Erste Untersuchungen und Datierung
Nicht gleich war klar, dass es sich bei dem Fund der Taucherinnen, die für den Naturschutzbund des Kreises Soest unter Wasser gingen, um eine archäologische Entdeckung handelte.
»Nach der Meldung an den LWL wurden Holzreste, die Peter Ferlemann und Luise Hauswirth vom Wrack mit an die Oberfläche gebracht hatten, untersucht«, sagt Prof. Michael Baales, Leiter der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie. Die erste Altersbestimmung des Holzes im Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim ergab, dass es aus dem 11. oder 12. Jahrhundert, also aus dem Hochmittelalter stammt.
Es handelt sich bei dem Wrack um den ältesten Fund eines aus Planken und Spanten gebauten Boots aus der westfälischen Lippe.
Aus dem Rheinland sind zwar Funde aus römischer Zeit bekannt, und in der westfälischen Lippe wurden mehrere Einbäume, ähnlich wie ein Kanu gefertigt aus einem ausgehöhlten Baumstamm, und ein weiteres Plankenboot entdeckt. Dieser Fund stammt allerdings aus der frühen Neuzeit.
Zweiter Tauchgang
Anfang 2020 wurde ein zweiter Tauchgang durchgeführt, wieder mithilfe der beiden Entdecker. Luise Hauswirth ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Naturschutz im Kreis Soest, Peter Ferlemann begleite sie ehrenamtlich.
Die beiden Hobbytaucherinnen stellten schnell fest, dass die Lage des Wracks sich seit dem letzten Besuch deutlich verändert hatte. Ein Spant, der inzwischen von der Strömung völlig freigelegt worden war, wurde für weitere Untersuchungen mit an Land gebracht.
»Wir wollten die Datierung des Wracks präzisieren, daher baten wir Dr. Thomas Frank und sein Team im Labor für Dendroarchäologie der Universität zu Köln um Hilfe«, erklärt Baales.
Das Ergebnis: Die Experten konnten die Zeit, zu der die Bäume für den Bau des Bootes gefällt wurden, bis auf wenige Jahre eingrenzen: 1146 bis 1156 n. Chr..
Unterwasserarchäologie in der Lippe
Die LWL-Archäologinnen holten weitere Experten für Unterwasserarchäologie aus Südwestdeutschland ins Boot. »Das Team um Dr. Martin Mainberger untersucht das Wrack jetzt für uns«, so Baales. Mainberger und sein Team werden in der Lippe besondere Film- und Bildaufnahmen des Wracks erstellen, die es im besten Fall erlauben, ein 3D-Modell des Boots zu erstellen. Ob dies gelingt, hängt jedoch von den äußeren Bedingungen für die Taucher ab, etwa Sichtweite und Wasserstand.
Dieses Modell soll den Fachleuten Aufschluss darüber geben, in welchem Zustand sich das mittelalterliche Wasserfahrzeug befindet und vielleicht auch darüber, um welchen Bootstyp es sich handelt. Ob das Wrack durch die Strömung gefährdet ist und ob es geborgen werden muss, um es zu erhalten, sind weitere Fragen. Denn, das Areal soll, wie andere Bereiche der Lippe, demnächst renaturiert werden.
»Eine Bergung wäre nicht nur ein großer finanzieller Aufwand«, sagt Baales. »Zudem müsste man sich Gedanken über eine sachgerechte Einlagerung oder eine museale Präsentation machen.« Die Fachleute wollen zunächst die aktuell laufenden Untersuchungen abwarten.
Erste Ergebnisse gibt es aber bereits: Das Boot aus dicken Eichenbohlen ist sehr lang, wobei der Bootstyp noch nicht abschließend geklärt ist. Zu erkennen war allerdings, dass es eine relativ hohe Bordwand hatte. Zudem liegen in dem Bereich des Bootes weitere Holzteile die zeigen, dass die heute noch erhaltenen Teile akut von Zerstörung bedroht sind.