Diokletian, der verkannte Kaiser

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Römische KaiserzeitKlassische Archäologie

Fragt man nach den Namen römischer Kaiser, so stehen Augustus und Konstantin an der Spitze der benannten Personen. Deren historische Bedeutung steht zwar außer Frage, doch reichen ein paar Namen natürlich nicht aus, die Höhepunkte des Imperium Romanum ausreichend zu charakterisieren. Einen besonderen Wendepunkt stellt zweifellos die lange Regierungszeit des C. Aurelius Valerius Diocletianus dar, der als Diokletian in die Geschichtsbücher eingegangen ist.

Während der Jahre zwischen 284 und 305 vollzog sich unter seiner Ägide eine Umstrukturierung der res publica Romana, wie sie nur unter Augustus, dem Begründer der monarchischen Herrschaft (27 v. Chr. - 14 n. Chr.), vorgekommen war. Damals wurden die Grundlagen für den unaufhaltsamen Übergang der Entscheidungsgewalt vom traditionellen Gremium des Senates auf einen Alleinherrscher, den princeps, gelegt. Am Ende des 3. Jahrhunderts jedoch mußte sich Diokletian, der wie damals üblich im Bürgerkrieg und durch den gewaltsamen Tod seines Vorgängers an die Macht gelangt war, der Notwendigkeit stellen, das aus den Fugen geratene Reich für die weitere Zukunft wieder zu konsolidieren.

Schwinden der Kaisergeltung, militärische Mißerfolge, Auftreten gefährlicher Gegner an allen Grenzen, Erwachsen partikularer Interessen im Reichsinneren, monetäre Inflation und wirtschaftliche Rezession waren wichtige Faktoren, die ein fehlendes Vertrauen der Menschen in die Fähigkeit der kaiserlichen Regierung hervorriefen, der gravierenden Schwierigkeiten Herr zu werden und den Staat zur Blüte zurückzuführen. Jeder neue Kaiser mußte alle seine Tatkraft darauf verwenden, die angesprochenen Symptome der großen Reichskrise des späten 3. Jahrhunderts zu bewältigen, um das Fortbestehen des traditionsreichen Imperiums zu gewährleisten.[1]

Der am 20. November 284 vor den Toren der Stadt Nicomedia am Marmara-Meer von seinen Truppen zum Augustus proklamierte und im Spätsommer des folgenden Jahres nach dem Tode seines letzten Rivalen zur Alleinherrschaft gelangte Diokletian erwies sich als ein Mann, der seine Aufgaben kannte und energisch an ihre Bewältigung ging. Gebürtig wahrscheinlich aus Aspalathos, dem modernen Split in Kroatien, zählte er zu denjenigen Kaisern, die in der althistorischen Forschung mit dem Sammelbegriff "illyrische" bezeichnet werden. Als deren herausragendste Eigenschaft gilt ihre Tatkraft, und sie besaß Diokletian, gepaart mit fast uneingeschränkter Durchsetzungskraft, in höchstem Maße. Mit ihrer Hilfe setzte er in seiner Regierungszeit etliche Reformmaßnahmen in die Tat um, die teilweise schon von Vorgängern, namentlich Gallienus (253-268), initiiert, aber nicht verwirklicht worden waren.

An erster Stelle stand die Präsenz der Staatsmacht in den besonders neuralgischen Gebieten entlang gefährdeter Grenzen: Zu diesem Zwecke berief Diokletian schon kurz nach seiner reichsweiten Anerkennung, gegen Ende 285, den ihm wohlbekannten M. Aurelius Valerius Maximianus, wie er erfahrener Truppenkommandeur, zuerst in die Stellung eines Caesar, des präsumptiven Thronfolgers, und nach seiner Bewährung als Sieger über die gallische Aufstandsbewegung der Bagauden wohl noch am Jahresende 285 zum zweiten Augustus.

Innerhalb einer geographischen Aufgabenverteilung übernahm Diokletian von da an den Osten, Maximian aber den Westen des Reiches. Ersterer setzte sich seitdem vor allem mit dem großen Rivalen der Römer, den Persern unter der Sasanidendynastie, sowie mit den Sarazenen auseinander, während der andere Kaiser mit den Alamannen, Franken und anderen germanischen Völkerschaften zu tun hatte, die er im wesentlichen in die Schranken verweisen konnte.

Allerdings erwuchs ihm ein Rivale in der Person des Flottenbefehlshabers M. Aurelius Mausius Carausius, der sich nach einem Streit um zurückzugebende Beute aus Feindeseinfällen in Nordgallien zum Kaiser ausrufen ließ und sich mitsamt der Flotte, Grundlage seiner Macht, in Britannien festsetzte (Spätjahr 286). Fortan gab es faktisch drei Herrscher, doch erkannten die beiden rechtmäßigen den Aufsteiger trotz dessen Bemühungen in der Münzprägung offiziell nicht an. Um Carausius zu bekämpfen kamen Diokletian und Maximian überein, einen neuen Caesar zu berufen, der sich mit dem Möchtegernkollegen auseinandersetzen sollte: Ausgewählt wurde am 1. März 293 Flavius Valerius Constantius, bewährter Feldherr, gewesener Prätorianerpräfekt und Schwiegersohn Maximians. Dem Caesar gelang es rasch, den Hauptstützpunkt des Carausius in Nordgallien, Bononia (Boulogne), zu erobern, was zur Ermordung des letztgenannten führte; dessen Nachfolger Allectus konnte sich aber noch drei Jahre lang in Britannien halten.[2]

