Die Schnippenburg im Fokus der Archäologie

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Die im Folgenden dargelegten Untersuchungsergebnisse beruhen auf den Prospektionen und Ausgrabungen auf der Schnippenburg zwischen November 2000 und Mai 2005. Zunächst werden ganz "klassisch" das Denkmal, sein Umfeld und die Forschungsgeschichte beschrieben. Anschließend gilt es, die neuen Forschungsergebnisse in Bezug auf verschiedene Fragestellungen, unter anderem zu Funktionen der Befestigungsanlage, zu beleuchten - immer dem "Rätsel Schnippenburg" auf der Spur ...

Die Schnippenburg ist schon seit Ende des 18. Jahrhunderts bekannt und wurde erstmals 1889 vom Heimatforscher Hartmann untersucht und vermessen. Noch im selben Jahr publiziert Hartmann den Plan und gibt dabei eine Erklärung für die Namensherkunft: "Der Name 'Schnippenburg' wird wahrscheinlich von der dreieckigen Form des Vorsprunges, auf welchem sie liegt, herrühren." Letztgenannter Hinweis lässt sich etymologisch nachvollziehen.

Nach fast 100-jähriger Pause kommt es dann in den 1980er und 90er Jahren zu einer ersten Grabung und Begehungen. Die Grabungsergebnisse von 1983 unter Bodo Zehm führten zu einem ersten Rekonstruktionsversuch des Befestigungsbaus. Holzkohlematerial aus der Brandschicht des Walls lieferte ein kalibriertes Alter von 130±60 v.Chr. Zehm ordnete die Schnippenburg den Fluchtburgen des nordwestdeutschen Mittelgebirgsraums zu. Funde lagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.

Die überraschende Auffindung von eisernen Geräten, Waffen und Bronzeschmuck mittellatènezeitlicher Frauentracht führte im Herbst 2000 zu einer gezielten Nachuntersuchung durch den Autor, die schnell verdeutlichte, dass eine umfassendere Untersuchung des Platzes dringend erforderlich war. So wurde Anfang 2001 ein fünfjähriges, drittmittelgestütztes, interdisziplinäres Forschungsprojekt unter Leitung des Autors aufgelegt, bei dem die Anlage vollständig prospektiert, neu vermessen und Teile des Innenraumes sowie des Walls ausgegraben wurden. Parallel dazu wurde die Prospektion im Außenbereich der Anlage fortgesetzt. Den vorläufigen Abschluss der Auswertungsphase bildete ein internationaler Kongress im Frühjahr 2006 in Osnabrück.

Die Schnippenburg

Die Schnippenburg liegt auf einem Geländesporn im nordwestlichsten Teil des Wiehengebirges, einem Ausläufer des Weserberglandes,  im Bereich der Gemeinde Ostercappeln, Landkreis Osnabrück, Niedersachsen. Eisenzeitliche Siedlungsspuren im Umfeld der Anlage sind vor allem aus dem Bereich der nördlichen Hangsandzone bekannt, wo die zugehörige Siedlungskammer zu suchen ist. Einsehbar ist dieses Gebiet von der Schnippenburg aus jedoch nicht, da die Kämme im Norden und Süden die Anlage überragen, das heißt, die Anlage liegt natürlich geschützt, aber auch "versteckt" in Randlage zu einem überregionalen Wegesystem.

Im Feld der zeitgleichen eisenzeitlichen Befestigungen der Mittelgebirgszone hat sie ebenfalls eine deutliche Randposition. Sie gehört zu einer Gruppe von Anlagen, die im Abstand von etwa 30 bis 50 km am Nordrand des Weserberglandes aufgereiht sind. Innerhalb dieser Gruppe stellt sie den nordwestlichsten Vertreter dar. Obwohl die Befestigungskonstruktion bei den Anlagen der nördlichen Mittelgebirgsperipherie variiert, kann die Pfostenschlitzmauer als mehrfach verwendetes bauliches Element hervorgehoben werden. Ebenfalls scheint der Bezug auf überregionale Landwege von Bedeutung gewesen zu sein, was sich als allgemeiner Trend bei den mitteleisenzeitlichen Burgen herausarbeiten lässt - im Gegensatz zu den ältereisenzeitlichen Vorläufern, die offenbar noch stärker auf Flussläufe ausgerichtet waren.

Verkehrsgünstig gelegen

Ein wichtiger Standortfaktor für die Beurteilung der Schnippenburg ist ihre verkehrsgeographische Lage. Die Schnippenburg liegt an einem wichtigen überregionalen Verkehrsknotenpunkt, leicht abseits der eigentlichen Trassenverläufe. Etwa 500 m westlich der Anlage überquert der so genannte Bremer Heerweg das Wiehengebirge. Dieser Verkehrsweg verband im Mittelalter und in der Neuzeit die Städte Osnabrück und Bremen. Seine Trasse kann allerdings durch die routenbegleitende Lage von Großsteingräbern sowie von bronze- bis ältereisenzeitlichen Gräberfeldern wenigstens bis in die jungsteinzeitliche Trichterbecherkultur zurückverfolgt werden. Der Bremer Heerweg hat in Osnabrück Anschluss an die so genannte Frankfurter Heerstraße, welche über Paderborn und das Sauerland den nordwesthessischen Raum erschließt. Nach den Untersuchungen von Schlüter dürfte es sich bei dieser Wegekombination um eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen Westdeutschlands handeln, die mit dem Wiehengebirge den letzten Höhenzug vor ihrem Eintritt in die Norddeutsche Tiefebene überwindet. Entsprechende Wegepunkte gelten generell als Orte von überregionaler Bedeutung.

Neben dieser Nord-Süd-Achse, die den nordwesthessischen Raum mit dem Nordseeküstengebiet verbindet - also die nördliche Peripherie des "keltischen Kulturraums" mit dem protogermanischen Nordwestdeutschland -, ist eine Ost-West-Trasse, die am Nordhang des Wiehengebirges verläuft, von ähnlicher Bedeutung. Der Altweg kommt aus dem Elb-Weser-Raum, zieht sich am Nordhang des Weserberglandes entlang und reicht bis in das Niederrheingebiet. Über diese Achse, welche ebenfalls durch zahlreiche wegbegleitende Funde und Denkmale als vorgeschichtliche Route belegt ist, wurden Impulse zwischen dem östlichen Mittelgebirgsraum und den heutigen Niederlanden vermittelt. Die Kreuzung beider überregionaler Wege liegt gut 1 km nordwestlich der Schnippenburg im Bereich der Hangsandzone des Wiehengebirges, inmitten einer der Schnippenburg zuzurechnenden Siedlungskammer.

Neben den bodenkundlichen, geomorphologischen und topographischen Voraussetzungen dürfte der Bezug auf die beschriebenen Wegesysteme ein entscheidender Faktor hinsichtlich der Platzwahl für die Anlage der Befestigung gewesen sein. Die überregionale Anbindung der Schnippenburg spiegeln nicht zuletzt die vielfältig inspirierten lokal produzierten Funde und Importe (s.u.) wider.

Topographie und Geländebefund

Die Schnippenburg hat eine Innenfläche von ca. 1,46 ha bei einer Ausdehnung von 170 m x 110 m (O-W/N-S). Sie liegt auf einem nach Westen leicht ansteigenden Sporn, der den Hauptkamm des Gebirges in diesem Bereich teilt, was eine seltene geomorphologische Situation im Wiehengebirge darstellt. Die Kämme nördlich und südlich des Sporns überragen ihn um über 30 m, was bedeutet, dass von der Befestigung aus keine weite Geländeübersicht möglich war. In diesem für eine Burgenlage eher ungewöhnlichen Umstand ist der Grund dafür zu suchen, dass der Standort nach der eisenzeitlichen Nutzung nie wieder als Burgenstandort in Betracht gezogen wurde. Entsprechend liegt eine ausschließliche Belegung des Platzes in der vorrömischen Eisenzeit vor. Überprägungen des Geländes durch jüngere Strukturen gibt es abgesehen vom neuzeitlichen Wegebau nicht.

