Inventarbücher des RGZM liefern neue Erkenntnisse zu 6.000 Jahre altem Hortfund
Dabei stellt es sich als Glücksfall heraus, dass 1939/40 Abformungen der Stücke in den Werkstätten des RGZM angefertigt wurden, die der Kunstmaler Jakob Kuhn für das Inventarbuch in liebevoller Detailarbeit festhielt. Diese Aquarelle vermitteln einen sehr guten Eindruck des ursprünglichen Aussehens der Beile und stellen die einzige zeichnerische Dokumentation des aus vier Beilen bestehenden Depotfunds von Altenstadt dar. Aufgrund dieser Dokumentation konnte PD Dr. habil. Holger Baitinger, Archäologe am RGZM, jüngst eine Neubewertung der Objekte vornehmen. Er verglich die Bilder mit weiteren Archiveinträgen und recherchierte in der Literatur, um festzustellen, dass bisher geltende Ansichten teilweise falsch waren. Mehrere Beile waren dem Hortfund irrtümlich zugeordnet worden.
Wertvoller Informationsspeicher
Die detektivische Spurensuche zum Beildepot von Altenstadt zeigt, welches Potenzial die Inventarbücher des RGZM für die heutige Forschung besitzen. Seit 2016 können die Archivalien Open access im Internet eingesehen werden und stehen damit nicht nur der Fachwissenschaft, sondern auch der breiten Öffentlichkeit für Nachforschungen zur Verfügung.
»Es darf als sicher gelten, dass sich die Recherche in den Inventarbüchern des RGZM zukünftig auch in vielen anderen Fällen als fruchtbar erweisen wird«, erläutert Baitinger. »Sind in den Büchern doch noch so viele wichtige Informationen enthalten, die es zu entdecken gilt«. Derzeit arbeitet das RGZM an der Verschlagwortung der Datensätze. Nach Abschluss dieser Arbeiten soll es jedem möglich sein, in den seit den 1850er Jahren geführten Inventarbüchern gezielt nach Schlagworten zu recherchieren.
Seine Erkenntnisse zu dem Altenstädter Hortfund hat Baitinger in einem Artikel in der frisch erschienenen Ausgabe der Fachzeitschrift »Archäologisches Korrespondenzblatt« veröffentlicht. Der komplette Artikel ist frei zugänglich abrufbar auf der Webseite des RGZM.
Mit Netz und doppeltem Boden: Kopien archäologischer Funde und Inventarbücher des RGZM sichern archäologische Fakten seit 166 Jahren
Das 1852 durch den Gesamtverein der Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine gegründete RGZM verfolgte von Anfang an den Zweck, die »möglichst vollständige […] Vereinigung von Vergleichsmitteln alterthümlicher Gegenstände der germanischen und römischen Periode durch Zeichnung oder plastische Nachbildung zum Studium des klassischen Alterthums und der Urgeschichte« zu erreichen. So steht es schon in den provisorischen Statuten des »Centralmuseums« aus dem Jahr 1853.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs konnten insgesamt 36552 Nachbildungen wichtiger Funde und Fundkomplexe aus Deutschland und aus dem Ausland hergestellt werden, die vom Aufbau einer kaum minder bedeutenden Sammlung an Originalen begleitet wurden. In einer vordigitalen Welt erlaubten sie in einmaliger Art und Weise die vergleichende Betrachtung wichtiger archäologischer Objekte, deren Autopsie ansonsten ausgedehnte, zeitaufwendige und teure Museumsreisen erfordert hätte.
Die Dokumentation von Objekten, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Mainz abgeformt wurden, ist bei der Analyse älterer Fundkomplexe von unschätzbarem Wert, vor allem wenn die Originale durch Kriegsereignisse beschädigt wurden oder gar verloren gegangen sind. Bereits 1927 hat der ehemalige Erste Direktor des RGZM, Karl Schumacher, anlässlich der 75-Jahr-Feier des Instituts in fast prophetischer Weise über das RGZM-Inventar und das Anfertigen von Kopien das Folgende geschrieben: »Es besitzt für alle Zeiten großen dokumentarischen Wert, wenn den Gegenständen selbst ein Unglück passieren sollte« – ein Satz, der sich nur eineinhalb Jahrzehnte später auf traurige Weise bestätigen sollte. Denn 1942 fiel eine Brandbombe in die Abgusssammlung der vorgeschichtlichen Objekte im Kurfürstlichen Schloss und zerstörte dabei rund die Hälfte der Sammlung.
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