Vom Dorf zur Stadt

Die Urbanisierung Syriens im Verlauf der Frühen Bronzezeit IV (ca. 2400/2300 - ca. 2000 v. Chr.)

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SyrienFrühe Hochkulturen im Vorderen OrientSiedlung

Die Stadt - Möglichkeiten einer Charakterisierung

Eine für alle Städte gültige einheitliche Definition der Stadt ist nicht zu leisten, wohl aber die Zusammenstellung von Kategorien und Kriterien, die charakteristische Merkmale und Funktionen altorientalischer Städte umfaßt. Im Transformationsprozeß von dörflichen zu urbanen Strukturen führt u.a. ein Anwachsen der Bevölkerung zu qualitativem Wandel in den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Organisationsformen. Die Siedlungsweise "Stadt" impliziert die Ausbildung eines vielfältigen Spektrums an Funktionen, die wachsende soziale Differenzierung mit sich bringt und die das Miteinander und die wechselseitigen Beziehungen der Menschen zunehmend auf der Basis der Funktionen und nicht mehr vorwiegend aufgrund sozialer Bindungen wie Verwandtschaft, Zugehörigkeit zum selben Dorf oder zur selben Gemeinschaft regelt. Die "Überwindung" einer Gesellschaftsorganisation, die primär auf den verwandschaftlichen Bindungen beruhte, ermöglichte erstmals die qualitativ neue Form der gesellschaftlichen (städtischen) Orga-nisation und die Ausbildung von zunehmend formalen und sekundären Sozialbeziehungen. Es entstanden also neue Formen des Zusammenlebens und neue Formen der gesellschaftlichen Integration. Zur Durchsetzung normativer Regelwerke, die das Miteinander lenkten und zur Sicherung der Kommunikationen auf allen Ebenen der Gesellschaft beschritt man in der Stadt andere Wege als in den dörflichen Ansiedlungen. Administrative Eliten etablieren sich, und zunehmend führten funktionale und ökonomische Differenzierung zur Herausbildung fester Machtstrukturen. Die Stadt wurde Sitz der "disziplinierenden Gewalt" (Giddens 1995:198).

Im Bereich der Wirtschaft waren es Mehrwertproduktion, Warenwirtschaft und Redistribution, die in Wechselwirkung miteinander im Urbanisierungsprozeß zur Geltung kamen. Stadt und Land standen in enger wirtschaftlicher Abhängigkeit zueinander. Die Konzentration der politischen und religiösen Elite in der Stadt beeinflußte die Entwicklung des Handwerks, des Handels und der Verwaltung. Eine breite Vielfalt von Berufen und Tätigkeiten entstand und es waren nicht zuletzt die politischen und ökonomischen - und sicher auch die religiösen Aufgaben, die die Charakterisierung einer Siedlung als Stadt ausmachten und sie von der dörflichen Siedlungsform und Lebensweise absetzten.

Die städtischen Institutionen übernahmen Verwaltungsaufgaben nicht nur zur Regelung der eigenen Belange, sondern auch für das Umland. Sie wurden Mittler zwischen den Dörfern und Mittler zwischen den Dörfern und der Stadt, Verteiler ein- und ausgehender Waren und Dienstleistungen und zugleich Kontrolleure des politischen und ökonomischen Geschehens in der Region, über die sich ihre Macht erstreckte. Im Kriegsfall bot die Stadt Schutz und Unterkommen. Ihre wirtschaftlichen Aufgaben und die jeweilige Lage im Naturraum machten die altorientalischen Städte also in Folge ihres historischen und geographischen Kontextes zu Agrar- und Hafenstädten, zu Handelsdrehkreuzen, zu Warenumschlagplätzen und Schnitt- und Kontrollpunkten wichtiger Überlandverbindungen. Städte wurden zu Kultzentren, richteten gemeinschaftsstiftende Feste aus und entwickelten sich aufgrund der Ansprüche der Eliten nach Luxus- und Prestigegütern zu Zentren des kunsthandwerklichen Könnens.

