Urbanistik im Nahen Osten der Antike

Doliche ist die antike Stadt im Südosten der Türkei, wo einst auf einem nahengelegenen Hügel der Gott Iuppiter Dolichenus verehrt wurde. Seit Jahren zieht es Archäologen aus der ganzen Welt dorthin, weil Doliche der Wissenschaft viel erzählen kann. Etwa über die städtische Kultur in der Antike. Die Forschungen dazu unterstützt die DFG jetzt in einem auf drei Jahre angelegten Projekt der Universität Münster.

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Blick auf den Siedlungshügel der antiken Stadt Doliche
Blick auf den Siedlungshügel der antiken Stadt Doliche im heutigen Südosten der Türkei, wo im Rahmen des DFG-Projektes in den kommenden Jahren geforscht wird (© WWU - Forschungsstelle Asia Minor)

Doliche ist eine um 300 vor Christus gegründete antike Stadt im Südosten der Türkei. Bekannt ist der Ort bislang vor allem wegen seines Hauptheiligtums auf einem nahe gelegenen Berg, dem Dülük Baba Tepesi, wo der im gesamten Römischen Reich bekannte Gott Iuppiter Dolichenus verehrt wurde. An dem Ort kann man viel über die Antike erfahren: über die Geschichte und Kultur der Region zwischen Taurusvorland und nordsyrischer Hochebene vom frühen 1. Jahrtausend vor Christus bis in die Kreuzfahrerzeit hinein (11./12. Jahrhundert nach Christus) – und bald auch über Fragen von Stadtentwicklung und städtische Kultur im hellenistisch-römischen Nordsyrien. Denn speziell zu diesem letztgenannten Thema fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) jetzt ein zunächst auf drei Jahre angelegtes Projekt der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) im Umfang von gut 600.000 Euro.

Projektleiter ist Prof. Dr. Engelbert Winter von der "Forschungsstelle Asia Minor" der WWU, der sich dieser Tage selbst auf den Weg in die Türkei macht, um die ersten Grabungen vorzubereiten. Urbane Zentren der hellenistisch-römischen Zeit sind nach seinen Worten im Nahen Osten nur unzureichend erforscht. Für das syrische Binnenland lägen über die städtische Kultur im antiken Nordsyrien, heute Teil der Südosttürkei, kaum Informationen zur Struktur, Topografie und zum kulturellen Milieu von Städten (etwa Wohnbebauung, Alltagsleben, Religion) vor.

Die wichtigsten antiken Orte, die für solche Untersuchungen infrage kämen, sind nach Aussage des WWU-Experten entweder stark überbaut, überflutet oder wegen des syrischen Bürgerkriegs auf unabsehbare Zeit nicht mehr zugänglich. "Generell geht es um Fragen der Urbanistik im antiken Nahen Osten. Deren Erforschung leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der historischen und kulturellen Entwicklung dieser Region, deren politische Relevanz angesichts der aktuellen Geschehnisse im Vorderen Orient unbestritten ist", sagt Engelbert Winter.

Das neue DFG-Projekt "Doliche – Stadtentwicklung und kulturelles Milieu im hellenistisch-römischen Nordsyrien" ist der jüngste Baustein einer ganzen Reihe von Forschungsprojekten, in deren Rahmen sich die Forschungsstelle Asia Minor seit mehr als 15 Jahren mit dem Heiligtum des Iuppiter Dolichenus beschäftigt. Angesichts der religionshistorischen Relevanz dieses heiligen Ortes sind diese Forschungen eng mit den Arbeiten Engelbert Winters im Exzellenzcluster "Religion und Politik" der WWU verknüpft. Ziel des in Kürze beginnenden neuen Projektes sei es, "ein verlässliches Bild von der Urbanistik einer nordsyrischen Stadt von der hellenistischen Epoche bis in die Kreuzfahrerzeit" entstehen zu lassen, betont Engelbert Winter.

Zu dem Grabungsteam gehören insgesamt rund 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende und etwa 35 Grabungsarbeiter aus der Türkei. Dazu zählen auch Experten verschiedener anderer Universitäten im In-und Ausland wie Köln, München, Pisa (Italien), Oxford (England) und Gaziantep (Türkei).

Blick auf den Siedlungshügel der antiken Stadt Doliche
Blick auf den Siedlungshügel der antiken Stadt Doliche im heutigen Südosten der Türkei, wo im Rahmen des DFG-Projektes in den kommenden Jahren geforscht wird (© WWU - Forschungsstelle Asia Minor)