage. (Quelle: History Flight/DPA)

Flakschützen hatten den amerikanischen Bomber vom Typ A-26 B über Reken im März 1945 mit gezieltem Beschuss vom Himmel geholt. Drei Besatzungsmitglieder stürzten damals mit dem Flugzeug und seiner gefährlichen Ladung ab. Sie hatten keine Gelegenheit mehr, sich mit einem Fallschirmsprung in Sicherheit zu bringen. Seitdem gab es keine Spur mehr von den Menschen und dem Flugzeug. Bis ein Hobbyforscher sich auf die Suche machte und Hinweise im Boden entdeckte. Jetzt konnten die letzten Zeugnisse gesichert werden.

Auch fast ein Dreivierteljahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es Hinterbliebene, die im Ungewissen über das Schicksal ihrer vermissten Familienangehörigen leben. Immer noch sind die Listen der am Krieg beteiligten Länder voll mit Namen von Menschen, die nie mehr aus dem Krieg zurück gekehrt sind. "Leave no man behind - lass niemanden zurück" ist für die Amerikaner ein wichtiges Leitmotiv. Weltweit vermissen sie noch immer ca. 73.000 Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg, davon rund 27.500 in Europa und im Mittelmeerraum. "Untill they are home - bis sie daheim sind" ist ein anderer Antrieb, der den US-Kongress 2010 veranlasste, das amerikanische Verteidigungsministerium mit der Suche nach Gefallenen aus dem Zweiten Weltkrieg zu beauftragen. Wie wichtig den Amerikanern das Gedenken an die Vermissten und Toten ist, zeigen auch die vielen Treffen von Familienmitgliedern oder der jährliche Gedenktag am dritten Freitag im September.

Auch deshalb sind Fachleute aus den USA eingeflogen und nach Reken gekommen, nachdem der Hobbyforscher seine Funde von einem möglichen Flugzeugwrack gemeldet hat. Die Experten besuchten den Fundort, schätzten die Lage ein und bereiteten die Bergung des Wracks vor. Die vorbereitenden Nachforschungen übernahm die DPAA, die Defense POW/MIA Accounting Agency in den USA. Dort gibt es ein ganzes Team aus Historikern, das die einzelnen Fälle recherchiert und Voruntersuchungen vorbereitet. Es gibt ein forensisches Labor auf Hawaii und das eigentliche Hauptquartier in Washington, ein weiteres selbstständiges Labor der US-Streitkräfte in der Offutt Air Force Base in Nebraska. In Europa kümmert sich ein Team von aktuell vier Mitarbeitern um die Recherchen vor Ort.

Dabei hilft auch immer wieder die LWL-Archäologie für Westfalen- so auch in Reken. Denn: "Wenn bei derartigen Suchaktionen Bodendenkmäler entdeckt werden können, ist eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung erforderlich", betont Dr. Bernhard Stapel von der LWL-Archäologie für Westfalen. "Die Archäologen haben außerdem ausgezeichnete Ortskenntnisse und können mit Kontakten zu anderen Behörden und Beteiligten helfen", ergänzt ein Sprecher von der DPAA. "Bei der Vorbereitung und der Durchführung der Ausgrabung war uns die LWL-Archäologie deshalb eine große Hilfe."

Die Archäologen bargen zusammen mit forensischen Anthropologen und einem Team von bis 15 Personen, darunter viele Freiwillige, die Überreste. "History Flight" heißt die Organisation, die wiederum in den USA beheimatet und auf solche Bergungen spezialisiert ist. Das Grabungsteam teilte die Absturzfläche in Reken in Quadranten ein und untersuchte darin akribisch den Boden nach Spuren des Flugzeuges und der darin möglicherweise verstorbenen Besatzungsmitglieder. Mit Sieben wurde die Erde durchsucht, um auch den kleinsten Anhaltspunkt zu dokumentieren. Genau ein Monat dauerten die Untersuchungen bis kurz vor Weihnachten. Die Archäologen der LWL-Archäologie waren regelmäßig dabei - "auch deshalb, weil hier durchaus Relikte anderer Zeitepochen zum Vorschein kommen können, die für uns wichtig sind", erläutert Dr. Bernhard Stapel.

In Reken konnte das Grabungsteam tatsächlich viele Spuren des Absturzes bergen. Die Metall-Teile des Flugzeugs, die im Boden erhalten blieben, sind jedoch winzig klein - ebenso die Aluminium-Reste der Flugzeugverkleidung. Teile der Maschinengewehre dokumentierten die Ausgräber ebenso wie Teile des Flugzeugsmotors und wenige Knochen. Besonders erschütternd sind Gegenstände aus dem persönlichen Besitz der Besatzungsmitglieder, die jetzt die Fundkisten füllen. Dazu gehören Teile der Sicherheitsausstattung wie etwa von den Fallschirmen. Sie deuten darauf hin, dass die Besatzung noch im Flugzeug war, als es abstürzte.

Die Funde werden jetzt in den USA untersucht. Von den Resten des Flugzeugs erhoffen sich die Experten Hinweise, die eine Identifikation ermöglichen. Die Knochen werden zunächst nach Landstuhl bei Kaiserslautern geschickt, wo sich die zentrale Totenhalle der US-Streitkräfte in Europa befindet. In den Laboren der DPAA werden Teile des Flugzeugs und die persönlichen Effekten der Verstorbenen untersucht. Dort können auch DNA-Analysen vorgenommen werden, sofern eine Identifizierung des Flugzeugs möglich ist und es noch Angehörige der Besatzungsmitglieder gibt.

Das alles wird allerdings noch eine ganze Weile dauern. Sollten die Wissenschaftler Erfolg haben, werden die Familien der Verstorbenen informiert. Die entscheiden dann, was mit den Überresten geschieht. Möglich ist eine Bestattung auf einem lokalen Friedhof oder auf einem Nationalfriedhof wie dem Arlington National Cemetry bei Washington.

A-26B
Ein mit dem ausgegrabenem Wrack baugleicher A-26B im Flug in März 1945. (Quelle: US National Archives)