Aus der Küche ins alchemistische Laboratorium

Die Entwicklung alchemistischer Gefäße

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Technologie

Als Ausgangspunkt für die Entwicklung müssen allgemein bekannte, vorhandene Gefäße angesehen werden, die für die verschiedensten Zwecke im Haushalt, insbesondere zum Kochen, verwendet wurden. Die Prozesse, die beim Kochen und allgemein bei der Speisenzubereitung ablaufen, sind im Grunde alchemistische, ja sogar chemische Prozesse. Die dabei benutzten Gefäße entwickelten sich in den verschiedenen Gegenden zu unterschiedlichen Zeiten sehr variantenreich in Bezug auf Form, Dekor und Material. Das für die vorliegende Arbeit Wesentliche ist der Ausgangsformenbestand, den ein fiktiver „Alchemist“ am Anfang seiner Karriere vorfindet. Als „Alchemist“ soll hier eine männliche oder weibliche Person bezeichnet werden, die sich in praktischer Arbeit mit den Veränderungen von Stoffen oder Stoffgemischen befasst, die diese in verschiedenen Prozessen wie Erhitzen, Auflösen, Aufkochen, Verbrennen u. ä. erfahren. In allen Zeiträumen der Menschheitsgeschichte gab es Menschen, die sich für diese Prozesse interessierten, sie beobachteten, Schlüsse aus Beobachtungen zogen und diese in die Praxis umsetzten, um ihr Leben zu erleichtern, Krankheiten und Verletzungen zu heilen oder materielle oder geistige Gewinne zu erzielen. Sie alle können als Alchemisten bezeichnet werden.

Die Urform aller Töpfe war ein grob halbkugeliges Gefäß, das in glühende Holzkohle oder heiße Asche gestellt wurde. Die Gefäße wurden aus Lehm durch Formen und Brennen hergestellt, in einigen orientalischen Gebieten in der Zeit des sog. akeramischen Neolithikums aus Stein.

Merkwürdigerweise sind kaum Deckel bekannt; es ist zu vermuten, dass aufgesetzte andere Töpfe eine abdeckende Funktion versahen. Als Materialien für die Töpfe treten späterhin Bronze, Kupfer, Eisen hinzu, noch später in beschränktem Umfang Glas. Zur Erhöhung der Standfestigkeit im Feuer auf dem Herd (ursprünglich eine feuerfeste Platte, auf der das Feuer brannte) wurden Töpfe mit drei Beinen versehen: die Dreibeintöpfe (in Norddeutschland „Grapen“) waren erfunden. Flachere, pfannenähnliche Formen werden als „Dreibeinpfännchen“ bezeichnet.

Die einfachste Form von tragbaren Lampen waren kleine flache Schalen, die ein brennbares Material wie Fett oder Talg und einen irgendwie fixierten Docht enthielten. Für diese Objekte hat sich der Name „Talglämpchen“ eingebürgert.

Zum Zerkleinern von Körnern dienten „in den alten Küchen“ flache oder flach ausgehöhlte Steine, auf denen die Körner mit einen rundlichen Stein zermahlen wurden: die Mühlen. Hiermit ist schon der Ausgangsbestand an Gefäßen und Geräten für einen „Alchemisten“ beschrieben. Die übrigen Gefäße sind bereits mehr oder minder fortgeschrittene Entwicklungen auf ihrer Grundlage – sie stellen zum Teil regelrechte Erfindungen dar.

Als Verbesserung in Bezug auf die Dichtigkeit der keramischen Gefäße muss die Technik des Glasierens der Keramik erwähnt werden, die in der Region Basel vereinzelt schon im 13. Jahrhundert bei Alltagsgeschirr anzutreffen ist. Die Gefäße wurden auf ihrer Innenseite, die mit Wasser oder anderen Flüssigkeiten in Berührung kam, glasiert, während die dem Feuer zugewandte Außenseite wegen der geringen Feuerbeständigkeit der verwendeten Bleiglasur unglasiert blieb. Talglämpchen, Probirscherben, Tiegel (größere Gefäße für Schmelzen) blieben unglasiert. Die Erfindung der Glasmacherpfeife ermöglichte einen Entwicklungssprung, da sie die einfache Herstellung auch komplizierterer Formen durch das Glasblasen ermöglichte. Was konnte ein fiktiver Alchemist nun mit diesem Ausgangsbestand anfangen?

