Projekt "CuTAWAY" untersucht archäologische Holzfunde mit DendroCT-Verfahren
Hierfür werden acht steinzeitliche Radfunde aus der Region der Alpenländer untersucht, darunter eines der ältesten Holzräder aus dem Laibacher Moor in Slowenien sowie über achtzig weitere konservierte Holzproben aus der Referenzsammlung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie (RGZM) in Mainz. Das DendroCT-Verfahren wird derzeit gemeinsam mit Physikern und Ingenieuren an der Hochschule Luzern (HSLU) und Dendrochronologen aus dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart umgesetzt.
Erstmals wurden die ältesten Holzräder aus dem Alpengebiet mit der Computertomographie untersucht mit dem Ziel diese wertvollen Funde direkt zu datieren. "Das DendroCT-Verfahren macht das Innere von Objekten sichtbar und ermöglicht uns, die gesuchten Strukturen zerstörungsfrei zu vermessen. Diese Daten sind die Grundlage für eine präzise Altersbestimmung", so die Projektleiterin und Spezialistin für die Konservierung von archäologisch-organischen Objekten Dr. Ingrid Stelzner (RGZM). Prof. Dr. Philipp Schütz, Physiker an der Hochschule Luzern (HSLU) ist für die Umsetzung der DendroCT-Methode verantwortlich und ergänzt: "Wir können nun mit der DendroCT-Methode problemlos die archäologischen Holzfunde auch im Inneren untersuchen. Dies geschieht ohne in die Substanz einzugreifen und das Objekt zu verändern oder zu zerstören."
Die Idee der zerstörungsfreien Datierung von archäologischen Hölzern mittels CT wurde seit den 1990ger Jahren verfolgt und hat mir der technischen Verfeinerung des Verfahrens eine neue Qualität erreicht. Mittels medizinischer CT war die Erfassung von feinen Jahrringen, durch deren Auswertung das Alter der Holzobjekte nachvollzogen werden kann, nicht möglich. Erst durch die Weiterentwicklung im Bereich der industriellen CT-Verfahren können diese Jahrringe sichtbar gemacht und ausgewertet werden.
Erste Untersuchungen innerhalb des Projekts "CuTAWAY" mit dem DendroCT-Verfahren zeigen aber auch, dass bisher angewendete Konservierungsverfahren den Zerfall der archäologischen Nassholzfunde zwar aufhalten, die Holzstruktur jedoch verändern können, was je nach Holzart die Sichtbarkeit der Ringe in den CT-Daten erschweren bis unmöglich machen kann. Projektleiterin Stelzner bestätigt: "Bei einigen der untersuchten Räder sind Detailinformationen von der Holzstruktur durch die Anwendung vergangener konservatorischer Verfahren nicht mehr erkennbar, so bleiben uns die benötigten Informationen bisher noch teilweise verborgen."
Um das Alter von Hölzern präzise zu bestimmen, werden als Datierungsmethode üblicherweise die Jahrringbreiten gemessen. Dieses Verfahren, auch Dendrochronologie genannt, wird in der Feuchtbodenarchäologie als Standardverfahren eingesetzt: Mit einer entsprechenden Anzahl von Proben einer Holzart können durch Überlappung der Jahrringe Chronologien über einen großen Zeitraum erstellt werden. Solche Jahrringkalender werden nach Holzarten getrennt für bestimmte Verbreitungsgebiete erstellt. Durch die Messung der Jahrringbreiten einzelner Objekte und die erfolgreiche Zuordnung der Jahrringkurven zu diesen Kalendern ist es möglich, Objekte zu datieren. Liegen genug Jahrringe vor, kann das Alter der Funde halbjahrgenau bestimmt werden. Um an die relevanten Informationen zu kommen, müssten die Objekte jedoch zersägt werden. Dieses Verfahren ist deshalb für die seltenen und erhaltungswürdigen archäologischen Objekte nicht geeignet. Daher setzt das Forscherteam auf das weiterentwickelte DendroCT-Verfahren, das spezifischere Untersuchungen gewährt. Bisherige Ergebnisse bestätigen zweifelsfrei den Erfolg der Methode: "Bisher konnten wir alle untersuchten Eichenproben erfolgreich datieren, obwohl sie mit dem Konservierungsmittel durchtränkt waren", bestätigt Dr. Oliver Nelle, Leiter des Dendrochronologischen Labors im Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Grenzen der Methode sehen die Forscher bei mangelndem Kontrast und Auflösung der Datensätze. "Das ist wiederum abhängig vom gewählten Konservierungsverfahren, der Holzart, dem Abbaugrad und der Größe der Objekte“, so Stelzner.
"Für uns ist das alles sehr spannend, denn wir erkennen zum ersten Mal in größerem Umfang die Erfolge der bisher angewandten Konservierungsverfahren in der Holzstruktur von archäologischen Funden. Wir sehen Risse und kollabierte Bereiche oder Veränderungen in den Dimensionen der Proben, die wir detailliert auswerten. Unser langfristiges Ziel ist es, die jeweiligen Verfahren entsprechend zu optimieren. Ein weiterer großer Nutzen der zerstörungsfreien CT ist, dass wir durch diesen exklusiven Einblick sofort eventuelle Schäden erkennen und entsprechend präventive Maßnahmen für die Bewahrung der jeweiligen Objekte ergreifen können. Anhand dieser gewonnenen Erkenntnisse ist es möglich, unser Kulturgut für die künftigen Generationen langfristig zu erhalten und die Konservierungswissenschaften weiterzuentwickeln", fasst Ingrid Stelzner zusammen.
Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Schweizerischen Nationalfonds gefördert. Leihgeber und Partner des Projekts sind das Archäologische Landesmuseum Baden-Württemberg, die Baudirektion Archäologie und Denkmalpflege des Kantons Zürich und das Stadtmuseum Ljubljana in Slowenien. Die Ergebnisse zu den Untersuchungen der steinzeitlichen Radfunde werden Anfang 2023 erwartet, die Auswertungen sollen in einer Publikation veröffentlicht werden.