Die zunehmend anonymisierten und zugleich komplexer werdenden Kontakt- und Kommunikationssituationen in der Siedlungsform "Stadt" führten zur Entwicklung dauerhaft fixierter Kommunikations- und Verwaltungsmittel. Mit den ersten Städten entwickelte sich Ende des 4. Jt. v. Chr. in Südmesopotamien die Schrift, desgleichen fanden Siegel in zunehmendem Maße Verwendung in der Bewältigung der Verwaltungsaufgaben. Die Notwendigkeit, bei größer werdenden permanent zusammenlebenden Gemeinschaften und zunehmend anonymeren Kontakten identitätsstiftende und ideologiefestigende Zeichen zu setzen, führte dazu, daß im Auftrag der regierenden Elite Bildträger für den öffentlichen Raum hergestellt wurden, die diese in sinnstiftenden Handlungszusammenhängen wiedergaben. Mit der Entwicklung der urbanen Lebensweise und dem beginnenden Strukturwandel im Sozialen, Ökonomischen und Politischen kam es zu geistigen und kulturellen Umwälzungen, zu ersten Ansätzen von Wissenschaft und Geschichtsschreibung sowie zur Entwicklung schriftlich fixierter Literaturgattungen.

Im archäologischen Material spiegeln sich diese Aspekte der urbanen Lebensweise, d.h. der gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Organisation und der kulturellen Entwicklung in monumentalen Repräsentationsbauten, in Befestigungsanlagen und komplexen Siedlungsstrukturen, in den erwähnten Schrift belegen, Siegeln und Bildträgern, in importierten Rohstoffen und Importgütern wider. Die Entwicklung vom Dorf zur Stadt war und ist also stets Ergebnis einer Vielzahl von Wechselwirkungen endogener und exogener Faktoren, die nahezu alle Lebensbereiche der Bevölkerung betrifft. Vom Wandel betroffen sind in diesem Prozeß die Art und Weise der Subsistenzsicherung, die Organisation der Wirtschaft und des gesell-schaftlichen Miteinanders, die Integrationsformen und Sozialordnungen, die Formen der Kommunikation, die kulturellen Werte, Weltsichten, Ideologien, der Machtzugang und die Machtverhältnisse.

Drei Bereichen des gesellschaftlichen Lebens kamen im Alten Orient im Verlauf des Stadtentstehungsprozesses je eine besondere Rolle zu, d.h. sie wirkten entweder als Motor der Entwicklung oder zeigten deutlicher als andere die Auswirkungen der Veränderungen.
Der Handel als Motor der Stadtentwicklung trat unter diesen drei Bereichen besonders hervor. Dörfliche Siedlungen haben in der Regel alle für das Leben notwendigen Einrichtungen selber, so daß kein Bedarf nach einem Ort zentraler Funktion entsteht (Schwarz 1961: 206ff.). Wenn sich aber unter den Siedlungen einer Region eine Entwicklung vollzieht, in der ein Dorf mehr Funktionen auf sich vereinigt als ein anderes, dann liegen die Ursachen für diese Entwicklung in der Regel in den religiös - politischen oder wirtschaftlichen Belangen der Region. Wirtschaftliche Hintergründe führen nicht selten dazu, daß sich etwa an Wegekreuzungen solche Siedlungen bilden, die dann zum zentralen Tausch- und Handelspunkt werden. Prädestiniert für diese Entwicklung sind die Orte, die schon in kleinerem Umfang als regionale Marktplätze dienen und zugleich von mehreren Richtungen und anderen Dörfern aus gut erreichbar sind. Damit sich ein zentraler Ort entwickeln kann, muß auf jeden Fall eine hinreichend dichte Besiedlung einer Region gegeben sein.