Vom Topf mit Deckel zur Destillations-, Extraktions- und Sublimationsapparatur

Zur Definition:
Als Destillation ist ein Prozess zu bezeichnen, bei dem eine Flüssigkeit verdampft, an einer kühlen Gefäßwand kondensiert, gesondert gesammelt und - jetzt Destillat genannt - aus der Apparatur herausgenommen wird. Wird das Kondensat dagegen in die Apparatur zurückgeleitet, liegt eine Extraktion unter Rückfluss vor.Eine Sublimation liegt vor, wenn ein fester Stoff direkt, ohne zu schmelzen, verdampft und wieder an einer kühlen Gefäßwand direkt zum Feststoff kondensiert.

Als Dekantieren wird ein Prozess bezeichnet, bei dem eine überstehende Flüssigkeit von einem festen Bodenkörper abgegossen wird. Es handelt sich um hierbei um wichtige alchemistische oder chemisch-technologische Prozesse.

Einem sorgfältigen Beobachter der Kochvorgänge in der Küche kann nicht entgehen, dass sich an der Unterseite eines Deckels – wie auch immer er aussehen mag – Tropfen abscheiden, die durch Abkühlen des aufsteigenden Dampfes entstehen. Zum Gedanken, diese Tropfen durch eine besondere Gestaltung des Topfes mit Deckel aufzufangen, irgendwie nutzbar zu machen und auch vielleicht auf ihre Natur hin zu untersuchen, ist es nicht weit. In diesem Falle stellte sich die Aufgabe, zweckmäßige Formen zu entwickeln.

Tatsächlich zeigen Bodenfunde aus sumerischer Zeit, dass solche Gefäße bereits in sehr früher Zeit existierten. Abbildung 1 zeigt ein solches, sehr großes Gefäß mit Rinnenrand. Wenn in diesem Rand ein zweiter Topf mit einfachem Rand umgekehrt ruht, kann sich in der Rinne das Kondensat sammeln. Wir haben es dann mit einer Apparatur zu tun, die die Durchführung einer Destillation (oder auch einer Sublimation) ermöglicht. Ist die Aufnahmekapazität der Rinne erschöpft, läuft das Destillat über den niedrigeren Innenrand der Rinne in den Topf zurück. Es ist sicherlich etwas schwierig, das Destillat aus der Rinne zu schöpfen.

Abbildung 2 zeigt links eine solche Apparatur. Aber auch in um 180° gedrehter Form (rechts in der Abbildung) ergibt sie einen Sinn: Die im oberen Gefäß kondensierte Flüssigkeit fließt in das untere Gefäß zurück. Es ist nicht zu entscheiden, ob auch diese Möglichkeit früher realisiert wurde. Sicher ist jedoch, dass bereits in dieser frühen Zeit Destillationen und Extraktionen unter Rückfluss durchgeführt wurden.

An dieser Stelle sei eine Bemerkung zur Nomenklatur eingefügt: Der untere Teil einer solchen Apparatur wird auf den Küchenhintergrund zurückgehend Topf oder besser Gefäß genannt, der obere Helm.

In Tepe Gawra wurden auch Gefäße mit einem Rinnenrand gefunden, der an der Innenseite ein Loch oder auch mehrere Löcher aufweist, so dass die Flüssigkeit in den Topf zurückfließen konnte. Dank dieser Erfindung konnte man das Material im Topf sehr lange erhitzen, ohne dass die verdampfte Flüssigkeit fortwährend ersetzt werden musste. Der Chemiker unserer Tage spricht von „Erhitzen unter Rückfluss“, einer Technik, die z. B. bei langsam ablaufenden Reaktionen oder Lösevorgängen – Extraktionen - angewendet wird. Die genannten Gefäße eignen sich auch für die Durchführung von Sublimationen.

Die Erfindung des Rinnenrandes für Töpfe erwies sich als äußerst bedeutsam und zweckmäßig, die viele Jahrtausende lang Anwendung fand. Bevor auf die weitere Entwicklung eingegangen wird, soll aber noch eine weitere Anwendung der Erfindung des Rinnenrandes behandelt werden, die nicht so leicht verständlich ist. Abbildung 3 zeigt ein Gefäß, das zwar ebenfalls einen Rinnenrand aufweist, bei dem jedoch die Rinne nicht nach oben frei zugänglich, sondern an zwei Stellen überbrückt ist [1]. Es ist also nicht möglich, einen halbkugeligen „Deckel“ in die Rinne zu stellen – die Deutung als Topf einer Destillationsapparatur muss als falsch angesehen werden. Der Autor hält dieses Gefäß für ein Dekantiergefäß, bei dem der doppelte Rand das Abgießen der Flüssigkeit von einem darin befindlichen Feststoff erleichtert.