Der Wallverlauf orientiert sich im Norden und Süden an der relativ steil abfallenden Geländekante. Die Wälle sind heute noch ca. 1 m hoch erhalten, bei einer Breite von 6 bis 8 m an der West- und Ostseite. Im Norden und Süden sind die Wallreste teils erodiert, wobei hier aufgrund einer gegenüber den Schmalseiten der Anlage abweichenden Wallkonstruktion auch weniger Ausgangsmaterial vorhanden gewesen ist. Trotz der mäßigen Wallerhaltung sind an verschiedenen Stellen auf der Nordseite der Befestigung noch Überreste der Frontmauer aus Trockensteinen in situ erhalten.

Durch neuzeitliche Wegebaumaßnahmen ist das südliche Viertel der Befestigung stark überprägt und teils zerstört. Neben weiteren vermutlich neuzeitlichen Wegen läuft vom Walldurchbruch im Osten ein Hohlweg teils in zwei dicht nebeneinanderliegenden Trassen quer durch die Anlage und endet ca. 10 m vor dem westlichen Wallverlauf. Diese Hohlwege können aufgrund der stratigraphischen Lage verschiedener Prospektionsfunde der eisenzeitlichen Nutzung des Geländes zugerechnet werden.

Der nördliche Hang weist mindestens zwei hangbegleitende künstliche Terrassierungen auf, welche offenbar ebenfalls im Zusammenhang mit der eisenzeitlichen Nutzung zu sehen sind. Da am erwähnten Walldurchbruch an der Ostseite der Anlage bisher der einzige Eingang identifiziert werden konnte, ist eine Wegeführung von Westen entlang der nördlichen Befestigungslinie zur Erreichung des Eingangs im Osten naheliegend, zumal die Terrassen im Bereich der Nordostecke der Burg in den auslaufenden Sporn übergehen.

Wallkonstruktion - Wehrbau?

Ursprünglich stand auf dem Areal der Schnippenburg ein Buchenmischwald. Für den Bau der Anlage musste allerdings das gesamte Gelände gerodet werden. Das Holz wurde direkt als Bauholz weiterverarbeitet, die Buchenhölzer für die Pfostenbohlenwand und die in geringerer Zahl vorkommenden Eichenhölzer als Stützpfosten in der Pfostenschlitzmauer. Letztgenannte Hölzer ließen sich schwerer austauschen, weshalb für dieses Element das hochwertigere Bauholz verarbeitet wurde.

Sowohl der große Holzbedarf als auch taktische Aspekte waren der Grund für die ebenfalls vorgenommene Rodung des direkten Umfelds der Anlage. Wenn schon keine weite Geländeübersicht bestand, wollte man sicherlich zumindest das umliegende Gelände gut einsehen können.

Der Befestigungsring zog sich um den gesamten Sporn, wobei die Konstruktion der Mauer den topographischen Bedingungen angepasst war. Das heißt, an der West- und Ostseite, wo der Sporn in den Wiehengebirgskamm übergeht bzw. im Osten flach ausläuft, war die Konstruktion massiver als an der Nord- und Südseite, wo die Hänge und Bachtäler eine Annäherung erschwerten. So gab es an der West- und der Ostseite einen begehbaren Wehrgang hinter der Frontmauer, welcher an der Nord- und Südseite fehlt. Ob es jedoch darum ging, die Anlage an der West- und Ostseite stärker abzusichern, oder ob man an den Seiten, von denen eine Annäherung an die Befestigung erfolgte, einfach Präsenz zeigen wollte und die Kontrolle ankommender Personen im Vordergrund stand, ist derzeit noch ungeklärt. Da die gesamte Befestigungskonstruktion vor allem im Vergleich zu anderen zeitgleichen Anlagen jedoch relativ schwach ausgeführt ist, drängt sich die Vermutung auf, dass es sich bei der Schnippenburg nicht in erster Linie um einen Wehrbau handelte, sondern vielmehr um eine Burg mit repräsentativem Charakter.

Bisher konnte nur an der Ostseite ein Eingang in die Burg festgestellt werden, der allerdings nicht den vielfach üblichen und vor allem strategisch bedingten Konstruktionen entspricht. Es handelt sich vermutlich um einen einfachen zweiflügeligen Eingang, der von einer nach außen ziehenden Trockensteinmauer flankiert wurde. Die erhaltenen Überreste von eisenzeitlichen Lauf- und Reitwegen, welche vereinzelt noch heute als flache Hohlwege im Gelände sichtbar sind, laufen einerseits als Bündel von Osten kommend den Sporn hinauf, direkt auf den rekonstruierten Eingang zu, und zum anderen möglicherweise von Westen über im nördlichen Hang angelegte Terrassen an der Wallbefestigung entlang und schließlich über die Nordostecke der Anlage ebenfalls auf den im Osten gelegenen Eingang zu. Vom Eingangsbereich aus führt dann ein Hohlweg geradlinig durch die Anlage nach Westen, wo er wenige Meter vor der Wallbefestigung endet.

Mit etwa 1,46 ha Innenfläche gehört die Schnippenburg zu den kleinsten Befestigungsanlagen der vorrömischen Eisenzeit. Der Durchschnitt liegt bei 3 bis 5 ha, wobei es auch Anlagen mit 10 bis 15 und sogar mit über 50 ha Innenfläche gibt. Die Größe der Befestigungen hing zum einen mit der geplanten Nutzung zusammen und war zum anderen stark von der örtlichen Topographie abhängig. Dabei spielten natürliche Annäherungshindernisse wie Steilhänge, feuchte Niederungen oder Flussläufe eine besondere Rolle. Meist wurden Standorte bevorzugt, die zudem eine weite Geländeübersicht ermöglichten, das heißt exponierte Plätze. Lagen die Befestigungen zum Beispiel auf einer Geländekuppe, die nur von einer Seite aus zugänglich war und zu den übrigen Seiten steil abfallende Hänge mit großen Höhenunterschieden aufwies, reichte zum Teil eine kurze Abschnittsbefestigung, um ein sehr großes Areal effektiv abzusichern. Entsprechend große Anlagen konnten ganz anders genutzt werden als kleinere. So ist es beispielsweise bei den Großanlagen denkbar, dass sogar zeitweise auch Vieh innerhalb der Befestigung gehalten werden konnte. Je nach topographischer Lage wurden dementsprechend so genannte Abschnittswälle oder vollständige Ringwälle, wie im Fall der Schnippenburg, angelegt.

Exponierte Lagen mit einem guten Ausblick ins Umland waren durch alle Zeiten hindurch als Burgenstandorte interessant. Teilweise fand eine Nutzung solcher Orte bis in die Neuzeit hinein statt. Durch die ständige Überbauung und die damit verbundene Umformung des Geländes sind die ältesten Befestigungsreste oft nur sehr schlecht erhalten und archäologisch nur schwer zu untersuchen. Die Tatsache, dass die Schnippenburg ausschließlich eine einphasige Nutzung während der vorrömischen Eisenzeit aufweist, führt gegenüber anderen Burgenstandorten zu vergleichsweise idealen Untersuchungsbedingungen.

Wie sah die Befestigung auf der Schnippenburg genau aus?

Die Befestigung auf der Schnippenburg bestand aus einer zweiteiligen Konstruktion. Vor Beginn des Mauerbaus wurde der Untergrund zunächst leicht ausplaniert, um eine möglichst gute Basis für die Befestigung zu schaffen. Dazu wurde teilweise Material hinter der Befestigungslinie, also an der Innenseite, als Ausgleichsmaterial entnommen.

