Georg Steindorff, einer der bedeutendsten deutschen Ägyptologen des 20. Jahrhunderts und Gelehrter von internationalem Rang, wurde 1861 als Sohn jüdischer Eltern in Dessau geboren. Sein Leben und Werk sind auf das engste mit der Universität Leipzig verbunden. Nach seinem Studium in Göttingen und Berlin und einer Anstellung am Berliner Ägyptischen Museum kam Steindorff 1893 als ao. Professor nach Leipzig, wo er mehr als 40 Jahre lang, bis zu seiner Emeritierung 1934, die Geschicke des Ägyptologischen Institutes und seiner Lehrschausammlung lenkte. 1904 erfolgte seine Berufung zum ordentlichen Professor für Ägyptologie, 1918/19 amtierte er als Dekan der Philosophischen Fakultät und 1923/24 als Rektor der Universität Leipzig.
Interesse an Randzonen des Pharaonenreiches geweckt
Neben akademischer Forschung, Lehre und Verwaltung war es die noch junge ägyptische Archäologie, in der Steindorff sich mit Verve und Erfolg engagierte. Seine Expedition zur Oase Siwa und ins unternubische Niltal im Winter 1899/1900 war eine Pionierleistung, die in der Ägyptologie nachhaltiges Interesse an jenen Randzonen des Pharaonenreiches weckte. Noch bedeutsamer für Leipzig waren Ausgrabungen, die Steindorff zwischen 1903 und 1910 auf dem Beamtenfriedhof des Alten Reiches westlich der Pyramiden von Gisa und in den zur Chefren-Pyramide gehörigen Tempeln, 1911 auf dem frühdynastischen Gräberfeld von Abusir und 1912, 1914 und 1930/31 in Aniba, einem unternubischen Verwaltungszentrum des Neuen Reiches, durchführte. Denn neben wissenschaftlichen Befunden brachten diese Grabungen kostbare Objekte altägyptischer Kunst zu Tage, aus denen sich nach und nach der heutige Bestand des Ägyptischen Museums formierte. Durch Ankauf und Tausch rundete Steindorff die bei seinem Amtsantritt noch äußerst bescheidene Sammlung im Lauf der Jahre so ab, dass sie, nun eine der größten ihrer Art in ganz Deutschland, nicht allein der Dokumentation der eigenen archäologischen Arbeit, sondern auch den Zielen universitärer Pädagogik und der Schaulust einer breiten Öffentlichkeit dienen konnte.
Steindorffs Charakter und Ansichten sind nicht das, "was man jüdisch nennt"
Ungeachtet dessen, dass Steindorff sich als Student hatte taufen lassen und dem national-konservativen Lager im Parteienspektrum des Kaiserreiches und der Weimarer Republik zuneigte, standen bereits die Anfänge seiner Leipziger Karriere unter dem im zunehmend antisemitischen Klima der Zeit erhobenen Vorbehalt seiner Abstammung: So sah sein Berliner Lehrer Adolf Erman sich genötigt, Bedenken gegen seine Berufung zum ao. Professor mit dem Hinweis zu zerstreuen, Steindorffs Charakter und Ansichten seien nicht das, "was man jüdisch nennt"! Mehr noch als der Beginn war das Ende der akademischen Laufbahn Steindorffs überschattet vom inzwischen politisch arrivierten Antisemitismus des Nazistaates. Steindorffs Emeritierung am 31. März 1934 erfolgte zwar regulär, war aber verbunden mit dem Verbot weiterer Vorlesungstätigkeit. 1937 wurde ihm die seit 1907 ausgeübte Herausgeberschaft der Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde entzogen. Am 29. März 1939 wanderte der 78jährige Georg Steindorff mit seiner Familie in die USA aus, wo er sich zwar vieler ihm in Freundschaft und Verehrung zugetaner Kollegen und eines breiten Lesepublikums, jedoch keines ausreichenden Einkommens erfreute. Durch die Hilfe jener Freunde und Kollegen gelang dem Hochbetagten ein Neuanfang als Mitarbeiter an der Walters Art Gallery in Baltimore; Publikationen und Vortragsreisen mussten das schmale Salär aufbessern. 1944 nahm Georg Steindorff die amerikanische Staatsbürgerschaft an; fast 90jährig starb er 1951 in North Hollywood.
Akt historischer Rehabilitation
Steindorff, Ordinarius eines der für die Universität Leipzig damals wie heute typischen kleinen kulturgeschichtlichen Fächer, gehört zweifellos zu den Charakteren der jüngeren Leipziger Universitätsgeschichte: In seiner Person vereinen sich internationale fachliche Reputation, Engagement in der universitären Selbstverwaltung bis zum Rektorat, ein in die Breite zielendes publizistisches Engagement für die Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse und ein fast modern anmutender Impetus (samt dem Fingerspitzengefühl) zur Einwerbung privater Mittel zugunsten der Wissenschaft. Das Ägyptologische Institut der Universität Leipzig wurde in Steindorffs 40-jähriger Amtszeit maßgeblich geprägt, und das heute weit über die Grenzen von Universität und Stadt hinaus bekannte Ägyptische Museum ist das nahezu alleinige Werk Steindorffs. Wurde die in ihrer Dauer einmalige und in ihrem Erfolg so glänzende 'Ära Steindorff' der Leipziger Ägyptologie durch die Ereignisse nach 1933 abrupt und unwürdig beendet, so stellt die am 15. Mai 2008 besiegelte Verbindung seines Namens mit dem 'seines' Ägyptologischen Institutes und Ägyptischen Museums nicht allein die Würdigung der grundlegenden Verdienste Georg Steindorff dar, sie ist zugleich ein symbolischer Akt historischer Rehabilitation dieses aus Deutschland vertriebenen Gelehrten und Leipziger Bürgers.