Die Entwicklung von Dörfern zu Zentren mit lokaler bis regionaler und überregionaler Bedeutung kann sich völlig unabhängig von einer zentralen Organisation aus dem lokalen und regionalen Bedarf und den dortigen Ressourcen ergeben. Einem Dorf, das sich zu einem zentralen Ort entwickelt, verleiht die Zusatzfunktion ein größeres Gewicht unter den dörflichen Siedlungen. Ein entsprechender Ort zieht nach und nach HandwerkerInnen und HändlerInnen zur Ansiedlung an, Angebot und Nachfrage werden größer ebenso wie der Wirkungskreis des Ortes. Im Laufe der Zeit entwickelt sich bei entsprechendem Bedarf nicht selten zusätzlich zu den lokal und regional genutzten "Wochenmärkten" der Fernhandel mit überregionaler Reichweite.

Eine entsprechend prosperierende Siedlung greift im Laufe der Zeit zur eigenen Agrarversorgung auf ein Hinterland in ihrer direkten Nachbarschaft zurück und muß auch weiter entfernt liegende Regionen zur Versorgung hinzuziehen (Schwarz 1961: 317). Die ökonomischen Aktivitäten werden umfassender, der Organisationsaufwand wächst und damit der Bedarf nach entsprechend qualifizierten Kräften. Eine komplexe Verwaltung entwickelt sich, in der "full - time" Kräfte für die Organisation der wirtschaftlichen Tätigkeiten sorgen und damit zugleich als Arbeitskräfte aus dem Agrarbereich abgezogen werden. Die zentrale Organisation der Siedlung muß dafür sorgen, daß die in der Verwaltung Tätigen hinreichend mit Agrar- und Gebrauchsgütern versorgt werden, die surplus - Erwirtschaftung wird mit zunehmender Komplexität des Gemeinwesens zunehmend bedeutsam. Ein Kreislauf beginnt. Zuzug von außen in die prosperierende Siedlung führt zur Entwicklung einer immer umfassenderen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. HandwerkerInnen und andere SpezialistInnen siedeln sich an. Der lokal und regional erwirtschaftete "surplus" aus Ackerbau und Viehzucht wird z.T. lokal verarbeitet, umverteilt, als Entlohnung und Bezahlung an die Arbeitskräfte und ProduzentInnen zurückgeführt und lokal und regional konsumiert. Dazu kommen gewerbliche Erzeugnisse, u.a. verarbeitete Felle, Wolle und Textilien, die aus lokaler Produktion stammen und die weiteren Bevölkerungskreisen zur Verfügung stehen.

Aber nicht nur die ökonomische Organisation des Gemeinwesens erfährt einen gravierenden Wandel, auch die soziale Organisation muß sich diesen Veränderungen anpassen. In Verlauf einer Entwicklung wie der geschilderten zieht in der Regel eine Gruppierung innerhalb eines entsprechend prosperierenden Ortes - durch Geschick, Können, Verbündete, Ansehen, Herkunft - die Organisation und die Kontrolle der wirtschaftlichen Aktivitäten an sich. Es kommt zur Ausbildung spezialisierter Funktionen, etwa im Bereich der Ökonomie, die mit Machtzuwachs verbunden sind und aus der die betreffende Gruppe politische Befugnisse ableitet. Ein politischer "Apparat", dem "Wortführer" im Gemeinwesen verpflichtet und loyal gegenüber und dafür mit Rechten und Macht versehen, entwickelt sich - und damit eine machthabende Elite.

Diese sorgt dafür, daß sich die Bevölkerung der Siedlung mit den veränderten Verhältnissen identifiziert und die normative Ordnung den neuen Vorstellung angepaßt wird. Im Laufe der Zeit kann die entsprechende Gruppierung ihre ökonomischen und politischen Befugnisse institutionalisieren, ihre Macht auf weitere Orte ausdehnen bzw. die Kontakte zu entsprechenden Orten zum eigenen ökonomischen Vorteil nutzen. Diese Elite hat aber auch für die Versorgung der ProduzentInnen, der HandwerkInnen, HändlerInnen und der Verwaltung zu sorgen. Um die eigene Macht und den Status in der größer und anonymer werdenden Ge-meinschaft zu demonstrieren, beginnt sie, aufwendige Bauprogramme aufzulegen. Zur Aufrechterhaltung der Loyalität eines erweiterten Kreises von Eliteangehörigen werden diese von den Herrschenden mit Luxus- und Prestigegütern versorgt.