Die Außenfront bildete eine so genannte Pfostenschlitzmauer. Sie war etwa 2 bis 3 Steine (50 bis 60 cm) dick und bestand aus trocken aufgeschichteten Lesesteinen. Das nach außen leicht angeschrägte Mauerwerk war etwa 1,4 bis 1,6 m hoch und wurde durch Eichenspaltbohlen gestützt, die in einem Abstand von je 80 bis 110 cm senkrecht in der Mauer standen. Die Eichenspaltbohlen waren nur ca. 50 bis 60 cm tief eingegraben und durch Steine im Untergrund verkeilt. Vermutlich überragten die Außenpfosten das Trockensteinmauerwerk um wenigstens einen guten Meter und waren mit Eichenbohlen verblendet, welche an der Ost- und Westseite der Burg die Brustwehr bildeten. Die Höhe der Außenmauer wird demzufolge maximal 3 m betragen haben; vermutlich hat sie etwas darunter gelegen. Umfangreiche Holzanalysen an den verkohlten Stämmen zeigten deutlich, dass in der Mauerfront ausschließlich Eiche verbaut wurde. Hinweise auf eine Brustwehr aus Flechtwerk fehlten dagegen. Die Rekonstruktion derselben mit Eichenbohlen basiert auf den Funden entsprechender verkohlter Bohlenreste, die vor die Mauerfront verstürzt waren. Im Grabungsbefund war die Trockensteinmauer teilweise noch bis zu 60 cm hoch erhalten.

Während die äußeren Stützpfosten im Erdreich vergangen waren und nur noch als Verfärbungen festgestellt werden konnten, waren sie im Mauerverbund noch als verkohlte Hölzer erhalten. Eine dendrochronologische Datierung der Eichenspaltbohlen legt die Bauzeit der Befestigung auf das Jahr 268±10 v.Chr. fest. Die Ungenauigkeit von zehn Jahren ergibt sich aus dem Fehlen der äußersten Jahrringe der Hölzer, den so genannten Spaltringen, die aufgrund des Feuers nicht erhalten geblieben sind. Daher fällt die Bauzeit in die Jahre zwischen 278 und 268 v.Chr. Das dendrochronologische Datum gibt immer das Fälldatum der Hölzer an. Im Fall der Schnippenburg kann man sicher davon ausgehen, dass es sich hier auch gleichzeitig um das Baudatum handelt, da bei solchen Anlagen meist Frischholz verbaut wurde.

Der zweite Teil der Befestigungskonstruktion bestand aus einer so genannten Pfostenbohlenwand. Das heißt, es wurden hinter der Frontmauer Stämme, Knüppel und Bohlen längs zu einem Paket aufgeschichtet, welches in etwa die Höhe der Steinmauer hatte und diese nach innen abstützte. Durch die große Menge der noch erhaltenen verkohlten Hölzer konnte gezeigt werden, dass hierfür Buchenhölzer verwendet wurden. Die Pfostenbohlenwand wurde wiederum durch eine Reihe von Stützpfosten abgefangen, die im Abstand von etwa 60 bis 80 cm eingesetzt wurden.

Die Pfostenbohlenwand war in den verschiedenen Abschnitten der Befestigungslinie unterschiedlich ausgeführt. An den längeren Nord-und Südseiten des ovalen Ringwalls, wo Hang und Feuchtniederung natürliche Annäherungshindernisse darstellten, war die Bohlenwand nur ca. 40 bis 60 cm mächtig und diente allein der Abstützung der Frontmauer. An den Annäherungsseiten im Westen und Osten dagegen war sie mit rund 1,2 m wesentlich breiter ausgeführt und konnte, wie schon erwähnt, als Wehrgang benutzt werden. Um auf die Bohlenwand zu gelangen, wurden in unterschiedlichen Abständen Erdrampen von innen an die Bohlenwand angeschüttet, die mit Hölzern belegt waren und den Zugang ermöglichten.

Dabei bleibt es fraglich, warum nur an zwei Seiten der Anlage ein begehbarer Wehrgang existierte. Mussten die anderen Seiten nicht verteidigt werden oder war die Befestigung vielleicht gar nicht in erster Linie als Verteidigungsbauwerk errichtet worden? Ost- und Westsseite stellen wohl die einzigen Seiten dar, von denen man sich der Burg annäherte. Möglicherweise diente der Wehrgang auch eher zu Zwecken der Repräsentation und Überwachung. Man wollte also zum einen einsehen, wer kommt und geht, und zum anderen nach außen Präsenz zeigen.

An den nicht zu verteidigenden Seiten war durch die Mauerhöhe noch nicht einmal der Blick nach außen möglich, wenn man sich direkt hinter der Mauer befand. Durch große Niveauunterschiede innerhalb der Anlage konnte man dagegen aus dem Zentrum über die nördliche und südliche Befestigungslinie hinweg auf die gegenüberliegenden Hänge blicken - aufgrund der geringen Entfernung war im Gegenzug auch eine Einsicht in die Anlage von dort aus möglich. Da sich die gegenüberliegenden Hänge sogar innerhalb der maximalen Distanz für Bogenschützen befanden, hätte man auch Gebäude im Zentrum der Anlage - sofern vorhanden gewesen - in Brand schießen können.

Es verstärkt sich somit immer mehr der Eindruck, dass es sich bei der Befestigung auf der Schnippenburg nicht in erster Linie um einen Wehrbau handelte. Auch im Vergleich zu den Befestigungskonstruktionen anderer eisenzeitlicher Burgen fällt die eher schwache Ausführung ins Auge. Es fehlt zum Beispiel ein vorgelagerter Graben, es gibt keine massiven Erdaufschüttungen als Wallbasis, und die Mauerkonstruktion bestand nicht etwa aus einem mit Steinen verstärkten Holzrahmenbauwerk, sondern nur aus einer vergleichsweise schwachen Frontmauer mit einer lose aufgeschichteten inneren Abstützung, die fast ausschließlich aus Holz bestand und nur zum Teil mit Erdmaterial verfestigt wurde.

Grundsätzlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie lange so eine Befestigungskonstruktion überhaupt der Verwitterung standgehalten hat. Man wird auch bei Ausbesserungsarbeiten, die allerdings archäologisch bisher nicht nachgewiesen werden konnten, vor allem aber bei der Bohlenwand wohl regelmäßig erforderlich waren, mit einer maximalen Funktionalität von unter 50 Jahren rechnen müssen.

Die Befestigung auf der Schnippenburg hat jedoch kein verfallsbedingtes Ende genommen, sondern wurde systematisch niedergebrannt. Dabei lässt sich archäologisch nur nachweisen, dass es sich um eine gezielte Maßnahme handelte. Ob die Zerstörung im Zuge einer kriegerischen Auseinandersetzung stattfand oder aber von den Nutzern der Burg selbst vorgenommen wurde, lässt sich nicht belegen. In jedem Fall kann man festhalten, dass die Anlage nicht durch partielle Feuer in Brand geriet, die zum Beispiel auch auf einen Unfall zurückgeführt werden könnten, sondern mit Absicht vollständig eingeäschert wurde.

Der Zusammensturz der brennenden Befestigung konnte im Grabungsbefund gut nachvollzogen werden. Zunächst brannte die hölzerne Bohlenwand und brach nach innen zusammen, wo sie teilweise in einen abgetieften Materialentnahmebereich stürzte. Der Frontmauer fehlte damit die Abstützung, und durch ihre leichte Anschrägung nach vorne sowie den damit verbundenen Druck auf die Bohlenwand verstürzte sie ebenfalls nach innen über die brennenden Reste der Bohlenwand. Nur wenige Mauerbestandteile lagen außen vor der Mauerfront.

