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ForschungskrimiDie Geschichte der Ausgrabung
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    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
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Neue Knochenstücke des Neandertalers
dpa Kein brüllender Wilder: Die Neandertaler kannten eine einfache Sprache. Indiz dafür ist unter anderem ein Zungenbein aus der Kebara-Höhle in Israel (oben, Mitte). Zwischen Unterkiefer und Kehlkopf gelegen, stützt der Knochen die Zunge bei der Bildung von Wörtern

Es ist nicht leicht, sich jenseits der Stereotypen, tradierten Irrtümer und deren Gegenströmungen diesem Menschen der Steinzeit zu nähern.

Das beginnt schon an der Fundstelle. Vom Neanderthal-Museum weisen Schilder den Weg dahin, doch die Kleine Feldhofer Grotte, welche die Reste des berühmtesten Deutschen beherbergte, ist verschwunden — was wie ein Symbol wirkt.

Der Kalkstein um die Höhle wurde abgetragen wie das restliche Tal — er diente als Beigabe zur Eisenverhüttung. Bis vor wenigen Jahren erstreckte sich ein Schrottplatz um den Fundbereich. Heute ist die Zone geschützt, 20 Meter unter dem einstigen Grottenboden steht eine Betonliege, von der aus man hinaufgucken kann in den freien Raum, um sich vorzustellen, wie der Neandertaler einst existierte.

Dieses Europa war ganz anders, als wir es heute kennen. Der Norden war zumeist von Gletschern bedeckt, in den südlicheren Zonen breiteten sich Steppen aus. Etwa 90 Prozent der Zeit war es kälter als heute, was einem Klima entspricht, wie es im „nördlichen Westsibirien“ (Weniger) herrscht.

Erste Urmenschen waren vor zwei Millionen Jahren aus Afrika nach Europa gekommen. Eine zweite Welle setzen die Forscher bei etwa einer Million Jahre an. Diese Hominiden konnten sich offenbar festsetzen, wie Relikte in Spanien, Thüringen und des auf 600000 bis 300000 Jahre datierten Heidelberger Menschen zeigen. Aus diesem Vorläufer entstand, modelliert von den darwinschen Prinzipien von Mutation und Selektion, erst- und einmalig in der Erdgeschichte ein europäischer Urmensch, der Homo neanderthalensis.



Die Ausgräber entdeckten Fossilien, die sich etwa 200 Individuen zuweisen lassen — nicht mehr. Es waren Menschen von kräftiger Statur, mit starken Muskeln, großem Brustkorb, einem kurzen Hals, breiten Schultern, großer Nase, länglichem Gesicht und zupackenden Händen. Die letzte Spur des Ureuropäers verliert sich erst vor etwa 30000 Jahren. Er und seine direkten Vorgänger behaupteten sich auf dem Globus damit um ein Vielfaches länger als wir bislang, die afrikanischen Eindringlinge der Art Homo sapiens.

Einiges spricht dafür, dass der Neandertaler hellhäutig war — wie es die im Jubiläumsjahr 2006 fast inflationär gebastelten Rekonstruktionen meist illustrieren. Während sich Menschen im Süden biologisch vor einem Zuviel an Sonne schützen, indem sie verstärkt den dunklen Hautfarbstoff Melanin bilden, fördert die Evolution in den nördlichen Breiten ein geringes Niveau an Pigmenten. Hier wiederum drohen Erkrankungen, wenn Sonnenlicht nur spärlich in den Körper gelangt.

Schwieriger wird es bei den Haaren. Max-Planck-Forscher Hublin: „Die Modelle tragen oft die flauschige Wolle des modernen Menschen, doch es ist unwahrscheinlich, dass die europäischen Neandertaler die entsprechende Mutation besessen haben, denn sie entstand vor 200000 Jahren in Afrika.“ Ein drahtiger, aber blonder Schopf des urzeitlichen Nordmenschen wäre die Folge. „Die Rekonstruktionen sind zwar ein lohnendes Business, aber sie sind nicht gültiger als vor 150 Jahren“, lautet Hublins Fazit. „Die Neandertaler waren Menschen, aber gleichzeitig waren sie anders als wir.“
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