Prachtvolle Romanik und Bauernkriegsfuror im untergegangenen Kloster Kaltenborn bei Allstedt
Das Augustinerchorherrenstift Kaltenborn bei Emseloh (Ortsteil von Allstedt, Landkreis Mansfeld-Südharz) war 1118 gegründet worden. Stifter waren der sächsisch-thüringische Graf Wichmann und seine Gemahlin Kunigunde, die Tochter des berühmten Ludowingers Ludwig des Springers. Vom Hochadel begünstigt und mit Schenkungen reich bedacht, entwickelte sich Kaltenborn zu einem der wohlhabendsten Klöster der Region, das großen Einfluss besaß und hohes Ansehen genoss.
Der Wohlstand und die Macht des Klosters sowie seine energische Abgabenerhebung erweckten aber auch Unmut in der betroffenen Bevölkerung – schon im mittleren 15. Jahrhundert ist die Verweigerung von Leistungen durch Kaltenborner Untertanen überliefert. Als der Bauernkrieg in Mitteldeutschland ausbrach, traf das Augustinerkloster der aufgestaute Groll der Unterdrückten: Im April 1525 wurde es von Aufständischen aus den nahen Dörfern Riestedt und Emseloh geplündert und verwüstet. Viele Konventualen flohen und kehrten nicht zurück. Davon erholte sich das Stift bis zu seiner Aufhebung im Jahre 1538 nicht mehr. Später trug man Kirche, Klausur und sämtliche anderen Baulichkeiten so gründlich ab, dass heute lediglich geringe Trümmerreste in einem Waldstück südwestlich Emselohs an die einstmals prächtige Abtei erinnern.
Aktuelle geophysikalische Untersuchungen, Detektorsurveys und Ausgrabungen unter Leitung von Prof. Dr. Felix Biermann (LDA) erbrachten nun überraschend reiche Relikte des Stifts an dem heute unscheinbaren Ort. Unter gewaltigen Schuttmassen haben sich die Mauern der Klosterkirche teilweise bis in zwei Meter Höhe erhalten. Die stattliche dreischiffige Basilika mit Querhaus, rechteckiger Hauptapsis und halbrunden Nebenapsiden war in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in romanischen Formen errichtet und später gotisch ausgebaut worden. Im Süden schlossen die Klausurgebäude um den Kreuzhof an. Dazu gehörte eine große, ummauerte, etwa rechteckige Hofanlage von bis zu 230 Meter Durchmesser, in der sich diverse Wirtschafts- und Nebengebäude befanden. Besonders beeindruckend sind die romanischen Architektur- und Zierelemente der Kirche, zu denen prächtige Säulenbasen, Gewändesteine mit floralen Motiven und Rundbogenfriese gehören – letztere mit engen Parallelen an der bis heute erhaltenen Ulrichskirche im nahen Sangerhausen, einem der Hauptwerke der Romanik in Sachsen-Anhalt.
Während diese architektonischen Relikte die stolze Frühzeit des Stifts beleuchten und reiche Kleinfunde – Münzen, Buchbeschläge, Gürtelschnallen, Schmuckstücke, eine Waage, Siegelringe, Schreibgriffel und ähnliches – seine Blütezeit, so künden andere Zeugnisse vom letztendlichen Untergang. Zahlreiche Fragmente von Ofenkacheln des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, darunter bunt glasierte mit figürlichen und floralen Dekoren, belegen Lebenskomfort und sogar Luxus, der einer klösterlichen Gemeinschaft nicht gut zu Gesichte stand. In solchen Funden manifestiert sich eine Auflösung althergebrachter mönchischer Disziplin und Askese, die mit erklärt, warum die Klöster der Reformation nur noch geringen Widerstand entgegenzusetzen vermochten. Vom Furor der aufständischen Bauern stammen Brand- und Trümmerschichten mit zerschlagenen Keramikgefäßen, Glasscherben von Fenstern, Kacheln und in Feuersglut zerschmolzenen Metallsachen als Resultat massiver Zerstörungen.