Ein grundlegender Aspekt, der immer bei der Betrachtung von Befestigungsbauten berücksichtigt werden muss, ist die große Gemeinschaftsleistung, die zu ihrer Errichtung erforderlich war. Auch wenn die Befestigungskonstruktion auf der Schnippenburg im Vergleich zu der anderer Burgen eher schwach ausgeführt ist und die Mauer bei einer Länge von 460 m nicht zu den großen Ringwällen zählt, ist der Bauaufwand nicht zu unterschätzen. Die Arbeitsstunden für solch einen Bau zu berechnen ist mit großen Unsicherheiten behaftet und so soll an dieser Stellen eine stark vereinfachte Aufstellung einen Einblick in die Dimension des Bauaufwands geben. Dabei müssen folgende Komponenten berücksichtigt werden:

  • ca. 500 Frontpfosten;
  • ca. 600 Stützpfosten für die Bohlenwand;
  • ca. 450 m³ Holz für die Bohlenwand;
  • ca. 300 m³ Lesesteine für das Trockenmauerwerk;
  • ca. 100 m³ Erdbewegungen bei Planierarbeiten zur Vorbereitung des Untergrunds.

Bei allen genannten Werten handelt es sich um absolute Minimalwerte!

Verkehr und Handel

Wie bereits festgestellt, liegt die Schnippenburg an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Etwa 1 km nordwestlich kreuzen sich der Bremer Heerweg und der Hellweg vor dem Sandforte. Beide Wege waren schon in der Vorgeschichte kulturelle Leitlinien, die sich ganz besonders in der vorrömischen Eisenzeit herausstellen lassen, wie die Forschungen von Schlüter der letzten Jahre gezeigt haben. Während schon in der Bronzezeit in ganz Mitteleuropa ein weit verzweigtes Handelsnetz bestand, regten die Verbreitung von Eisen und auch der Salzhandel den Ausbau dieser Strukturen weiter an.

Neben diesen zentralen Rohstoffen der vorrömischen Eisenzeit wurden vor allem Gold, Silber, Bernstein und Glas sowie in geringerem Umfang Nahrungsmittel wie Fleisch und Getreide verhandelt. Hinzu kommt eine Vielzahl von Fertig- oder Halbfertigprodukten, so zum Beispiel Schmuckstücke, legierte Bronze, Eisenbarren, Leder, Bronzegefäße, Keramikgefäße, Münzen und vieles mehr. Der Handel erfolgte sowohl über Wasser- als auch über Landwege. Zur Überbrückung von unwegsamem Gelände wie etwa Mooren wurden hölzerne Bohlenwege angelegt. Neben den mit Kleinbooten schiffbaren Flüssen spielten auch die küstennahen Gewässer als Wasserverbindung eine Rolle.

Auch mehrere Funde von der Schnippenburg lassen sich als Importwaren ansprechen. Dazu zählen neben einer Schwertkette, den Lanzenschuhen, einigen Lanzenspitzen und möglicherweise einem Schwert, auch Schmuckgegenstände wie zum Beispiel die verzierten Glasperlen. Grundsätzlich wird bei Glasperlen zwar von einer Herstellung in südlicheren Gefilden ausgegangen, doch könnten die Funde aus der Schnippenburg auch aus einheimischen Produktionen stammen.

Andere Objekte wiederum sind sicher lokale Produktionen, wie etwa die besonderen Tutulusfibeln, Scheibenohrringe oder die massiven Armreife. Gleiches kann für einen Großteil der eisernen Werkzeuge angenommen werden. Viele der lokal gefertigten Schmuckgegenstände weisen allerdings starke Einflüsse aus dem "keltischen Kulturraum" auf. Hier lässt sich die Bedeutung der Fernhandelswege indirekt nachweisen - es handelt sich dabei mehr um einen Transfer von Ideen als von Gütern, vermutlich geht beides jedoch miteinander einher. Dieser Ideentransfer kann auch über mehrere Stationen hinweg funktioniert haben. Insofern deuten zum Beispiel Parallelen einiger Schnippenburgfunde mit Beigaben aus Flachgräbern in Böhmen sicherlich keine direkten Beziehungen an. Entsprechende Einflüsse können sowohl über den Süden als auch über den Osten vermittelt worden sein. So finden sich die besten Vergleichsstücke für die Armreife von der Schnippenburg im Bereich der unteren Saale und Elbe.

Intensive Kommunikation

Die Kommunikation zwischen teils weit voneinander entfernten Regionen scheint in jedem Fall sehr intensiv gewesen zu sein. Dabei spielte das gut ausgebaute Fernhandelsnetz natürlich eine wichtige Rolle. Man kann in der mittleren Eisenzeit sicher von einer sehr hohen Mobilität ausgehen, auch wenn einiges darauf hindeutet, dass der norddeutsche Raum zu Beginn der Eisenzeit nicht mehr so intensiv in den Fernhandel eingebunden war wie in der Bronzezeit.

Spricht man von einer hohen Mobilität, muss man sich vor Augen führen, dass es durchaus möglich war, in drei Wochen zu Fuß von der Schnippenburg nach Bayern zu laufen. Bestimmt waren überwiegend Händler unterwegs und vielleicht Söldner sowie "Diplomaten" - durch Mund-zu-Mund-Propaganda war ein reger Informationsfluss vorhanden. Dies betraf sicher nicht nur Gebiete im Bereich des heutigen Deutschlands. Man wird vielmehr davon ausgehen dürfen, dass auch die eisenzeitlichen Eliten in Norddeutschland eine Vorstellung davon hatten, was im Ostseeraum, südlich der Alpen oder auf dem Balkan vor sich ging - dabei sind die Zeiträume eines solchen überregionalen Informationsflusses wohl nicht wesentlich größer als drei bis sechs Monate gewesen. Man muss sich ganz sicher von alten Vorstellungen verabschieden, dass im Norden die Bevölkerung gegenüber dem Süden zurückgeblieben und unterentwickelt war und dass Informationen, Innovationen, Mode oder kulturelle Veränderungen hier erst Jahrzehnte oder Jahrhunderte später Fuß fassten.

Natürlich gab es etliche Unterschiede zwischen dem Süden, dem Osten und dem Norden Mitteleuropas, doch basierten diese weniger auf mangelnder Information, sondern vielmehr auf kürzeren Wegen oder besonderen Traditionen sowie regional angepassten Lebensgewohnheiten, verschiedenen Wirtschaftsformen und unterschiedlichen soziopolitischen Strukturen. Letztgenannte Faktoren waren wohl auch ein Hauptgrund dafür, dass sich in den Bereichen Wirtschaftsweise und Bestattungsbrauchtum kaum nennenswerte Änderungen oder Anpassungen einstellten.

Neben dem Fernhandel und dem damit verbundenen Technologie- und Kulturtransfer fand die überregionale Kommunikation über sehr unterschiedliche Wege und Systeme statt. Neben reisenden Fernhändlern, die eine Vermittlerrolle einnahmen, spielten in der Vorgeschichte sicher auch immer politische Bündnisse eine wichtige Rolle, die eventuell in Form von repräsentativen Geschenken einen Niederschlag im archäologischen Sachgut finden. Hinzu kommen Verwandtschaftsverhältnisse zum Beispiel zwischen unterschiedlichen Clans und Familien oder auch Zweckehen zur Stabilisierung von überregionalen Beziehungen. Zudem waren das Söldnertum und die Sklaverei wohl ebenfalls wichtige Faktoren, über die Technologie und Kultur vermittelt wurden. Weiterhin dürfte von Reichtumszentren, die auf einem besonderen Rohstoffvorkommen oder auch speziellen soziopolitischen Strukturen beruhten, Impulse ausgegangen sein. Die Orientierung an Vorbildern spielt immer eine große Rolle, wobei die Ursache für eine Vorbildstellung bzw. der Grund, Andersartiges als Vorbild anzusehen, sehr unterschiedlich motiviert sein kann. Dieser Umstand geht mit abweichenden gesellschaftlichen Strukturen und einem sehr differenten Traditionsbewusstsein einher. Ein weiterer Faktor sind Konflikte und Kriege, die oft auch eine Okkupation oder zumindest Unterdrückung von Gebieten zur Folge hatten und durch die es zu Akkulturation oder Assimilation kommen konnte. Hinzu kommen Wanderungen/Migrationen unter anderem auf der Suche nach neuem Siedlungsgebiet, die beispielsweise auf eine Bevölkerungszunahme oder auch Klimaveränderungen zurückgehen können.

