Smartphone wird zum 3D-Scanner

Dreidimensionale Scans in Echtzeit

Wissenschaftler der ETH Zürich haben eine App für das Smartphone-Betriebssystem Android entwickelt, mit der das dreidimensionale Scannen von Objekten fast so einfach wie das Fotografieren wird. Das Programm setzt keine besondere technische Ausrüstung voraus: es nutzt Sensoren und Kamera, die ohnehin in handelsüblichen Smartphones eingebaut sind. Damit lassen sich kostengünstig und ohne besondere Vorkenntnisse 3D-Modelle etwa von Skulpturen oder allgemein archäologischen Funden erstellen.

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Smartphone als 3D-Scanner
Die Technologie der ETH-Wissenschafler funktioniert auch bei schlechten Lichtverhältnissen, beispielsweise in Museen. Foto: Institut für Visual Computing / ETH Zürich

Bisher war die Erstellung von 3D-Scans sehr aufwendig. Man benötigte teure Hardware und hohe Rechenleistung zur Erzeugung der 3D-Modelle, weshalb derartige Berechnungen oft über verteilte Rechnerverbünde in der Cloud durchgeführt wurden. Diese Verfahren waren entweder teuer oder sehr zeitaufwendig und somit nur in Ausnahmefällen in archäologischen Sammlungen oder auf Ausgrabungen anwendbar.

Wissenschaftler um Marc Pollefeys, Professor am Institut für Visual Computing der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, haben nun ein wesentlich effizienteres Verfahren entwickelt und eine für Smartphones optimierte App erstellt, die das Scannen dreidimensionaler Objekte fast so einfach macht wie das Fotografieren. Im Dezember haben die ETH-Forscher auf der International Conference on Computer Vision in Sydney erstmals eine Demo-Version der App öffentlich präsentiert.

Durch die intuitive Handhabung der App gelingen dreidimensionale Scans auch ohne lange Lernphase. Beim Scanvorgang führt der Benutzer das Handy einfach am Objekt entlang. Dabei zeichnet die App kontinuierlich Bilder auf und berechnet in Echtzeit ein 3D-Modell. Bereits während des Scannens sieht man so die resultierenden 3D-Punkte im Display und erkennt sofort, welche Bereiche des Objekts noch nicht erfasst wurden. Fehlende Daten lassen sich einfach durch gezielte Ausrichtung der Kamera hinzufügen.

Dieses Echtzeit-Feedback ist nur möglich, weil die App die dreidimensionale Darstellung direkt auf dem Smartphone berechnet. »Das ist ein riesiger Vorteil gegenüber bisherigen Lösungen, welche die verschiedenen Bilder erst in der Cloud verarbeiten müssen, und das 3D-Modell erst einige Zeit nach der Aufnahme anzeigen können.«, erklärt Marc Pollefeys. Der Informatikprofessor vergleicht die bisherigen Methoden mit der analogen Fotografie: »Bevor digitale Kameras entwickelt wurden, sah man das Resultat auch erst dann, wenn man das Foto entwickelt hatte.«

Bei der Entwicklung der Software setzten die Wissenschaftler auf die herkömmlichen Sensoren, mit denen heutzutage jedes Smartphone ohnehin ausgestattet ist, also Kamera sowie Lage- und Beschleunigungssensoren. Sobald der 3D-Scan aktiviert ist, bestimmt das System aus den Bewegungen des Benutzers automatisch die richtigen Momente, in denen es die Bilder aufzeichnet. »Noch vor zwei Jahren hätte man eine solche Software nur auf grossen Computern laufen lassen können. Dass dies auf einem Smartphone funktioniert, wäre undenkbar gewesen«, sagt Marc Pollefeys.

3D-Scans sind zwar auch in der Archäologie nichts wirklich Neues mehr, doch bisher war die dreidimensionale Dokumentation extrem zeitaufwendig und konnte nur mit Spezialwissen durchgeführt werden. Mit der intuitiven Bedienung und dem Wegfall technischer Hürden eröffnet das neue Verfahren eröffnet aber auch für die Dokumentation archäologischer Objekte und Ausgrabungen völlig neue Perspektiven. Damit können erstmals mit vertretbarem Zeitaufwand und ohne besondere technische Ausstattung auch komplexe Befunde wie z.B. Bestattungen mit Skeletterhaltung und Beigaben direkt auf der Grabung dreidimensional und in einer Genauigkeit dokumentiert werden, die bisher nicht oder nur mit extremem Aufwand möglich war.

Sicherlich werden solche 3D-Scans herkömmliche Dokumentationsmethoden nicht ersetzen können. Für die Dokumentation komplexer Befunde und die schnelle Erfassung von Objekten in Sammlungen können sie aber eine durchaus sinnvolle Ergänzung darstellen.

Noch allerdings existiert die App nur als Demo-Version und wird von den Forschern nicht öffentlich verbreitet. Wann sie tatsächlich verfügbar sein wird und zu welchem Preis sie letztlich erhältlich sein wird, steht noch nicht fest. Die im Video gezeigte Demonstration gibt immerhin schon mal einen Vorgeschmack auf das Kommende. Detailliertere Informationen zu dem Verfahren gibt es im Paper zu dem Vortrag der ETH-Wissenschaftler auf der ICCV 2013 in Sydney.

Mit Smartphone erstelltes 3D-Modell
Mit der App erstellte 3D-Punktewolke und vermaschtes 3D-Oberflächenmodell. Foto: Institut für Visual Computing / ETH Zürich