Erstaunlicherweise besteht nach diesen beschriebenen Funden aus sehr früher Zeit eine Lücke, ein Hiatus, der jedoch vermutlich nur auf den Forschungsstand zurückzuführen ist.

Ein weiterer bedeutender Gedanke zur Verbesserung der Destillationsapparaturen besteht in dem Wunsch, das Kondensat nach außen abzuleiten und in einem besonderen Gefäß aufzufangen. Hierzu genügt nicht ein einfaches Loch in der Außenseite der Rinne, sondern es muss eine Ablaufmöglichkeit etwa in der Form eines Rohres geschaffen werden. Dies geschah tatsächlich, an den Rinnenrand des Topfes wurde ein Rohr – heute Schnauze genannt - angesetzt: die Destillationsapparatur war entscheidend verbessert. Der bislang älteste Bodenfund einer solchen Apparatur, die diesen Namen wirklich verdient, kam in Basel zutage und ist in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert. Abbildung 4 zeigt dieses Gefäß. Es wurde alt beschädigt und als Tiegel verwendet, kann jedoch mühelos rekonstruiert werden. Es ist Teil eines größeren Fundkomplexes, in dem sich neben weiteren ähnlichen Destillier- und anderen Gefäßen auch noch eine komplette Sublimationsapparatur befindet.

Das Destilliergefäß besitzt eine Rinne mit einem Abflussrohr für das Destillat. Der „Deckel“, der Helm, wurde nicht überliefert, ist aber mühelos als etwa halbkugeliger Topf zu rekonstruieren. Abbildung 5 zeigt eine entsprechende Destillationsapparatur, die als Skizze in einem englischen Manuskript aus dem 14. Jahrhundert gezeigt wird.

Der archäologische Fund bestätigt also die schriftliche Überlieferung. Wesentlich ist, dass man hiernach mit guter Berechtigung auch die übrigen in diesem Manuskript gezeigten Geräteskizzen als realistisch ansehen kann – trotz manchmal recht skurriler Formen.

Die in Abbildung 6 gezeigte Sublimationsapparatur ist vollständig erhalten. Sie besteht aus dem unteren Gefäß mit einer Rinne und einem oberen Gefäß, dem Sublimationshelm, mit einem kleinen Loch an der Spitze. Dieses Loch soll das Entweichen der am Beginn des Sublimationsprozesses entweichenden Dämpfe, insbesondere Wasserdampf, ermöglichen. Nach einiger Zeit wird das Loch verstopft, z.B. mit einem Nagel, und das feste Sublimationsprodukt schlägt sich an der Innenseite des Helmes nieder, wo es nach Beendigung des Prozesses abgekratzt werden kann. Diese Apparatur ist ebenfalls mit einer Skizze (ohne das Loch in der Helmspitze) in dem erwähnten Manuskript vertreten.

Zurück zu den keramischen Destillationsapparaturen. Die Basler Apparatur besitzt einen Nachteil: das ableitende Rohr, die Schnauze, befindet sich direkt in der Wärmezone, was zu Destillatverlusten führt. Die weitere Entwicklung führte daher zu Destillationshelmen, die ihrerseits die sammelnde Rinne mit ableitender Schnauze besitzen. Der früheste Fund stammt wiederum aus der Schweiz, von der Burg Scheidegg bei Liesthal im Kanton Baselland; eine in Bezug auf das Gefäß verbesserte Version aus Konstanz. Beide Helme datieren um 1300; dieser Typ eines Helmes wird Glocke (campana) genannt.

Dieser keramische Destillierhelm muss dem Bereich „gehobene Küche“ zugerechnet werden, da er in Burgen, Patrizierhäusern, Klöstern und Brennereien gefunden wurde, nicht in alchemistischen Laboratorien. Er diente der Herstellung von Trinkalkohol.