Die auch aus dieser Entwicklung hervorgehende bzw. forcierte, zunehmende Differenzierung der Handwerksbetriebe und die wachsende Nachfrage nach einer breiten Palette von Produkten fördert wiederum den Handel. Dieser wird zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse sowohl der Elite als auch der übrigen Gemeinschaft auf die Regionen ausgerichtet, die entweder die benötigten Rohstoffe selber besitzen oder aber diese vermitteln können. Die Siedlungen, die Zugriff auf die Rohstoffe haben und / oder an den entsprechenden Handelswegen liegen, erhalten einen weiteren, oft entscheidenden Schub für den Ausbau der Siedlungsform Dorf zur Stadt.

Tell Mardikh / Ebla - Ein Beispiel

Um 2400 v. Chr. nahm Tell Mardikh / Ebla die Rolle eines Wirtschafts- und Verwaltungszentrums ein. Als mögliche endogene Faktoren, die Ebla - vor anderen Siedlungen - zum zentralen Ort in dieser Region Syriens machten und den Transformationsprozeß von der dörflichen zur urbanen Siedlungsweise forcierten, sollten den obigen Ausführungen folgend die Nutzungs- und Ertragsmöglichkeiten des Naturraums, die Verfügbarkeit von Rohstoffen, die Wirtschaftspotentiale Eblas und der Entwicklungsstand der umliegenden Regionen betrachtet werden. Ausschlaggebend wurden zudem die exogen wirkenden Kräfte des sog. "world - system", einem zu dieser Zeit weitgespannten Fernhandelsnetz, das vom Persischen Golf bis Ägypten reichte.

Mit 56 Hektar stellte Tell Mardikh / Ebla in der Phase Mardikh IIB1 (=FBZ IV; ca. 2400 - 2250 v. Chr.) die größte Stadt der Region mit geschätzten 5000 - 12000 EinwohnerInnen dar.

Die Stadt gliederte sich im wesentlichen in zwei Bereiche, in die Akropolis, die mit 170m Durchmesser etwa die Mitte des Hügels und zugleich den höchsten und zentralen Bereich der Siedlung eingenommen hatte und in die Unterstadt am Fuß der Akropolis (Matthiae 1995). Ein ringförmiger Wall, in dem an vier Stellen aufgrund der topographischen Gegebenheiten Tore und Zugangswege in die Siedlung zu vermuten sind, umfaßte und befestigte das gesamte Siedlungsgebiet. Auf der Akropolis stand als wichtigstes Gebäude der sog. Palast G, Residenz der Elite und Verwaltungssitz der Siedlung, der die Unterstadt überragte und neben den genannten Funktionen auch die der Landmarke einnahm.

Um 2250 v. Chr. zerstörte ein Feuer Bereiche der Akropolis, darunter den Palast. Nach der Verbreitung der Oberflächenfunde auf dem Tell zu urteilen, wurde die zerstörte Stadt wieder aufgebaut (Matthiae 1980:106). Die bauliche Struktur dieser Nachfolgesiedlung, Mardikh IIB2 (ca. 2250 - 2000 v. Chr.) ist aber bisher nicht erfaßt.

Palast G enthielt das sog. Staatsarchiv, aus dem wesentliche Informationen zur sozio - ökonomischen, politischen und kulturellen Entwicklung nicht nur in Ebla, sondern in ganz Nordsyrien gewonnen werden konnten. Neben einigen Hymnen und Beschwörungen dokumenierten die Tafeln in der Mehrzahl wirtschaftliche und administrative Daten. Im Palast fanden sich ferner über 100 Siegelabrollungen, ausgeführt auf Gefäßverschlüssen und dem Geflecht von Körben und Kisten sowie zahlreiche Objekte aus importierten Rohstoffen, aus Edelsteinen, Elfenbein und Metall (Matthiae 1995:274ff.).