Unter Berücksichtigung dieser vielfältigen Faktoren ist der "keltische Kulturraum" - oder für den Zeithorizont der Schnippenburg besser gesagt die Latènekultur - sicher ein wichtiger Impulsgeber für den Norden gewesen.

Die Schnippenburg - ein Handelsplatz?

Im Vordergrund der Ausgrabungen standen Fragen rund um die Funktion der Anlage. Das Fundmaterial gibt hierzu nur indirekte Hinweise, die über die zugehörigen Fundzusammenhänge und Befunde (zum Beispiel Überreste baulicher Strukturen) ergänzt und verifiziert werden müssen. So fehlen zum Beispiel für eine Ansprache der Schnippenburg als Handelsplatz bisher zugehörige Baubefunde im Innenraum der Anlage, die einen Marktplatzcharakter der Burg oder eines Bereiches innerhalb der Anlage deutlich machen würden. Die verkehrsgeographische Lage der Befestigung sowie die eindeutigen Importfunde, aber auch die unter "Fremdeinfluss stehenden Eigenkreationen" stehen dem fehlenden Befund gegenüber.

Zurzeit deuten die Funde und Befunde auf der Schnippenburg ebenso wenig darauf hin, dass die Schnippenburg in erster Linie als befestigter Wohnplatz genutzt wurde. Es fehlen vor allem Hinweise auf eine Innenbebauung - bisher liegen nur vereinzelte Pfostenspuren vor, die in keinen Gebäudezusammenhang gebracht werden können.

Bodenbildung und Befunde

Wichtig für die Beurteilung der Grabungssituation auf der Schnippenburg ist die Berücksichtigung der lokalen Stratigraphie, das heißt der natürlichen oder auch anthropogen (= durch den Menschen) beeinflussten Bodenschichtung. Auf dem untersuchten Areal befindet sich unterhalb der Humusdecke in der Regel ein Nährstoffhorizont, unter diesem wiederum eine so genannte Podsolschicht. Unterhalb der Podsolschicht trifft man auf der Schnippenburg ein Material an, das vor dem Einsetzen der ersten Bewaldung (um 10.000 v.Chr.) durch Wind auf den Geländesporn geweht worden ist. Dieses aufgewehte Material (im Folgenden vereinfacht als Sand bezeichnet) hat eine Mächtigkeit zwischen gut 40 cm und 200 cm. Die oberen 30 bis 40 cm sind durch die Wurzeln der Waldvegetation stark vermischt und gleichzeitig durch deren Nährstofftransporte relativ einheitlich verfärbt. Die unteren Schichten über dem saaleeiszeitlichen Geschiebe sind dagegen stark ausgeblichen.

Als auf der Schnippenburg mit der Geländenutzung vor rund 2300 Jahren begonnen wurde, rodeten die Eisenzeitler zunächst den gesamten Sporn. Nach der Rodung wurde ebenfalls die Humusschicht abgetragen, das heißt, die alte Oberfläche befand sich im obersten Bereich des Sandes. Alle Eingrabungen für Pfosten, Gruben etc. wurden dann direkt in den Sand eingetieft. Nachdem die Anlage verlassen bzw. zerstört worden war, setzte rasch die Wiederbewaldung ein. Es bildete sich eine neue Humusschicht mit Nährstoffhorizont und eine neue Podsolschicht - die Situation, wie wir sie heute vorfinden.

Sämtliche Eingrabungen der Eisenzeitler, die nur etwa 40 cm tief oder flacher in den Boden eingegriffen haben, können wir heute nicht mehr feststellen. Die Durchwurzelung der Waldvegetation hat diese ersten 40 cm so stark durchmischt und gleichzeitig durch den Nährstofftransfer verfärbt, dass die alten durch Eingrabungen bedingten Bodenverfärbungen "verwischt" wurden.

Daher lassen sich viele Verfärbungen nur noch schlecht oder gar nicht erfassen. Bodeneingriffe wie etwa 2 m tiefe Gruben stellen kein Problem dar, hier fehlen nur die ersten 40 cm. Pfostenlöcher aber, die nur 30 cm tief waren, können nicht mehr festgestellt werden. Einige ursprünglich etwa 60 cm tiefe Löcher sind nur noch auf den letzten 20 cm dokumentierbar und damit teilweise schwer zu bewerten.

Die Schnippenburg ein Siedlungsplatz?

Was heißt das nun für die bisher ungeklärte Frage nach einer Innenbebauung auf der Schnippenburg? Nur in einem Schnitt konnten beispielsweise noch einige Pfostenspuren dokumentiert werden, die allerdings nur noch 10 bis 20 cm tief erhalten waren, also ursprünglich wohl 50 bis 60 cm tief waren. Einzelne Gebäude ließen sich daraus allerdings nicht rekonstruieren - eventuell fehlen weitere Pfosten aufgrund ihrer geringen Tiefe, das heißt, sie konnten einfach nicht mehr archäologisch erfasst werden.

Hinzu kommt ein anderes Problem: Bisher herrscht große Unklarheit darüber, wie überhaupt die Häuser in den eisenzeitlichen Befestigungen ausgesehen haben. Dies hängt damit zusammen, dass es bisher nur sehr wenige entsprechende Befunde gibt und diese zudem sehr unterschiedlich sind. Während etwa auf der Aleburg bei Befort in Luxemburg Hausgrundrisse festgestellt wurden, die auch auf eine Aufstallung des Viehs in der Befestigung hindeuten, fehlen entsprechende Befunde von anderen Anlagen. Andernorts wurden dafür zum Beispiel kleine, fast quadratische Schwellbauten festgestellt, das heißt blockhausähnliche Gebäude, die gar keine in den Boden eingetieften Pfosten hatten. Solche Gebäude lassen sich eigentlich nur dann feststellen, wenn man Überreste von verbrannten Schwellbalken findet - wenn die Gebäude allerdings nicht verbrannt sind, ist ihre Auffindung nahezu unmöglich; auf der Schnippenburg wäre dies aufgrund der Stratigraphie schlichtweg ausgeschlossen. Zusammengefasst heißt das: Auch wenn keine Gebäude archäologisch nachweisbar sind, muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass es keine gegeben hat, zumal wir noch nicht einmal wissen, wie die entsprechenden Gebäude ausgesehen haben, die wir suchen.

Dies verhält sich bei den offenen Streusiedlungen im Umfeld der Anlagen völlig anders, wo wir immer wieder die gleichen Wohnstallhäuser als Hauptgebäude der Gehöfte finden. Aber macht ein Wohnstallhaus in einer Befestigung Sinn? Nur bei entsprechenden Bedingungen zur Viehhaltung im Umfeld der Burg - im direkten Umfeld der Schnippenburg gab es keine für die Viehhaltung erforderlichen Flächen, von einer begrenzten Möglichkeit der Waldhute (Eintreiben des Viehs in den Wald zum Beispiel zur Eichelmast von Schweinen) einmal abgesehen. Zudem fehlen auf der Schnippenburg erhöhte Bodenphosphatwerte, die bei einer Viehhaltung in der Anlage zu erwarten wären. Weder in den Grubenbefunden noch in der Fläche ließen sich stark erhöhte Phosphatwerte messen, die auf eine intensive Siedlungstätigkeit hinweisen. Organische Abfälle, Viehdung und auch menschliche Exkremente führen zu erhöhten Phosphatwerten und stehen in der Regel mit einer intensiven Siedlungstätigkeit in Zusammenhang.

