Außenminister Steinmeier betonte in seiner Ansprache "die Projekte, die wir mit der Initiative 'Stunde Null' fördern, sind komplex und vielschichtig. So vielschichtig und komplex, mag manch einer sagen, wie die Herausforderungen, die mit dem Wiederaufbau Syriens einhergehen werden!"
Die Zerstörung des kulturellen Erbes in Syrien und im Irak durch den sogenannten Islamischen Staat schafft übermächtige, eigens medial inszenierte Bilder beispielsweise von der Sprengung der Tempel in Palmyra. Dabei gerät mitunter aus dem Blick, dass seit 2011 syrische Städte und große Teile des kulturellen Erbes zerstört werden, die zum Lebensalltag der Menschen gehören. Aus dem Blick gerät manchmal auch die Frage, wie Syrien nach dem Ende der Krise als Lebensraum für Menschen wiederaufgebaut werden kann.
Das Deutsche Archäologische Institut als eine der größten archäologischen Forschungseinrichtungen weltweit initiierte das Projekt "Stunde Null", um für diese Herausforderung Kompetenzen zu bündeln und Synergieeffekte zu schaffen. Die Präsidentin des DAI, Prof. Dr. Friederike Fless, beschrieb in ihrer Rede die Ziele des Netzwerkes: "Wir verfügen in Deutschland über große Kompetenzen auf diesem Feld. Aufgrund föderaler Strukturen sind diese in zentralen Bereichen jedoch auf die Bundesländer bezogen. Andere Einrichtungen haben einen explizit auf Deutschland bezogenen Auftrag. Diese Kompetenzen auch für die konkrete Arbeit im Ausland sichtbar und einsetzbar zu machen, ist ein Ziel des Archaeological Heritage Network. Ein anderes besteht darin, hiervon wiederum zu lernen und das eigene Handeln in globaler Spiegelung zu reflektieren."
Die Tempel von Palmyra sind bedeutende Stätten des kulturellen Erbes in Syrien. Doch beim Wiederaufbaus Syriens müssen andere Maßnahmen des Kulturerhalts Priorität haben. Höchste Eile ist geboten, wenn es darum geht, syrische Städte mit ihren antiken Denkmälern und historischen Stadtkernen zu retten und zu erhalten, nachdem bereits jetzt internationale Investoren mit Bulldozern Schutt und Bausubstanz weggeschoben und ganze Stadtareale aufgekauft haben.
Es kann also nicht primär um die Frage gehen, wie man die Tempel von Palmyra rekonstruiert, sondern vielmehr darum, wie man zum Beispiel mit dem bereits 2012 zerstörten Basar von Aleppo, ebenfalls einem UNESCO-Welterbe, verfahren will. Soll die Altstadt von Aleppo in ihrer Struktur erhalten und teilweise wieder aufgebaut werden oder will man sie als Schutthalde schließlich vergessen? Syrische Experten werden gemeinsam mit deutschen Kollegen daran arbeiten, archäologische Analysen am Basar von Aleppo sowie eine stadtplanerische Bestandsaufnahme durchzuführen, um zielführende Planungsprozesse gestalten und schließlich durchführen zu können.
Im Mittelpunkt des Projekts "Stunde Null" steht die Weiterbildung syrischer Architekten, Archäologen, Denkmalpfleger, Bauforscher, Stadtplaner und vor allem Handwerker. Ein großer Teil der Aus- und Weiterbildung findet in den Nachbarländern Syriens statt, die Flüchtlinge aufgenommen haben. Für Hochschulabsolventen stehen darüber hinaus Stipendien für Masterstudiengänge in Baudenkmalpflege an der Helwan University in Kairo und an der German Jordanian University in Amman zur Verfügung. In Ergänzung dazu werden lokale Kräfte bei Arbeiten zum Erhalt bedeutender Denkmäler im Libanon, in Jordanien, im Irak und in der Türkei professionell geschult und zu Fachkräften weitergebildet.
So vereint das Projekt humanitäre Hilfe, indem es Arbeitsplätze schafft und Perspektiven durch Ausbildung eröffnet – nicht in abstrakten Lehreinheiten, sondern in konkreter Planung und Anwendung beim Wiederaufbau und damit Erhalt bedeutender Denkmäler in der Region.
Das Netzwerk und das Projekt werden vom Auswärtigen Amt unterstützt. Sondermittel "Flucht und Migration" des Auswärtigen Amts tragen dazu bei, das Projekt in den nächsten Jahren umzusetzen. Die Gerda Henkel-Stiftung fördert zahlreiche Stipendien und Projekte im Kontext des Projektes "Die Stunde Null".
Die Präsidentin des DAI dankte während der Veranstaltung dem Bundesminister des Auswärtigen ebenso wie den Mitgliedern des Deutschen Bundestages für ihr persönliches Engagement und ihre Entscheidungen, die eine Finanzierung und Umsetzung des Projekte "Die Stunde Null" überhaupt erst möglich machen.
Das Archaeological Heritage Network
Deutschland verfügt über eine Fülle von Kompetenzen im Bereich des Kulturerhalts. An Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Museen, in nationalen und internationalen Verbänden und besonders auch im Bereich der Landesarchäologie und Landesdenkmalpflege. Ein Ziel des Netzwerkes besteht darin, diese Kompetenzen für die konkrete Arbeit im Ausland sichtbar und einsetzbar zu machen. Ein zweites Ziel besteht darin, hiervon wiederum zu lernen und das eigene Handeln in globaler Spiegelung zu reflektieren.
"Die Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise" ist das erste gemeinsame Projekt des Netzwerkes. Die Mitglieder wollen ihre Zusammenarbeit jedoch nicht auf dieses Thema beschränken, sondern zukünftig weitere Projekte initiieren. Das Netzwerk ist daher auch als erweiterbares Netzwerk gedacht.
Die Präsidentin der Deutschen UNESCO Kommission, Prof. Verena Metze-Mangold und Gründungsmitglieder des Netzwerkes sind:
- Baudenkmalausschuss des Deutschen Archäologischen Institut
- Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
- Deutsche Stiftung Denkmalschutz
- Deutsche UNESCO-Kommission
- Deutscher Akademischer Austauschdienst
- Deutsches Archäologisches Institut
- Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz
- Deutsches Nationalkomitee von ICOMOS
- Gerda Henkel Stiftung
- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
- Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
- Koldewey-Gesellschaft (Vereinigung für baugeschichtliche Forschung e. V.)
- Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
- Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz
- Stiftung Preußischer Kulturbesitz
- Verband der Landesarchäologen
- Verein der "Freunde der Altstadt von Aleppo"
- Vereinigung der Landesdenkmalpfleger