»Es ist ein außergewöhnliches Objekt in unserer Sammlung«, betont Dr. Jennifer Morscheiser, die neue Leiterin des Museums Burg Linn. Die archäologische Abteilung des Hauses hat ihren Schwerpunkt aufgrund der umfangreichen Funde in Krefeld-Gellep in der Römer- und Frankenzeit. Der griechische Helm bildet ein Einzelobjekt innerhalb der Sammlung. Im Rahmen seiner Untersuchung recherchierte Schletter, dass der Helm durch den ehemaligen Direktor des Museums, Albert Steeger, ins Haus gelangte. Steeger kaufte diesen offenbar im Jahr 1956 für 600 D-Mark im Kunsthandel in Köln. Was Steeger mit dem Helm letztlich beabsichtigte, bleibt ein ungelöstes Rätsel. »Er hat ihn niemals in ein Museumskonzept eingebunden«, so Schletter. Kurz nach dem Ankauf verstarb Steeger, der Helm kam ins Depot und geriet aus dem Blickfeld. Bis Schletter, der erst seit einem Jahr am Museum in Krefeld arbeitet, aufgrund seines Fachwissens erkannte, was für einen Schatz er dort vor sich hatte. Die aufgebogenen Wangenschirme ließen ihn sofort vermuten, dass der Helm aus den Heiligtümern von Olympia oder Delphi kommen könnte. Durch die Aufweitung sollte sichergestellt werden, dass die Helme nicht anderweitig wiederverwendet wurden.
Dieser in Krefeld wiederentdeckte Helmtyp trat zuerst um 700 vor Christus auf und entwickelte sich in der Folge rasch zum beliebtesten Helm der griechischen schwerbewaffneten Infanterie. Korinthische Helme mit einer ausgetriebenen Buschbahn, wie das Krefelder Exemplar sie besitzt, sind jedoch als Fundstücke ausgesprochen selten. »Mit der Buschbahn aus Pferdehaar wirkten die Krieger deutlich größer«, erklärt Schletter. Die Herstellung eines solchen Helmes erforderte ein sehr hohes Maß an technischen Kenntnissen und handwerklichen Fähigkeiten. Die Helme wurden mit wenigen Ausnahmen durch Ausschmieden eines einzigen dicken runden Bronzeblechs hergestellt. »Alle Helme waren Maßanfertigungen. Sie besaßen einen hohen Wert und wurden auch vererbt«, betont Schletter. Dank der umfassenden Schutzwirkung des Helms durch weit in das Gesichtsfeld reichende Wangenschirme und einen entsprechenden Nasenschirm erwies er sich als der am besten geeignete Helm, um in der dichtgedrängten Schlachtreihe, der Phalanx, zu kämpfen. Diese neue Art des Kämpfens sollte einen Erfolg der griechischen Stadtstaaten ausmachen. Nach gewonnenen Schlachten war es zu dieser Zeit dann üblich, Helme und Rüstungen der Besiegten in und bei Heiligtümern aufzustellen.
Eine bislang unbeantwortete Frage werfen gut 20 Beulen auf dem Helm auf, die Schletter anhand eines virtuellen 3D-Modells näher betrachtete. Diese können nicht aus einem Kampf herrühren, sondern müssen später entstanden sein. Fest stehe, der Helm stand aufrecht, weshalb er in dieser Zeit geschlagen wurde, ob es sich um einen Ritus gehandelt habe, sei offen. Zwei Nagellöcher, die in der Antike in den Hinterteil des Helms geschlagen wurden, sprechen dafür, dass der Krefelder Helm an einem Balken angeschlagen worden war, wie es in Heiligtümern auch üblich war. Da rund drei Viertel der bekannten korinthischen Helme aus Olympia stammen, könnte den Indizien zufolge der Krefelder Helm tatsächlich von dort stammen.
In Olympia war die Weihung von Waffenteilen oder Rüstungen vom 7. bis zum 5. Jahrhundert vor Christus so beliebt, dass heute noch etwa 850 bis 1000 unterschiedliche Helme von dort erhalten sind. Angesichts dieser Mengen bilden die nur 20 bekannten korinthischen Helme eine wissenschaftliche Ausnahme. Alte Helme mussten häufig für neue Weihgaben weichen. »Aber sie mussten im heiligen Boden bleiben«, sagt Morscheiser. Zur Entsorgung nutzten die Griechen Brunnenschächte. Diese wurden von Besuchern und Teilnehmern während der Olympischen Spiele im heißen August zur Trinkwasserversorgung angelegt. Nach den Spielen verfüllte man diese mit Müll und den alten Helmen des Heiligtums, vielleicht auch mit dem Krefelder Objekt. »Das lässt sich aber leider nicht mehr beweisen, weil er nicht dort ausgegraben worden ist«, sagt Schletter. Und das könnte eine ganz natürliche Ursache haben. Denn die besondere geomorphologische Situation in Olympia führte dazu, dass in den vergangenen Jahrhunderten zahlreiche Brunnen – und damit auch die Helme – vom dortigen Fluss Alpheios freigespült wurden. Als Fundstücke gelangten so griechische Helme seit dem späten 19. Jahrhundert in den Kunsthandel. »Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der Helm einen solchen Weg von Griechenland nach Krefeld genommen hat«, so Schletter.
Vorerst in den kommenden zwei Monaten wird der Krefelder Helm im Glasraum in der Archäologischen Sammlung des Museums gezeigt. Besucher können sich dieses außergewöhnliche Exponat im Museum an der Rheinbabenstraße zumindest bis dahin anschauen. Weitere Informationen und Öffnungszeiten stehen unter www.krefeld.de/burglinn.