Die Ergebnisse der Phosphatkartierungen werden zudem durch den archäobotanischen Befund gestützt. Auf der Schnippenburg wurden vor allem Bodenproben aus den Grubenbefunden archäobotanisch untersucht, um festzustellen, ob es sich nicht um Abfall- oder Vorratsgruben gehandelt haben könnte. Es waren jedoch insgesamt nur sehr wenige verkohlte pflanzliche Makroreste festzustellen, die unteren Schichten waren fast fundleer. Aufgrund der geringen Funddichte kann eine Nutzung der Gruben als Abfall- oder Vorratsgruben nahezu ausgeschlossen werden. Trotz geringer Quantitäten ließen sich allerdings einige Aussagen über die Vegetationszusammensetzung und die Nutzung von Pflanzen für die menschliche Ernährung treffen: Es wurden Getreidearten wie Rispenhirse, Gerste, Weizen, Emmer, Dinkel und Hafer nachgewiesen, wobei Weizen, Emmer und Dinkel als Brotgetreide anzusprechen sind, während Hirse, Gerste und Hafer vorwiegend der Zubereitung von Brei bzw. als Futtergetreide dienten. Weiterhin sind Walderdbeere, Himbeere, Brombeere und Haselnuss vertreten, welche zur Nahrungsergänzung gesammelt wurden.

Es fehlt jedoch der so genannte "settlement noise", das heißt die im Bereich eines Siedlungsplatzes vorauszusetzende Mindestmenge an botanischen Überresten.

Dennoch gibt es verschiedene Hinweise, die auch auf ein Alltagsleben auf der Schnippenburg hindeuten. Neben mehreren Feuerstellen wurde beispielsweise viel Gebrauchskeramik gefunden, die üblicherweise als Indikator für eine Nutzung als Siedlungsplatz angesehen wird. Hinzu kommen Funde, meist aus Gruben, wie ein Mahlsteinfragment, Webgewichte, Spinnwirtel und mehrere Schleif- und Reibsteine. Verschiedenste Untersuchungen und Beobachtungen haben allerdings zu dem Ergebnis geführt, dass es sich bei den Gruben nicht um Siedlungsgruben, also Abfall- oder Vorratsgruben handelt, sondern dass nahezu ausschließlich eine Interpretation als Opfergruben in Frage kommt.

Dabei deuten hier die Funde aus den Bereichen Gebrauchskeramik und Alltagsgegenstände eine Opfermotivation an, die auch als "bäuerliches Opfer" bezeichnet wird und wohl im Zusammenhang mit Fruchtbarkeitsriten gesehen werden muss. Somit ist in diesem Zusammenhang in Frage zu stellen, ob die üblicherweise als typische Siedlungsfunde zu interpretierenden Objekte hier tatsächlich einen Hinweis auf die Nutzung der Schnippenburg als Siedlungs- und Wohnplatz geben.

Die Quantität der Funde aus diesem Spektrum lässt allerdings immer noch darauf schließen, dass zumindest teilweise auch Alltagsleben in der Anlage stattfand. Die Schnippenburg kann jedoch sicher nicht primär als Wohnplatz angesprochen werden. Möglicherweise haben nur einige wenige Personen dauerhaft in der Burg gelebt. Dies deuten zumindest die - wenn auch beschränkten - archäobotanischen Befunde an.

Handwerk

Ein weiterer Aspekt, der mit dem Alltagsleben eng verbunden ist, sind handwerkliche Aktivitäten. Gab es überhaupt Handwerk und Handwerker auf der Schnippenburg? Wurden die zahlreichen Eisenfunde und Schmuckgegenstände in der Anlage oder außerhalb in ihrem Umfeld gefertigt?

Bisher wurden nur einige wenige Schmiedeschlacken gefunden, die darauf hindeuten, dass auf der Schnippenburg Eisen weiterverarbeitet wurde. Hinzu kommen einige Halbfertigprodukte und Objekte, die als Eisenschrott oder Recyclingmaterial gedeutet werden müssen. Zwei Eisenbarren können als weiteres Indiz angeführt werden. Für andere Formen der Metallverarbeitung steht bisher nur ein singuläres Bronzeobjekts, das als Überrest aus dem Trichter einer Gussform angesprochen werden kann.

Die große Anzahl an Eisenfunden führte am Beginn der Forschungen zu der Annahme, dass möglicherweise im Umfeld der Schnippenburg auch Eisen in größerem Umfang produziert wurde, womit auch teilweise der allgemeine Reichtum der Anlage hätte erklärt werden können.

Dass Rohstoffe in der Nähe zur Verfügung standen, war ebenfalls bekannt. Im Bereich der sich nördlich an das Wiehengebirge anschließenden Feuchtniederung gibt es große Raseneisenerzvorkommen. Umfangreiche Analysen an den Eisenfunden sowie an Raseneisenerzen aus der nördlich gelegenen Gemarkung Schwagstorf zeigen jedoch, dass wohl nur für wenige Gegenstände eine lokale Rohstoffquelle in Frage kommt. Zudem waren die Erzqualitäten nicht besonders gut, was jedoch nicht zwangsläufig auch für die in der vorrömischen Eisenzeit abgebauten Erze gegolten haben muss. Die geochemischen Untersuchungsergebnisse machen allerdings deutlich, dass die Eisenobjekte offensichtlich aus ganz unterschiedlichen Rohstoffen hergestellt wurden. Dabei zeichnen sich mindestens fünf Gruppen ab, die auf ganz verschiedene Lagerstätten hinweisen. Zudem wurde anscheinend in größerem Umfang auch recyceltes Material verarbeitet.

Einen Hinweis auf importiertes Eisen geben unter anderem die erwähnten Barrenfunde. Die genaue Herkunft der verwendeten Metalle konnten bisher noch nicht analysiert werden. Hier ist die Forschung erst am Anfang, und das metallanalytische Projekt auf der Schnippenburg leistet Pionierarbeit.

Gruben und Kleindeponierungen - Opfer und Kult?

In einem Bereich der Grabung (Schnitt 8 und 10) fanden sich zahlreiche relativ dicht nebeneinander liegende Gruben, die allerdings nie Überschneidungen zeigten. Bei all diesen bis zu 2 m tiefen Gruben kann man feststellen, dass sie sehr zeitnah und einige sehr zügig wieder verfüllt wurden.

Während die Funde aus einigen Gruben eindeutig als gezielt abgelegt interpretiert werden können - weder bei einer Lanzenspitze noch bei Bronze-oder Perlenschmuck kann es sich um Abfall handeln -, ist die Ansprache der Funde aus anderen nicht ganz so eindeutig. Hier dominieren Keramikgefäße, teils vergesellschaftet mit Schleifsteinen, Spinnwirteln oder kleinen Eisengeräten, die ebenfalls aus dem Bereich des Textilhandwerks stammen (Pfrieme). Entsprechende Ensembles werden auch als "bäuerliche Inventare" bezeichnet.

Der Inhalt und das Fundinventar aus den Gruben sowie der Umstand ihrer raschen Verfüllung sprechen eindeutig gegen eine Ansprache als Abfall- oder Vorratsgruben, vielmehr handelt es sich bei hierbei um Opfergruben und die Befunde müssen somit vor einem religiösen Hintergrund bewertet werden.

Daneben muss entsprechend auch die Deutung der kleinen Deponierungen, in der Regel Niederlegung mehrerer Schmuckstücke, sowie die Deutung mehrerer oberflächennaher Fundkonzentrationen hinterfragt werden. Anfangs als Verwahr- oder Versteckfunde interpretiert, liegt nun eher die Vermutung nahe, dass es sich bei den den kleinen Depots ebenfalls um Opferungen handelt. Bei den oberflächennahen Fundkonzentrationen ist kein zugehöriger Befund, wie etwa eine Grube, erkennbar, vielmehr wurden hier anscheinend an einer bestimmten Stelle immer wieder Metallobjekte niedergelegt. Diese Niederlegungen dürften ebenfalls rituelle Hintergründe haben (ähnliche Befunde gibt es von zahlreichen anderen eisenzeitlichen Burgen).

