Wie am Fließband: Neue Technik revolutioniert Digitalisierung musealer Objekte

3D-Scans von Kulturgütern vollautomatisch, kostengünstig und schnell

Die Objekte ihrer Sammlungen für Forschung und Öffentlichkeit zugänglich zu machen ist die zentrale Aufgabe von Museen. Doch nur selten erlauben die Räumlichkeiten eine umfassende Präsentation des kompletten Bestandes. Einen Ausweg aus diesem Dilemma würde die Digitalisierung der Objekte bieten, doch die ist teuer und vor allem zeitaufwendig. Eine neue Technik, die vom Fraunhofer IGD gemeinsam mit den Staatlichen Museen zu Berlin und dem Liebieghaus in Frankfurt entwickelt wurde, könnte das nun ändern: Mit einer rund sieben Meter langen »3D-Scanstraße« namens CultLab3D lassen sich Sammlungsobjekte in nur wenigen Minuten dreidimensional erfassen und aus den Daten authentische digitale Modelle erzeugen.

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Nofretete im 3D-Scanner
Vom 11. bis 14. November 2014 testen die Forscher des Fraunhofer IGD ihre 3D-Scanstrasse CultLab3D gemeinsam mit dem Museum für Naturkunde in Berlin. Ziel ist es, die Chancen und Herausforderungen einer schnellen und effizienten Digitalisierung von Natur- und Kulturgütern auszuloten. Im Bild ist die Scanstraße mit einer Replik der Nofretete zu sehen. Foto: © Fraunhofer IGD

Günther Schauerte, der Vizepräsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sagt dazu: »Digitalisierung im Museum ist durch die Dreidimensionalität der Objekte weit komplexer als in der Bibliothek und im Archiv. Hier wie dort geht es jedoch um dasselbe Ziel: der Forschung, aber auch der breiten Öffentlichkeit auf neue Weise unsere Kulturgüter zugänglich zu machen. Für die tägliche Museumspraxis bedeutet die neue Technik aber auch: Wissenschaftliche Projekte und Restaurierungen können besser vorbereitet werden, wir können mehr erfahren über die ursprüngliche Form von oft nur bruchstückhaft erhaltenen Objekten und ihre Materialität kann klarer bestimmt werden.«

»CultLab3D setzt auf die Automatisierung des Digitalisierungsprozesses von Kulturgütern mittels modernster Scan- und Beleuchtungstechnik«, erklärt Pedro Santos vom Fraunhofer IGD In einer bislang weltweit einmaligen 3D-Scanstraße durchlaufen die Objekte den ARC, einen speziellen Scanbogen, dessen photogrammetrische Ausstattung das Objekt in nur wenigen Minuten von allen Seiten erfasst. Danach schließt ein an einem Roboterarm montierter Scanner mögliche verbliebene Fehlstellen. Aus über 6.000 Bildern wird anschließend das Modell zusammengesetzt. Dabei werden auch die Struktur und Farbigkeit der Oberflächen und die optischen Materialeigenschaften berücksichtigt. Mit einer Auflösung im Mikrometerbereich entspricht das digitale Modell höchsten Qualitätsansprüchen.

Die digitale Reproduktion dreidimensionaler Objekte rückt heute zunehmend in den Vordergrund. Im Unterschied zu herkömmlichen fotografischen Methoden bilden digitale 3D-Modelle die komplette Geometrie des Objekts ab. Damit sind sie für ein breites Anwendungsspektrum das ideale Reproduktionsmedium. In vielen Bereichen der Sammlungs- oder Funddokumentation erlauben digitale 3D-Modelle eine berührungsfreie Vermessung und einen authentischeren Blick auf Materialität und Statik als dies mit zweidimensionalen Abbildungen möglich wäre. Für die Wissenschaft und Forschung sind sie zudem oft der einzige Weg, komplexe Sachverhalte zu veranschaulichen oder den analysierenden Vergleich hypothetischer Varianten zu erlauben. Darüber hinaus lassen sich mittels 3D-Modelle attraktive Vermittlungsangebote entwickeln – von der virtuellen Rekonstruktion fragmentierter historischer Bauten und Objekte bis zur Nutzung im Bereich der Augmented Reality. Auch die Anfertigung von Repliken im Maßstab 1:1 ist möglich.

»Unsere Technologien bieten nicht nur eine schnelle Digitalisierung, Klassifizierung und Archivierung von musealen Beständen, sondern ersetzen auch teure Leihgaben und physische Kopien durch frei verfügbare virtuelle Modelle«, erklärt Pedro Santos vom Fraunhofer IGD.

Noch bis zum 7. November 2014 ist CultLab3D in Berlin (Kulturforum) und digitalisiert in einem Testlauf Statuetten der Antikensammlung, Keilschrifttafeln des Vorderasiatischen Museums, Objektkunst aus den Sammlungen der Kunstbibliothek, Blasinstrumente der musikethnologischen Sammlung des Ethnologischen Museums, Objekte des Ägyptischen Museums sowie der Gipsformerei, aber auch kleinere Objekte wie Münzen aus dem Münzkabinett. Der Testlauf dient der Weiterentwicklung der Scanstraße und der Evaluierung des Verfahrens. Herausgefunden werden soll, welche spezifischen Anforderungen in der Museumspraxis zu berücksichtigen sind, welches die Vorteile gegenüber den bisherigen Verfahren sind und wie die Technik zu optimieren ist.

In der kommenden Woche testet das Berliner Naturkundemuseum die Möglichkeiten der 3D-Scanstrasse. Die Museumsbesucher können vom 11. – 14. November zwischen 10 und 16 Uhr dem Test live zusehen.