Die naturräumlichen Bedingungen und auch die infrastrukturellen Gegebenheiten der Region boten Ebla potentiell einen günstigen Rahmen für die Entwicklung zur Stadt und zum Zentralort der Region. Tell Mardikh liegt in einer fruchtbaren Ackerbauregion, Getreideanbau ohne künstliche Bewässerung, Oliven-, Wein- und Pistazienanbau sind möglich, Regen fällt ausreichend zur richtigen Zeit. Aufgrund dieser günstigen naturräumlichen Situation konnte Ebla - so die Texte - agrarische Überschüsse produzieren. Allerdings waren diese im Umfang nicht vergleichbar mit den Erträgen, die etwa in Südmesopotamien mit mehreren Ernten im Jahr erreicht wurden. D.h., allein aufgrund der agrarischen Produktion wäre die Entwicklung Eblas zur Stadt nicht denkbar gewesen (Pettinato 1991:82).

Die Viehzucht bildete einen zweiten lukrativen Wirtschaftsbereich. Man hielt Schafe, Ziegen und Rinder, von denen letztere u.a. auch als Zugtiere eingesetzt wurden. Die Viehzucht und die Nutzung der Schafswolle bot eine der Möglichkeiten für die im Stadtentstehungsprozeß notwendige Spezialisierung der Wirtschaft. Für seine außergewöhnlich gute Wolle und seine hervorragenden Stoffe, die sowohl vor Ort genutzt als auch exportiert wurden, war Ebla bekannt.

Die naturräumlichen Bedingungen sicherten Ebla also eine gute Versorgung und ermöglichten die Ernährung der stetig wachsenden Bevölkerung. Auf dem Weg von der subsistenzsichernden Wirtschafts- und Lebensweise hin zu einer komplexeren Struktur erfolgte die Entwicklung spezialisierter ökonomischer Aktivitäten. Denn wie zuvor erläutert, konnte dort, wo sich Bedarf entwickelte und Abnehmer für die Produktion gesichert waren, die Konzentration einer Vielzahl unterschiedlicher Handwerkszweige als wesentlicher Motor der Stadtentwicklung und des Städtewachstum wirken. Die Existenz und Vielfalt der spezialisierten ökonomischen Aktivitäten wirkt im Stadtentstehungsprozeß kumulativ. Für die Bevölkerung der umliegenden ländlichen Regionen entsteht der Anreiz, an diesen Platz der Arbeits- und "Kapital"konzentration zu ziehen. Der Zuzug steigert u.a. erneut die Ansammlung spezialisierter Kompetenz - eine Spirale entwickelt sich, die zu einer rapiden Beschleunigung des Wachstums einer Stadt führen kann.

Diese Entwicklung spezialisierter ökonomischer Aktivitäten läßt sich für Ebla aufzeigen. Zwar stehen in der direkten Umgebung von Ebla keine Rohstoffvorkommen, etwa Metall, Gestein und wertvolle Bauhölzer zur Verfügung. Der Standort der Stadt am Kreuzungspunkt der wesentlichen Ost - West / Nord - Süd Überlandverbindungen bot dieser aber gute Zugangsmöglichkeiten zu den Regionen mit den entsprechenden Rohstoffquellen - dem Amanusgebirge, dem Taurus und dem Nordlibanon (Astour 1988:139).

So baute Ebla nach und nach Handelsbeziehungen zu ihrem direkten Umland auf und aus, zum Euphrat- und Balikhgebiet, zu Südsyrien und der Küste, zur Türkei, zum Libanon und Palästina, zu Byblos und via Byblos zu Ägypten - und in Richtung Osten zu Mari, Kish und Assur in Mesopotamien, über Mesopotamien zum Persischen Golf und zu Hamazi im Iran (Pettinato 1991:112).