Bei Betrachtung der unterschiedlichen Deponierungssitten stellt sich natürlich die Frage, ob alle drei Varianten zeitgleich sind, und inwiefern sie mit der Befestigung korrespondieren, das heißt: Gab es möglicherweise schon vor dem Befestigungsbau Opferungen an diesem Platz? Diese Frage gewinnt zudem bei Betrachtung der Gesamtverteilung des Fundmaterials an Brisanz. Während die Deponierungen und Opfergruben bisher nur im Innenraum der Burg nachgewiesen werden konnten, streuen die Einzelfunde deutlich über den Befestigungswall hinaus.

Bisher gibt es keine eindeutigen Hinweise, die gegen eine Gleichzeitigkeit der verschiedenen Niederlegungen sowie der Deponierungen mit der Befestigung sprechen. Im Gegenteil spiegeln die Funde allesamt typologisch eine große zeitliche Nähe wider, die sich gut mit dem Befestigungsbau in Verbindung bringen lässt.

Welchen Hintergrund die Opferungen auf der Schnippenburg hatten, können wir heute nicht mehr sicher feststellen. Uns fehlen weitestgehend Informationen zur religiösen Welt der keltisch geprägten vorgermanischen Bevölkerung in Nordwestdeutschland. Die wenigen bekannten Hinweise zu diesem Themenbereich stammen vor allem von Bestattungsplätzen oder Naturheiligtümern. Dennoch kann man versuchen, aus den unterschiedlichen Zusammensetzungen der Inventare der Gruben und Fundkonzentrationen Hinweise auf die Motivation oder den Zweck des Opfers abzuleiten. Dabei betritt man jedoch in jedem Fall den Bereich der Spekulation - es kann sich also bei den folgenden Überlegungen immer nur um Mutmaßungen handeln:

Auf die so genannten "bäuerlichen Inventare" einiger Gruben wurde schon kurz eingegangen. Gebrauchskeramik wie Kochgeschirr und Vorratsgefäße, Spinnwirtel, Webgewichte oder Reib- und Schleifsteine werden in Verbindung mit dem Alltagsleben gesehen. Entsprechend versucht man, solche Opfergaben mit den Lebensgrundlagen der damaligen Bevölkerung in Zusammenhang zu bringen und sie als Gaben innerhalb eines Fruchtbarkeitsritus' zu deuten.

Dem gegenüber stehen die Niederlegungen der Schmuckensembles, welche offensichtlich einen Familienschatz oder die Ausstattung einer Einzelperson widerspiegeln. Solche Opferungen haben sicher einen persönlichen Bezug und werden als Weihe- oder Bittopfer von Individuen angesehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um sehr wertvolle Gegenstände handelte, die zum einen eine höher stehende Persönlichkeit als Besitzer vermuten lassen und zum anderen sicher das gesamte Hab und Gut des/der Opfernden darstellten. Eine Fortgabe des wertvollsten materiellen Besitzes erfolgte wohl nur in besonderer Not.

In diesem Zusammenhang werfen einige Ensembles von der Schnippenburg auch neue Fragen auf, da neben hochwertigen intakten Gegenständen in einigen Depots offenbar schon beschädigte Objekte niedergelegt wurden. Die Zusammenstellung macht nicht etwa den Eindruck eines Rohstoff- oder Recyclingdepots. Entweder wurde hier ein lang gehüteter, aber nicht mehr intakter Familienbesitz niedergelegt, oder es handelte sich nur um »zweite Wahl«, um Schmuck, der sowieso nicht mehr tragbar gewesen ist. Betrug an den Göttern?

Während für die Schmuckstücke vorwiegend Frauen als Trägerinnen in Frage kommen und vielleicht sogar die opfernden Personen waren, können die Waffen der Männerwelt besonders den Kriegern zugesprochen werden. Waffen waren Statussymbole, jedoch gleichzeitig Wertgegenstände oder aber Kriegsbeute. In einen kriegerischen Zusammenhang stellt man daher auch einen Großteil der bekannten Waffenopfer. Dabei können verschiedene Motivationen in Frage kommen. Erbeutete Waffen können ein Dankopfer sein, die Opferung der eigenen Waffenausstattung - ob Statussymbol oder Wertgegenstand - wiederum Weihe- oder Bittopfer. Des Weiteren werden Waffenopfer auch im Zusammenhang mit der Beendigung eines Lebensabschnittes als Krieger gedeutet.

Nach Betrachtung der verschiedenen Opferungen muss weiterhin die Frage gestellt werden, in welchem Zusammenhang die vielen Einzelfunde von der Schnippenburg stehen, welche im Zuge der Sondenprospektion unmittelbar unterhalb der Humusschicht gefunden wurden. Handelt es sich um schlichte Verlustfunde, das heißt um Objekte, die einfach verloren gingen? Dafür scheinen allerdings etliche Gegenstände zu wertvoll gewesen zu sein, allein schon aufgrund ihres Materialwertes. Daran schließt sich auch unmittelbar die Frage an, warum all diese Gegenstände einfach in der Burg liegen geblieben sind und nicht etwa beim Verlassen der Anlage mitgenommen wurden oder - falls die Burg durch einen Angriff zerstört wurde - der Plünderung zum Opfer fielen? Etliche der Einzelfunde wurden auch außerhalb des Befestigungsrings gefunden - im direkten Umfeld der Burg.

War der Ort mit einer Art Tabu belegt, oder handelt es sich auch bei einem Großteil der Einzelfunde um Objekte aus einem rituellen Kontext?

Diese Fragen müssen beim derzeitigen Forschungsstand leider unbeantwortet bleiben.

Für verschiedene Kultplätze wurde immer wieder vermutet, dass Opfergaben an heute nicht mehr nachweisbaren Pfählen aufgehängt wurden. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf ein Beispiel aus der klassischen Antike: So berichten verschiedene antike Autoren über die so genannte Altis, den heiligen Hain im griechischen Olympia, dass hier Opfergaben an den Bäumen aufgehängt wurden, und dies auch außerhalb des eigentlichen Kultzentrums. Waren die Bäume voll behängt, wurden die Opfergaben abgeschnitten, um Platz für neue Devotionalien zu schaffen. Die alten Gaben fielen einfach auf den Boden, wo sie liegen gelassen wurden.

Die Schnippenburg und die keltische Welt - das Resümee

 

Es stellt sich abschließend die Frage, ob nicht eine der dargestellten Funktionen einen vorrangigen Stellenwert gehabt haben kann, das heißt, ob es einen Nutzungsschwerpunkt gab. Die bisherigen Hinweise deuten am ehesten auf eine Primärfunktion als Opferplatz hin. Berücksichtigt man weiterhin die Vorstellung von einer Multifunktionalität, so wird man bei der Schnippenburg eher an einen Platz mit starker symbolischer Bedeutung denken müssen, der vielleicht für religiöse sowie administrative Zwecke genutzt wurde. Wenn der Platz eine wichtige religiöse und administrative Funktion für ein größeres Einzugsgebiet hatte (Umkreis 30 bis 50 km?), dann könnte man ihn auch als Zentralort ansprechen, womit er Mittelpunkt einer größeren sozialen und territorialen Einheit gewesen sein müsste, die wir derzeit noch nicht näher beschreiben können.

Ein solches religiöses Zentrum, das nicht zuletzt aufgrund seiner Befestigungskonstruktion stark repräsentativen Charakter hat, was den administrativen Aspekt stützt, kann man mit etwas Phantasie auch mit einer Akropolis oder dem römischen Kapitol der klassischen Antike vergleichen. Beide Einrichtungen hatten eine ähnliche Funktion und waren der Identifikations- und Fixpunkt ihrer Gesellschaften.

