Was lange währt
»Ich weiß noch, dass ich gesagt habe: Das will ich haben«, erinnert sich Dr. Susanne Jülich. Die stellvertretende Museumsleiterin und Kuratorin der Herner Dauerausstellung besuchte vor rund zehn Jahren eine Messe für Ausstellungstechnik und ein Stand weckte ihre Aufmerksamkeit: »Mit staunenden Augen sah ich dort in eine Vitrine, die mir kurz, knapp und wunderschön zeigte, wie ein Fisch zu einem Fossil wird«, erinnert sie sich an ihre erste Begegnung mit der Technik holografischer Animation.
In der Herner Dauerausstellung gibt es viele Stücke, die optisch sehr unscheinbar daher kommen und daher nicht so häufig das besondere Interesse der Besuchenden auf sich ziehen. Spannend sind diese Stücke dennoch, da sie aufgrund ihrer Herstellungstechnik, des Arbeits- oder Materialaufwandes besonders wertvoll sind. Das wissen aber häufig nur die Fachleute, und wer die Ausstellung ohne fachkundige Führung besucht, verpasst so manchen Höhepunkt unbemerkt. Wie kann dieses Wissen außerhalb einer Führung vermittelt werden? Jülich: »Es gibt eine bessere Lösung, als große Texttafeln mit komplizierten Schaubildern. Wer will schon seitenlange Erklärungen lesen, wie eine frühmittelalterliche Fibel hergestellt oder ein Faustkeil geschlagen wird?« Mit der Technik scheinbarer Holografie, die eigentlich auf einem alten Theatertrick beruht, können komplizierte Sachverhalte nicht nur sehr ästhetisch, sondern auch lebendig und leicht verständlich vermittelt werden und erreichen Besuchende auf einer völlig anderen Ebene.
Mit den ersten Detailplanungen wurden zwei Dinge klar. Erstens: Da es mehr als eine Holo-Vitrine werden sollte, machte die ersten Kostenschätzungen deutlich, dass die Planungen über Jahre gestrecken werden müssen. Zweitens: Es mussten besondere Vitirnen sein, in die die Animationen eingebracht werden. Denn sie sollten sich optisch in das Konzept der Dauerausstellung einfügen, die sich als Grabungslandschaft präsentiert. Eine lehrreiche Zeit für das Museumsteam und für die externen Partner begann.
Die sukzessive Entwicklung der Vitrinenkörper und der Animationen ermöglichte eine Weiterentwicklung des gesamten Abreitsprozesses, die Drehbücher wurden präziser und verständlicher - digitale »Künstler« und Archäologinnen schufen eine gemeinsame Verständigungsebene.
Viele Personen außerhalb des Museums haben die Entwicklung der Vitrinen unterstützt, um Detailfragen zu klären, Sachverhalte wirklich konkret zu formulieren und Unsicherheiten auszuräumen. Restaurator:innen haben Objekte untersucht, um mit großer Sicherheit zu bestimmen, wie sie hergestellt worden sind. Fachleute zu verschiedenen Materialien haben Informationen eingeholt und Skripte korrigiert.
»Wir wissen nun, aus wie vielen Stücken die frühmittelalterliche Fibel von Soest zusammengesetzt ist und welcher Kleber wahrscheinlich bei ihrer Herstellung zum Einsatz kam. Der Ablauf der Produktion des venezianischen Glases aus Gronau ist geklärt, und Vieles mehr«, so Jülich.
Das Ergebnis der gemeinsamen Mühen über fast zehn Jahre sind fünf Vitrinen in fünf verschiedenen Zeitzonen der Dauerausstellung zu fünf verschiedenen Form- und Materialgruppen: der steinerne Faustkeil aus der Altsteinzeit, der bronzene Wendelhalsring aus der Eisenzeit, die römische Tonlampe, die goldene Fibel aus dem frühen Mittelalter und das venezianische Glas vom Beginn der Frühen Neuzeit. Sie erzählen vom großen Können längst verstorbener Handwerker. Für die Betrachter:innen in der Ausstellung sind die Vitrinen absolute Hingucker, stellte das Team bereits nach dem Aufstellen der ersten fertigen Vitrine vor etwa fünf Jahren fest. Neben den Objekten schweben die scheinbar dreidimensionalen Werkzeuge und stellen aus einem Stein einen Faustkeil her oder aus einem Klumpen Ton eine römische Lampe. So erfahren die Besucher:innen, was die Fachleute inzwischen über die verschiendenen Techniken wissen, welchen Aufwand ein bestimmtes Herstellungsverfahren mit sich brachte und welchen Wert manches auch kleine Objekt dadurch noch heute repräsentiert.