Den Funden in Ebla nach zu urteilen, ermöglichte nun der Zugang zu den benötigten Rohstoffen, zu Stein, vor allem aber zu Metall die Entwicklung eines hochspezialisierten Handwerkertums, das die importierten Rohstoffe vor allem zu Luxusgütern verarbeitete. Gold, Silber und Kupfer standen zur Verfügung, man stellte Bronze her und fertigte Schmuck, Waffen und Metallgefäße für den Prestigegütertausch und für den Fernhandel an. Mit dem in der Frühbronzezeit weitverzweigten Netz von Handelsbeziehungen bot sich für Ebla auch der notwendige Abnehmerkreis für seine Produkte.

Über die wirtschaftlichen Entwicklungen hinaus veränderten sich im Zuge der Urbanisierung auch die politischen Funktionen des Ortes. Ebla hatte es vermocht, über die wirtschaftliche Entwicklung Reichtum und wirtschaftliche Macht zu akkumulieren, diese in politische Macht umzusetzen und damit die Funktion eines zentralen Ortes zu entwickeln. Die Stadt stellte dem Umland in wachsendem Umfang Güter und Dienstleistungen zur Verfügung. Dafür trug das Umland zur Ernährung der Stadt bei. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung, der zunehmenden Prosperität und der neuen, zentralörtlichen Funktion entanden neue Formen der politischen und administrativen Führung, die sich von den noch stärker tribal organisierten Verhältnissen des ländlichen Raumes unterschieden. Eine politische Elite war entstanden, die ihre Macht und ihren Status u.a. durch den monumentalen Palastbau und die dort aufgefundenen Luxusgüter dokumentierte.

Fazit

Mit den Veränderungen der Wirtschafts- und Lebensweise in Ebla wurden die wesentlichen Parameter des Stadtentwicklungsprozesses wirksam: günstige naturräumliche Wirtschaftsbedingungen und der Standort der Siedlung am Kreuzungspunkt der großen Überlandverbindungen ermöglichten eine wirtschaftliche Entwicklung, aus der eine Elite politische Macht ableiten konnte bzw. die es einer Gruppierung in der Gesellschaft überhaupt erst ermöglichte, eine über das Gemeinwesen Eblas hinausgehende politische Macht zu entwickeln. Der wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Wandel in Ebla hat seinen Niederschlag auch in den materiellen Belegen gefunden. Die Luxus- und Prestigegüter, die Zeugnisse monumentaler Architektur und die schriftlichen Quellen, die in Tell Mardikh freigelegt wurden, ermöglichen es der archäologischen Forschung auch noch Jahrtausende nach der Entwicklung Eblas zur Stadt, diesen Prozeß in seinen wesentlichen Stadien und Zusammenhängen nachzuzeichnen.

Literatur

  • Astour, Michael C., The Geographical and Political Structure of the Ebla Empire; in: HSAO 1988 / 2:139ff. (Heidelberger Studien zum Alten Orient. Heidelberger Orientverlag. Heidelberg)
  • Giddens, Anthony, Sociology. Polity Press, Surrey. 1995:198
  • Heinz, Marlies, Der Stadtplan als Spiegel der Gesellschaft. Siedlungsstrukturen in Mesopotamien als Indikator für Formen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Organisation. Reimer, Berlin. 1997
  • Klengel, Horst, Ebla im Fernhandel des 3. Jahrtausends; in: HSAO 1988 / 2:245ff.
  • Lichtenberger, Elisabeth, Stadtgeographie 1. Begriffe, Modelle, Prozesse. Teubner, Stuttgart. 1986
  • Matthiae, Paolo, Ebla. An Empire Rediscoverd. Hodder und Stoughton, London. 1980
  • Matthiae, Paolo et alii (Hrsgb.), Ebla. Alle origini della civiltà urbana. Electa, Mailand. 1995
  • Lenski, Gerhard, Macht und Privileg. Eine Theorie der sozialen Schichtung. Suhrkamp, Frankfurt / M. 1977
  • Pettinato, Giovanni, Ebla. A New Look at History. The John Hopkins University Press, Baltimore und London. 1991
  • Schwarz, Gabriele, Allgemeine Siedlungsgeographie. de Gruyter und Co., Berlin. 1961