Die Abteilung für Klima- und Umweltphysik am Physikalischen Institut und das Oeschger Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern sowie das Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven widerlegen mit Messungen und Modellsimulationen eine heftig diskutierte Hypothese: Diese besagt, dass ein rätselhafter Anstieg der CO2-Konzentration seit 6500 Jahren - dem Beginn der Steinzeit - durch den Menschen verursacht worden sei, genauer: durch beginnenden Ackerbau und Landrodung. Somit wurde dem Menschen ein globaler Klimaeinfluss bereits zu frühester Zeit zugeschrieben, lange bevor mit der industriellen Revolution CO2 durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas rasant angestiegen ist. Laut den neusten Resultaten aus Bern und Bremerhaven ist aber ein menschlicher Einfluss auf das globale Klima erst ab dem 18. Jahrhundert mit dem Beginn der industriellen Revolution messbar. Die Studie wird heute im Journal Nature veröffentlicht.
Für die Studie wurde alte, in Eisbohrkernen eingeschlossene Luft aus der Antarktis untersucht, die Hinweise über die CO2-Konzentration in Eiszeiten und Warmzeiten liefert. Gemessen wurden Konzentrationen des Kohlenstoffisotops C-13 am Treibhausgas CO2 der letzten 11000 Jahre. Isotope sind Kerne eines Atoms - in diesem Fall des Kohlenstoffatoms - die je nach Anzahl Neutronen eine unterschiedliche Masse aufweisen. Das Kohlenstoffatom in CO2 liegt mehrheitlich als Isotop C-12 vor. Nur etwa 1 Prozent haben ein Neutron mehr in ihrem Kern und bilden das Isotop C-13.
Der CO2-Gehalt der Atmosphäre wird durch die Biosphäre und den Austausch mit dem Ozean beeinflusst. Pflanzen bevorzugen für die Stoffumwandlung von Kohlenstoff das Isotop C-12, wobei C-13 in der Atmosphäre zurückbleibt. Speichert die Biosphäre also mehr Kohlenstoff, so nimmt die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre zwar ab, aber der geringe Anteil von C-13 im CO2-Gehalt steigt an. Nimmt jedoch der Ozean durch Gasaustausch CO2 von der Atmosphäre auf, verändert sich das Isotopenverhältnis C-13 zu C-12 kaum. Somit erlaubt eine genaue Messung der Veränderungen der Isotopenkonzentrationen im atmosphärischen CO2 Rückschlüsse auf verschiedene Ursachen.
Die Messungen des internationalen Forscherteams zeigen einen deutlichen Anstieg von C-13 parallel zum leichten Rückgang von CO2 zwischen 11000 und 6500 Jahren vor heute. Dies ist der "Fingerabdruck" des Wachsens der Biosphäre - also von sich ausbreitenden Ökosystemen, die nach dem Ende der letzten Eiszeit Kohlenstoff aufnahmen. Hingegen führt der nachfolgende Anstieg der CO2-Konzentration seit der Steinzeit zu keiner deutlichen Veränderung der C-13 Konzentration. Dies deutet auf Ozeanprozesse hin - und nicht auf menschliche Einflüsse.
Die Berner und Bremerhavener Forschenden schliessen daraus: Wäre der Mensch seit der Steinzeit durch frühe und weiträumige Rodungen für den Anstieg von CO2 in der Atmosphäre verantwortlich gewesen, so müsste der Anteil an C-13 seit damals deutlich abgenommen haben. Modellsimulationen dieses Szenarios, die ebenfalls vom Forscherteam erstellt wurden, belegen dies. Laut der Studie widerspreche eine solche Abnahme den neuesten Messungen eindeutig, so dass die lang diskutierte Hypothese des globalen Einflusses des Menschen auf die atmosphärische CO2-Konzentration bereits seit der Steinzeit nun verworfen werden könne. Somit, so das Forscherteam, habe der globale Einfluss des Menschen auf die Konzentration des Treibhausgases CO2 erst mit der industriellen Revolution begonnen.
Das neben Wasserdampf wichtigste Treibhausgas, Kohlendioxid (CO2), ist ein wesentlicher Verstärker der Eiszeit-Zyklen. Messungen an Luft, die in altem Eis aus der Antarktis eingeschlossen ist, zeigen, dass CO2-Konzentrationen der Luft während Eiszeiten gering, in Warmzeiten aber deutlich erhöht sind. Nach dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 11000 Jahren stieg CO2 auf 265 ppmv (parts per million per volume: 1 ppmv CO2 entspricht einem Volumenanteil CO2 pro Million Volumenanteile Luft), um dann bis 6500 Jahren vor heute wieder auf 260 ppmv abzusinken. Danach wird ein kontinuierlicher Anstieg auf 280 ppmv bis zum Beginn des 16. Jhd. festgestellt, wie schon frühere Studien zeigten.
Quellenangabe:
Elsig, J., J. Schmitt, D. Leuenberger, R. Schneider, M. Eyer, M. Leuenberger, F. Joos, H. Fischer, and
T.F. Stocker: Stable isotope constraints on Holocene carbon cycle changes from an Antarctic ice core,
Nature, in press, 2009.