Aus der Zeit der Neandertaler: Landesmuseum erhält private Schenkung von regionalen Funden
Obwohl die Weser-Ems-Region während der letzten Eiszeit eisfrei war, fehlten lange die Nachweise, dass Neandertaler hier lebten. Bisher befanden sich erst drei Steingeräte der mittleren Altsteinzeit in der Sammlung des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg. Mit der Schenkung einer Privatsammlung erhält das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg nun zusätzlich rund 300 bedeutende paläontologische und archäologische Funde aus dieser Zeit. Die betreffenden Objekte wurden in einem Zeitraum von 10 Jahren in einer Sandgrube bei Gildehaus in der Grafschaft Bad Bentheim aufgesammelt. Neben den Steinwerkzeugen des Neandertalers sind Knochen von Höhlenlöwe und Wassermaulwurf die Highlights der Sammlung.
Finder ist Dick Schlüter aus Enschede, ehemaliger Direktor des Naturhistorischen Museums »Natura Docet« in Denekamp. Schlüter ist seit seiner Jugend leidenschaftlicher Fossiliensammler, der gemeinsam mit Jan van de Steeg aus Losser in den Niederlanden von 1997 bis 2007 zahlreiche Artefakte aus der Zeit des sogenannten Mittelpaläolithikums sammelte. Bei wiederholten Begehungen suchte er in diesem Zeitraum gezielt die aus 15 m Tiefe kommenden Spülfelder der Sandgrube ab.
Den Kontakt zwischen Sammler und Museum stellte Dr. Jana Esther Fries, Archäologin am Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege, Regionalreferat Oldenburg, her, wo alle Funde der Weser-Ems-Region zentral erfasst werden. Die beiden Sammler hatten in den vergangenen Jahren einige der Fundstücke der Denkmalpflege vorgestellt. Zur zeitlichen Einordnung wurden durch die Sammler Radiokarbon-Datierungen (C14-Datierung) an ausgewählten Funden angestoßen und die Ergebnisse publiziert. Mit der Aufnahme in die Sammlung des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg ist jetzt gesichert, dass diese wertvolle Privatsammlung auch zukünftigen Generationen von Forscher:innen zur Verfügung steht.
Bei den archäologischen Funden handelt es sich um Steinartefakte aus baltischem Geschiebefeuerstein wie bei der Werkzeugherstellung entstehende Abschläge aber auch Werkzeuge wie Schaber und Keilmesser. Sie sind nachweislich etwa 44.000 bis 42.000 Jahre alt und stammen vom damals lebenden Neandertaler. Das Fundmaterial gehört damit in die Endphase des Mittelpaläolithikums, die von den sogenannten Keilmessergruppen geprägt war. Diese Phase endete mit Beginn des Jungpaläolithikums um 35.000 vor unserer Zeitrechnung. Hier löste der heutige Mensch den Neandertaler als dominierende Spezies ab.
Neben den Werkzeugen enthält die gut dokumentierte Sammlung tierische Überreste wie Knochen, Knorpel und Zähne von zahlreichen Tierarten, die zur gleichen Zeit im Bentheimer Raum gelebt haben. Darunter sind Überreste von verschiedenen Fischarten, Vögeln sowie Knochen oder Zähne von Säugetieren zum Teil längst ausgestorbener Tierarten: beispielsweise große Knochenfragmente vom Steppenwisent, dem Wollhaarnashorn, ein Brustwirbel und Stoßzahn des Wollhaarmammuts. Bisher einmalige Funde für die nordwestdeutsche Region und damit auch Highlights der Sammlung sind Knochen vom Höhlenlöwen oder ein Kieferknochen des Wassermaulwurfs.
Weiterhin befinden sich unter den Funden eine Mammutrippe und ein Rentiergeweihfragment, die Bearbeitungsspuren aufweisen. Bisher waren nur im östlichen Niedersachen Fundplätze bekannt, an denen Werkzeuge der altsteinzeitlichen Jäger- und Sammlerpopulationen und die Knochen potenzieller Beutetiere gemeinsam gefunden wurden. Mit diesen Funden lassen sich das Leben der Neandertaler und ihrer tierischen Zeitgenossen am Westrand Niedersachsens nun erstmals näher erforschen.
In einem ersten Schritt werden nun zunächst alle Funde inventarisiert und digitalisiert. Einige der besonderen Funde präsentiert das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg bis zum 28. April in der Dauerausstellung.
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