Die Nähe zur antiken Welt wird in diesem Zusammenhang besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass zu der Zeit, als die Schnippenburg erbaut wurde, das Heiligtum von Delphi durch keltische Invasoren geplündert wurde.

Dieser vielleicht etwas weit hergeholt erscheinende Vergleich leitet jedoch dazu über, auch im Bereich des Sachguts und anderer Aspekte nach mediterranen Wurzeln und Vorbildern zu fahnden. Prestigegüter wie zum Beispiel römisches oder etruskisches Trinkgeschirr hatten während der vorrömischen Eisenzeit im ganzen Umfeld nördlich der Alpen eine besondere Bedeutung. Mediterrane Lebensweise und Mode waren chic, und von einigen Wissenschaftlern wird im Zusammenhang mit der Latènekultur gelegentlich auch scherzhaft von einem "Abklatsch" der etruskischen Kultur gesprochen.

An welchen Objekten bzw. Merkmalen werden nun kulturelle Identitäten oder auch in nächster Instanz Ethnien festgemacht? Wer waren denn vor diesem Hintergrund die Kelten, und was hatten sie mit der Schnippenburg zu tun? Vieles spricht heute dafür, dass es die Kelten im Sinne eines Volkes/einer Ethnie nie gegeben hat.

Betrachtet man die Latènekultur, beziehen sich die charakteristischen Merkmale vor allem auf die Bereiche Tracht, Sachkultur, Wirtschaftsweise, Grabritus und Kult. Hierüber lassen sich offenbar unterschiedliche Gruppen fassen, aber auch ähnliche Phänomene, Entwicklungen und Strömungen nachvollziehen. Betrachtet man die genannten Kriterien nun für das Zeitfenster der Schnippenburg, so lässt sich feststellen, dass es in einem Bereich, der vom zentralen Ostfrankreich über Teile Belgiens und Luxemburgs, Teile Baden-Württembergs und Nordbayerns bis nach Böhmen reicht, offenbar eine Art Zentrum der Latènekultur gegeben haben muss. Die Wirtschaftsweise, enge Kontakte in die mediterrane Welt, besondere Kunstformen, die sich in weiten Teilen auf den Bereich der Trachtausstattung beziehen, ähnliche Bestattungssitten und offenbar auch vergleichbare religiöse Vorstellungen markieren im archäologischen Fundgut den regionalen Ausgangspunkt einer neuen Leitkultur, die nahezu die gesamte zweite Hälfte des letzten Jahrtausends vor Christus prägte und ganz besonders im 3. Jahrhundert vor Christi Geburt weit über das Ursprungsgebiet hinaus ausstrahlte. Auch wenn innerhalb des beschriebenen Kerngebiets sicherlich unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen lebten, die sich in der Gesamtheit nicht als Volk verstanden, scheint es doch eine enge sprachliche Nähe gegeben zu haben, die eventuell neben politischen Bündnissen Grundlage für die beschriebene überregionale Einheit gewesen sein kann.

Bis vor 10 bis 15 Jahren bestand noch die Annahme, dass sich die Latènekultur weitestgehend auf den beschriebenen Kernraum beschränkte. Die Ergebnisse der jüngeren Forschung zeichnen allerdings ein ganz neues Bild. Und gerade in diesem Zusammenhang kommt auch den Funden von der Schnippenburg ein ganz besonderer Stellenwert zu. Es zeigt sich nämlich deutlich, dass sich auch weit außerhalb des mutmaßlichen Kerngebiets eine ausgeprägte Begeisterung und Teilnahme am neuen "Lifestyle Latènekultur" findet. Dies betrifft interessanterweise in erster Linie die Bereiche Sachkultur (z. B. Tracht) sowie offenbar bestimmte religiöse Vorstellungen - und der Befestigungsbau könnte bezüglich verschiedener Kriterien ebenfalls in diesen Kontext gestellt werden.

Hatte man bislang stets vermutet, dass die Trachtausstattung ein sehr starkes Identifikationsmoment ist, scheint dies in der mittleren und jüngeren Latènezeit nur bedingt der Fall gewesen zu sein - eine äußerst wichtige Erkenntnis, die vielleicht auch zur Prüfung weiterer Thesen den Anlass gibt.

In den Randgebieten des "Latènekernlands" hat sich zunehmend die neue Mode durchgesetzt, teils durch lokale Varianten leicht verändert; einiges wirkt wie gewollt, aber nicht ganz so gut bewerkstelligt. Auch religiöse Vorstellungen, wie am Beispiel Schnippenburg zu sehen, wurden offenbar dem neuen Lebensgefühl untergeordnet, wodurch sich wiederum eigene Formen entwickelten, da Nachahmung selten zu ganz identischen Ergebnissen führt. Teilweise scheinen bestimmte Ideen auch einfach nicht ganz richtig verstanden worden zu sein, weil man eben doch nicht die Latènekultur in vollem Umfang lebte, sondern sich nur an ihr orientierte.

Dass sich offenbar über diese Strömungen und Ausbreitung auch Vorstellungen und Muster aus dem mediterranen Umfeld - via Mechanismus "Stille Post" und damit starken Modifikationen unterworfen - bis zur Schnippenburg verbreiteten, muss somit nicht mehr gänzlich ausgeschlossen werden.

Die an dieser Stelle auch noch einmal zu erwähnenden sehr unterschiedlichen religiösen Vorstellungen, die offenbar doch eine Gemeinsamkeit haben, nämlich dass man nicht mehr in erster Linie Naturheiligtümer sondern auch errichtete/ angelegte Kultplätze nutzt9, zeigen die Variantenbreite der Latènezeitler, deren Modebewusstsein doch ein sehr Ähnliches gewesen zu sein scheint.

Dass die Menschen im Randbereich der Latènekultur dennoch anders geprägt waren als die "Erfinder der Leitkultur", zeigen ganz deutlich die unterschiedlichen Wirtschaftsweisen, welche auch starken Einfluss auf das jeweilige soziale Gefüge gehabt haben müssen. Den entscheidenden Schritt zu einer neuen Wirtschaftsweise konnten die Gruppen in der Peripherie offenbar noch nicht leisten und nachvollziehen - hier waren die regional unterschiedlichen und gegenüber dem Kerngebiet deutlich andersartigen Traditionen stärker als der neue, nach außen getragene "Lifestyle".

Die Funde von der Schnippenburg sind Anlass für die beschriebene aktuelle Diskussion und geben dabei trotz der vielen Fragen rund um die Funktion des Platzes zahlreiche wegweisende Aufschlüsse bezüglich der Mechanismen des kulturellen Phänomens "Latènekultur" vor einem mitteleuropäischen Kontext.

Aktualisiert man nun heute die alten Kartierungen zu Ethnien und kulturellen Gruppen während der mittleren und jüngeren vorrömischen Eisenzeit, müsste es einen Latènekernbereich geben, der alle Kriterien bezüglich dieser kulturellen Epoche einheitlich erfüllt (von kleinen lokalen Variationen abgesehen). Daneben bzw. darum herum stünde ein großflächiges, fast ganz Mitteleuropa umfassendes Gebiet, das sich äußerlich und in Teilen der religiösen Vorstellungen dem neuen "Lifestyle" unterordnet und alle wesentlichen Merkmale im Bereich Sachkultur und Tracht der Latènekultur widerspiegelt. Dieser Großraum repräsentiert jedoch ebenso wenig wie das Kerngebiet eine einheitliche Gruppe - vielmehr besteht er aus zahlreichen völlig unterschiedlich tradierten sozialen und kulturellen Einheiten.

 

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Weiterführende Links

Unter der Adresse www.schnippenburg.de finden Sie weitere Informationen zur Ausstellung.

Zusätzlich finden Sie in unserem Guide im Bereich Themen / Eisenzeitliche Befestigungen eine Zusammenstellung von Links zum Thema.