Das zu destillierende Gut befindet sich in dem Destillationsgefäß, einer Schale (patina), die in einem Sand-, Asche- oder Wasserbad erhitzt wird. Die aufsteigenden Dämpfe kondensieren an der Wandung der Glocke und laufen in die Rinne, von dort aus durch die Schnauze in die Vorlage (receptaculum), hier einen Kolben (cucurbita). Das Destillat ist mit sehr viel Wasser vermischt, es wird nur ein etwa 22%iger Alkohol erzeugt, wie Versuche des Autors mit einer nachgebauten Apparatur ergaben.

Eine weitere Verbesserung stellt eine in Dänemark gefundene Apparatur (datiert um 1400) dar; auch in Norddeutschland konnte ein solches Gerät nachgewiesen werden. Bei ihr wird der Dampf oben am Destillierhelm abgenommen und zur Kondensation in einem Rohr durch einen von kaltem Wasser durchflossenen Trichter geleitet. In dieser Weise wird verhindert, dass die kondensierte Flüssigkeit viel Wasser enthält, da hauptsächlich der Alkoholdampf zur Helmspitze hochsteigt, weniger der Wasserdampf. Das Ergebnis ist ein sehr hochprozentiger Trinkalkohol; bei einem Versuch wurde ein 67%iger Alkohol erhalten.

Während des Hiatus bei den keramischen Gefäßen für alchemistische Zwecke erfolgte die weitreichende Erfindung der Glasmacherpfeife in der 2. Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts. Damit war die Möglichkeit der einfachen Herstellung auch komplizierterer Formen möglich.

Leider gelang es bisher nur selten, alchemistische Glasgefäße aus frühester Zeit im Boden zu finden; die frühesten Funde datieren meist etwa in das 14./15. Jahrhundert. Wir wissen jedoch aus Schriftfunden, dass die Entwicklung gläserner Apparaturen früher erfolgte: Abbildung 8 zeigt ein Beispiel aus einem griechischen Manuskript, das in das 10. Jahrhundert datiert ist. Der Destillierhelm (hier ein Tribikos) wird aus Glas gefertigt sein.

Ein Glücksfall ließ den Autor ein gläsernes Gerät, das in das 9. christliche Jahrhundert datiert ist, aus Nishapur, Iran, im Magazin eines Museums entdecken und identifizieren. Es handelt sich um einen gläsernen Sublimationshelm (Abbildung 9).

Seine Funktion: durch das nach oben weisende Röhrchen entweichen zu Beginn die Dämpfe. Danach verstopft sich die kleine Öffnung selbsttätig mit dem Sublimat, und der ungestörte Sublimationsprozess kann beginnen. Da der zu dem iranischen Helm gehörende Topf leider fehlt, wurde die Apparatur unter Zuhilfenahme des Basler Sublimationsgefäßes rekonstruiert.

Irgendwann im Laufe des ersten christlichen Jahrtausends wurden gläserne Destillierhelme erfunden, und zwar sicherlich im damals griechischen Orient. Sie erhielten die Bezeichnung Alembiken, die aus einem arabischen (dem Artikel „al“) und einem griechischen („ambix“ oder „ambikos“, eine Schale mit ausgebogenem Rand, ein Haushaltsgefäß) Wort entstand. Alembiken wurden in großer Anzahl im Boden gefunden, allerdings erst mit relativ später Datierung, etwa seit dem 14. Jahrhundert. Sie stellen eine sehr befriedigende Entwicklungsstufe dar, die sich bis in das 19. Jahrhundert bewährte und erhielt. Abbildung 10 zeigt eine Destillationsapparatur mit einem typischen Alembiken.

Der Alembik sitzt auf dem Hals eines Kolbens (einer cucurbita). Der beim Destillieren aus dem Kolben aufsteigende Dampf kondensiert an den Wänden des Alembiken, fließt hinunter und sammelt sich in der Rinne. Aus dieser fließt das Destillat durch den Schnabel (rostrum) in die Vorlage (receptaculum).
Alembik und Vorlage sind üblicherweise aus Glas gefertigt. Der Kolben dagegen besteht aus Gründen der Feuerbeständigkeit und der Festigkeit meistens aus Keramik. Es gibt auch Keramik-Alembiken, wegen der für Keramik nicht materialgerechten Form sind sie jedoch sehr selten.

Die Destillatorien mit Alembiken waren typische Apparaturen der Alchemisten und später der Pharmazeuten, die mit ihrer Hilfe wirklich alles, von Säuren über Hühner bis zu Blut, destillierten. Vereinzelt fanden sie, modisch bedingt, auch in der gehobenen Küche Verwendung: hier wurden Suppen destilliert, zur Verfeinerung über Edelsteinen. Zum Symbol für die Alchemie und die Chemie wurde jedoch ein später aus dem Kolben entwickeltes Destilliergefäß aus Glas, die Retorte.

