Obwohl der Süße See, neben dem Arendsee in der Altmark der größte natürliche See Sachsen-Anhalts, von einer reichhaltigen archäologischen Kulturlandschaft umgeben ist, befindet sich der See selbst mit dem nun begonnenen Projekt erstmals im Fokus archäologischer Forschung. Am Ostende des Süßen Sees ist eine dicht besiedelte Siedlungskammer der späten Bronze-/frühen Eisenzeit (ca. 1.000–600 v. Chr.) bekannt, während sich unmittelbar an seinem südlichen Ufer mindestens drei mittelalterliche Wüstungen (ca. 13./14. Jahrhundert) befinden. Es ist daher davon auszugehen, dass einst Hafenanlagen existierten, der See mit Wasserfahrzeugen befahren wurde, Fischfanganlagen errichtet wurden und zahlreiche kulturhistorisch wertvolle Objekte aus organischem Material (z. B. Holz, Leder) am Seeboden erhalten geblieben sind.
Die Bedingungen vor Ort und der Anspruch, den Seegrund flächendeckend zu erfassen, machen den Einsatz besonderer Methoden und Geräte erforderlich. So beträgt der Umfang des Sees 11,76 km, die Fläche damit ca. 250 ha. Den Seegrund bedecken Sedimente mit einer Stärke von teilweise mehr als 8 m. Davon sind 4 m aufgrund von Einschwemmungsprozessen in den letzten 4.000 Jahren entstanden. Die Wassertemperatur beträgt an der Oberfläche im Sommer im Höchstfall ca. 22 °C. In 7 m Tiefe ist mit Wassertemperaturen von ca. 12 °C zu rechnen. Die Sichtweite für Taucher beträgt kaum mehr als 0,5–1 m. Mit rein taucharchäologischen Methoden wäre das Projekt also nicht realisierbar.
Daher kommen bei der Erforschung des Süßen Sees hochmoderne Techniken zum Einsatz. So soll der gesamte Seegrund mit Hilfe eines autonomen Unterwasserfahrzeugs (Autonomous Underwater Vehicle – AUV) mittels Sub-Bottom Profiler, Hochleistungssonargeräten und Magnetometer untersucht werden. Mit den so gewonnenen Daten soll dann eine detaillierte Karte des Seegrundes erstellt werden. Topologische Anomalien werden durch ein schattiertes Bild des Seebodens sichtbar. Der Sub-Bottom Profiler ermöglicht es, je nach Material des Seebodens den Schichtaufbau der Sedimente sichtbar zu machen und ggf. Hinweise auf versunkene Objekte zu erkennen. Im Sediment verborgene Metalle können durch das Magnetometer erfasst werden, welches Abweichungen vom normalen Erdmagnetfeld misst. Die Erfassungsreichweite der Sensoren, besonders der Sonargeräte, beträgt bis zu 50 m auf beiden Seiten des autonomen Unterwasserfahrzeuges, das sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 2 km/h durch den See bewegt. So kann der gesamte See im Laufe von nur einer Woche datenmäßig zu erfasst werden.
Aktuell wurde etwa ein Drittel des Seegrundes auf diese Weise abgescannt. In den Daten zeigten sich dabei zahlreiche Anomalien, in denen sich Wracks versunkener Boote, Fischfanganlagen, Pfostensetzungen und Grubenstrukturen im Uferbereich sowie Uferabbruchkanten erkennen lassen. Letztere geben Hinweise darauf, dass die frühere Uferkante heute stellenweise unter Wasser liegt und in diesen Bereichen daher verstärkt unterwasserarchäologische Befunde zu erwarten sind. Die Zeitstellung der bisher angetroffenen Objekte lässt sich derzeit noch nicht bestimmen. Ihre Datierung wird eine der Fragen sein, denen sich die weitere Untersuchung widmen wird.
Das innovative Forschungsprojekt wird vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Kooperation mit der Atlas Elektronik GmbH (Bremen), dem Wasserrettungsdienst Halle (Saale) e. V., dem Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, Institutsteil Angewandte Systemtechnik (AST), Ilmenau, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und dem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Hochwasserschutz Sachsen-Anhalt. durchgeführt. Die in der gegenwärtigen Projektphase erfassten Daten werden in den kommenden Monaten ausgewertet. Sie dienen der Erstellung von detaillierten Karten des Seegrundes. Daneben bilden die Ergebnisse der diesjährigen flächendeckenden Erfassung des Süßen Sees die Grundlage für dessen weitergehende unterwasserarchäologische Untersuchung, die derzeit für Sommer 2019 geplant ist.