Lineare Bauprojekte wie die Verlegung von überregionalen Versorgungsleitungen, aber auch Straßenneubauten bieten den Archäologen immer wieder gute Möglichkeiten, einen besiedlungsgeschichtlichen Querschnitt über größere Strecken zu erhalten. Eine dieser einmaligen Chancen bietet der Weiterbau der Bundesautobahn A20, die von Mecklenburg-Vorpommern das Land in Ost-West Richtung bis zur Elbe bei Glückstadt erschließt.
Die Archäologische Landesaufnahme, die zentrale Erfassung aller vor- und frühgeschichtlichen Fundplätze im Lande, verzeichnet eine Vielzahl von Gräbern, Siedlungen, Kultplätzen, Wegespuren, Burgen, die mehr oder weniger gut erhalten, uns Aufschluss über die Lebensweise der Menschen aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit geben. Bei mehr als 80.000 registrierten Fundstellen im Lande ist es nicht verwunderlich, dass gerade bei Großbauprojekten viele dieser einmaligen Urkunden unwiederbringlich zerstört werden, wenn das die Denkmalschutzbehörden nicht rechtzeitig in die Planungen mit eingebunden wird. Einige wenige Denkmäler sind von so hoher Bedeutung, dass eine abgeänderte Planung der Bodeneingriffe notwendig ist, die Vielzahl der betroffenen Fundplätze können aber gezielt wissenschaftlich untersucht und ausgegraben werden. Da jede Ausgrabung einer Zerstörung gleich kommt, ist eine Dokumentation der Strukturen in Foto und Zeichnung zwingend notwendig.
Das Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr und der Landesbetrieb Straßenbau vertreten durch die Niederlassungen in Itzehoe und Lübeck haben während der Planung zum Bau der Bundesautobahn A20 konstruktiv bei der Rettung unseres kulturellen Erbes mitgewirkt, so dass rechtzeitig vor Baubeginn die archäologischen Arbeiten abgeschlossen sein werden. Das ALSH ist seit 2006 mit mehreren Grabungsgruppen auf der geplanten Trasse der A20 tätig. Gerade vor wenigen Tagen konnte der Bauabschnitt von der Elbe bis zur Autobahn A23 aus archäologischer Sicht frei gegeben werden; hier wurden Deichprofile dokumentiert, Siedlungsspuren aus der Bronzezeit freigelegt und der sog. Heydenreichsche Hof aus dem 17. Jahrhundert (das Gebäude ist heute im Freilichtmuseum Molfsee zu besichtigen) untersucht.
Neben vorbereitenden Untersuchungen auf der gesamten Trasse konzentrieren sich zur Zeit die Ausgrabungen auf den Streckenabschnitt zwischen Weede und Wittenborn. Hier müssen bis zum Baubeginn eine große Anzahl von Denkmälern untersucht werden. Bereits seit Anfang 2008 finden hier intensive Forschungen statt, die besonders in Bad Segeberg und Wittenborn zu hervorragenden Ergebnissen geführt haben.
Unmittelbar am Ortsausgang von Bad Segeberg an der B206 Richtung Lübeck untersucht Peter Schemainda M.A. einen großen Urnenfriedhof aus der Zeit des letzten Jahrhunderts vor Christi Geburt bis etwa 400 n. Chr. Trotz intensiver Beackerung haben sich die Tongefäße mit den verbrannten Knochen über die Jahrhunderte zum Teil unversehrt erhalten, nur in den oberen Schichten wurden die Gefäßoberteile durch Pflugeinwirkung beschädigt. Nach bisherigen Erkenntnissen erstreckt sich der Friedhof auf eine Fläche von über einem halben Hektar.
Die bisher flächenmäßig größte Ausgrabung liegt in Wittenborn. Dort werden zur Zeit die Reste einer eisenzeitlichen Siedlung (etwa 3.-6. Jahrhundert n. Chr.) unter der Leitung von Dr. Ingo Lütjens untersucht. Das "Dorf" besteht aus verschiedenen Langhäusern und Speicherbauten, die sich aufgrund der gleichmäßig angeordneten Verfärbungen vergangener Holzpfosten in der Grabungsfläche erschließen lassen. Dagegen geben aber auch andere Strukturen - wie ein über 700m langer Graben - Rätsel auf.
Staatssekretär Heinz Maurus besuchte Ende Juli die Grabungsstellen und überzeugte sich von dem guten Zusammenspiel zwischen Archäologen und Straßenbauern.