Die Form eines Kolbens ergibt sich beim Glasblasen praktisch von selbst. Die Ähnlichkeit seiner Form mit der einiger Kürbisarten führte zu der lateinischen Bezeichnung cucurbita (= lat. Kürbis). Die Abbildungen 11 und 11a verdeutlichen diese Zusammenhänge.

Der Hals des abgebildeten Kürbisses ist schon etwas gebogen, womit sich die Form der cucurbita retorta andeutet (zurückgebogen = lat. retortus): die Form der Retorte.

Die Retorte ist ein Gerät der Laboratoriumstechnik des 16. Jahrhunderts. Sie vereinigt in einem Teil die Funktionen des Kolbens und des Alembiken, stellt also eine rationelle Form dar, die aber die Nachteile der erschwerten Beschickung und Reinigung hat. Sie wurde wegen des kurzen Dampfweges zur Destillation hochsiedender Stoffe eingesetzt.

Üblicherweise war sie aus Glas; es gibt jedoch auch Retorten aus Keramik, obwohl die Form hierfür nicht materialgerecht ist. Auch in der rezenten chemischen Industrie spricht man von Retorten als großen Reaktionsgefäßen; sie haben aber mit dem Gefäß der Alchemisten nur noch den Namen und die Funktion, nicht mehr die Form gemeinsam. Damit soll das Gebiet der Destillation, Extraktion und Sublimation verlassen werden.

Vom Talglämpchen zum Probirscherben

Die Verhüttung vom Metallerzen war ein weiteres wesentliches Arbeitsgebiet der praktischen Alchemie. Es geht darum, die Gehalte besonders an Silber und Gold von gefundenen Mineralien zu bestimmen und so eine Aussage über die Abbauwürdigkeit der Erze zu ermöglichen. Dazu wurden die eigentlichen Verhüttungsprozesse im kleinen Maßstab durchgeführt, die dazu erforderlichen Gefäße wurden teils Haushaltsgefäßen nachempfunden, teils direkt übernommen. Als kleine Gefäße für Vorversuche oder Versuche mit kleinen Substanzmengen dienten Talglämpchen, die in großer Zahl preiswert hergestellt werden konnten: sie wurden „vom Stoß gedreht“. Bei dieser Technik wird auf der Töpferscheibe ein schlanker Tonberg aufgebaut. Seine Spitze wird zu einer flachen Schale geformt und vom restlichen Berg mit dem Draht in üblicher Weise abgeschnitten. Dann kann wieder eine Schale geformt und abgeschnitten werden und so fort. In der Sprache der Alchemisten hießen diese Schalen „Probirscherben“ [2].

Als Gefäße für Reaktionen in der Schmelze in größerem Maßstab dienten besondere Tiegel (mit Mündungen in Form gerundeter Dreiecke) oder auch andere Gefäße, zerbrochene Töpfe oder Becher oder völlig abartige Gefäße wie z. B. Becherkacheln aus dem Ofenbau. Aus einer römischen Glashütte, die in der Nähe von Aachen ausgegraben wurde, ist die Verwendung eines Kochtopfes als Glasmacherhafen bekannt.

Auch die aus dem Küchenbereich bekannten Dreibeinpfännchen wurden im alchemistischen Laboratorium verwendet. Abbildung 13 zeigt ein in einem Gemälde überliefertes Beispiel. Der Fund aus dem Basler Alchemistenlaboratorium enthält auch einige Dreibeinpfännchen, in denen Schmelzaufschlussversuche an Kupfererzen durchgeführt wurden. Diese Abbildung zeigt auch, dass noch andere, dem Kücheninventar zuzurechnende Gefäße und Geräte Verwendung im alchemistischen Laboratorium fanden.

Von der Getreidemühle zum Mörser

Flache Steinplatten, auch leicht gebogene oder mit einer Vertiefung versehene, dienten seit alter Zeit als Unterlage beim Zerreiben von Körnern mit Hilfe eines geeignet geformten Steines. Das Produkt war weniger ein Mehl als vielmehr ein Grieß.

Da auch im alchemistischen Laboratorium das Problem des Zerkleinerns von körnigen Substanzen auftrat, machte der Alchemist von diesem Gerät Gebrauch. Die weitere Entwicklung führte zu stärker gewölbten Unterlagen bis hin zu becherförmigen, dickwandigen Gefäßen, die als Reibschalen mit Stößel oder Mörser mit Pistill bezeichnet werden. Abbildung 14 zeigt einen Messingmörser mit Pistill aus dem 16. Jahrhundert.

Als Materialien dienten Stein, Bronze, Eisen, Messing, Achat, Glas, Porzellan – je nach Verwendungszweck. Ein Problem stellt der Abrieb beim Zerkleinern dar. Der starke Abrieb der Zähne von Menschen früher Zeiten geht auf den Steinabrieb im Grieß zurück, der die Zähne beim Kauen des daraus hergestellten Brotes o. ä. regelrecht abschmirgelte.

Schlussbetrachtung

In der vorliegenden Arbeit konnten nur wenige, aber wesentliche Entwicklungen alchemistischer Geräte behandelt werden. Für eingehendere Darstellungen muss auf die Fachliteratur verwiesen werden. Erfreulicherweise können in letzter Zeit immer mehr bisher unbearbeitete Altfunde in Museumsmagazinen oder neue archäologische Bodenfunde verzeichnet werden, die die schriftliche Überlieferung stützen und bereichern. Die Archäochemie hat hieran einen großen Anteil, und es ist äußerst wünschenswert, dass Archäologen ihre auch chemisch ausgebildeten Kollegen, die Archäochemiker, in jedem Falle hinzuziehen. Viele Fehlinterpretationen lassen sich dadurch vermeiden.

Es kam dem Autor darauf an, die geistige Leistung der alten Alchemisten aufzuzeigen, die ausgehend von der „Küchen(al)chemie“ das riesige gedankliche Gebäude der Alchemie und damit schließlich auch der modernen Chemie errichteten. Sie beobachteten scharf und zogen ihre Schlüsse daraus. Viele Ausdrücke der chemischen Fachsprache zeugen heute noch von ihrem Wirken. Man darf sich den Blick für diese geistigen Leistungen nicht davon verstellen lassen, dass vieles von dem, was sie erdachten, der modernen Überprüfung nicht standhielt, so z. B. die Goldmacherei. Dieser Gedanke war in der damaligen Gedankenwelt durchaus logisch und wurde von vielen ernsthaft untersucht. Dass sich dann auch Betrüger dieser Gedanken bemächtigten und ihren materiellen Vorteil daraus zu ziehen versuchten, ist menschlich. Sie wurden doch meistens überführt und bestraft.

Literatur

Kamber, Pia, Die Latrinen auf dem Areal des Augustinerklosters, Materialhefte zur Archäologie in Basel 10 (Basel 1995).

Kamber, Pia und Peter Kurzmann, Der Gelbschmied und Alchemist (?) vom Ringelhof (mit einem Beitrag von Y. Gerber), Archäologische Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, Jahresbericht 1998 (1999) 151-99.

Kurzmann, Peter, Die Destillation im Mittelalter (mit einem Beitrag von D. Ade-Rademacher und P. Kurzmann) (Tübingen 2000).

Kurzmann, Peter, Ein Manuskript mit Zeichnungen und Benennungen alchemistischer Geräte aus dem 14. Jahrhundert, Sudhoffs Archiv 89, 2005, 151-69.

Kurzmann, Peter, Neues über die Destillation im Mittelalter. ZAM Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 35, 2007, 87-100.

Levey, Martin, Chemistry and Chemical Technology in Ancient Mesopotamia, Amsterdam 1959).

v. Osten, Sigrid, Das Alchemistenlaboratorium von Oberstockstall. Ein Fundkomplex des 16. Jahrhunderts aus Niederösterreich (Innsbruck 1998).

Soukup, Rudolf W. und Helmut Mayer, Alchemistisches Gold, Paracelsistische Pharmaka. Laboratoriumstechnik im 16. Jahrhundert (Wien 1997).

Fußnoten
  1. Der Autor dankt Dr. V. Karageorghis, Nicosia, für den Hinweis auf dieses Gefäß.

  2. Das Wort »der Scherben« bezeichnet hier ein kleines Gefäß. Der Archäologe gebraucht das gleiche Wort, wenn er ein keramisches Material beschreibt, er spricht z. B. von einem »dichten Scherben«.