In Verhandlungen zwischen den zwei Augusti wurde noch im Frühjahr 293 beschlossen, zur Wahrung der herrschaftlichen Symmetrie einen weiteren Caesar zu berufen, der Diokletian zur Seite stehen sollte: Galerius Valerius Maximianus, kurz Galerius genannt, war ein aus dem späteren Romuliana im südöstlichen Serbien stammender Offizier, der sich anscheinend im Heer bis in hohe Dienststellungen emporgedient hatte. Er wurde wohl von Diokletian selbst zur neuen Würde erhoben, doch ob dies am 21. Mai 293 bei Nicomedia geschah, ist ungeklärt. Damit war diejenige Regierungsform geschaffen, für die sich in der Forschung der Begriff "Tetrarchie" (Viererherrschaft) eingebürgert hat.

Als Aufgabengebiet wurde Galerius zuerst der Balkan zugewiesen, wo er Feldzüge gegen Karpen und Sarmaten führte, die sich wie alle Erfolge der Kaiser in deren Siegerbeinamen niederschlugen, welche aufgrund ihrer großen Zahl über immer gleiche Feinde jeweils einzeln fortgezählt wurden, so daß die Herrschertitulatur neben den traditionellen, auf Augustus zurückgehenden Titeln eine überreiche Menge solcher cognomina ex virtute aufwies, die zur Selbstdarstellung der Kaiser als stets siegreiche Feldherrn ein Gutteil beitrugen.

Nach der antiken Überlieferung waren alle militärischen Unternehmungen der vier Herrscher erfolgreich; freilich führten die meisten nicht zu einer dauerhaften, auf Jahrzehnte gesicherten Situation an den jeweiligen Grenzen, denn die wiederholten Kriege gegen dieselben Gegner erwiesen, daß die Probleme nur gedämpft, nicht jedoch gelöst werden konnten. Immerhin vermochten die beiden Caesares zwei bemerkenswerte Siege zu erringen:
Constantius eroberte mit Flotte und Heer Britannien zurück, wodurch mit Allectus der letzte Rivale ausgeschaltet werden konnte - eines der schönsten römischen Goldmedaillons zeigt symbolisch die Rückgewinnung der Insel zum Ruhme des Siegers.[3]{{ }}

Am anderen Ende des Reiches, im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, konnte Galerius im Jahre 297 nach anfänglichem Mißerfolg einen großangelegten Vorstoß der Perser unter Großkönig Narses zurückschlagen, wobei neben dem Kronschatz auch einige weibliche Familienangehörige des Feindes in Gefangenschaft gerieten - prächtiges Denkmal dieses nachdrücklichen Erfolges ist die noch erhaltene eine Hälfte des Siegesbogens, den Galerius in seiner Palastanlage im makedonischen Thessalonica (Saloniki) errichten ließ.

Der Friede von Nisibis 298 brachte Rom beträchtlichen Gebietszuwachs in Mesopotamien, so daß die Perser jahrzehntelang stillhielten und erst nach dem für sie erfolgreichen Ende des Feldzuges von Kaiser Iulianus 362 eine Revision erreichten.[4]

Gleichzeitig gelang Diokletian 297/298 die Niederwerfung eines Aufstandes in Ägypten, der mit Lucius Domitius Domitianus einen letzten Gegenkaiser hervorgebracht hatte. Zur selben Zeit unternahm Maximianus in Afrika einen Feldzug gegen maurische Stämme, die häufig den römischen limes beunruhigten. Zur monetären Versorgung seiner Soldaten wurde eigens eine Münzstätte in der Metropole Carthago eingerichtet, deren thematische Konzentrierung auf die afrikanischen Verhältnisse auffällt.

In Rom ließ Maximian während eines Aufenthaltes auf dem Rückweg in seine Residenzstadt Mediolanum (Mailand) den Bau der gigantischen Thermenanlage in Angriff nehmen, die im Jahre 306 vollendet und mit dem Namen Diokletians bezeichnet wurde: Ihre mächtigen Ruinen nahe des Bahnhofs von Rom, der Stazione Termini, beeindrucken trotz beträchtlicher Zerstörung noch heute, und die Kirche S. Maria degli Angeli wie das Museo Nazionale delle Terme bewahren beide die Erinnerung an die größte Thermenanlage der antiken Architekturgeschichte, in der anscheinend 3000 Menschen gleichzeitig einem weitgespannten Badevergnügen nachgehen konnten.

Im Ganzen stellt die Bautätigkeit einen besonderen Schwerpunkt innerhalb der Regierungstätigkeit Diokletians und seiner Kaiserkollegen dar. Großbauten waren vor allem die Residenzen in den hauptsächlichen Aufenthaltsorten der vier Herrscher: Für Diokletian waren es Sirmium (Šremska Mitrovica am serbischen Donauufer) und Nicomedia im nordwestlichen Kleinasien, für Maximian Mediolanum und Aquileia im nördlichen Italien, für Constantius Lugdunum (Lyon) und Augusta Treverorum (Trier) sowie für Galerius Thessalonica und Serdica (Sofia). In unterschiedlichen Dimensionen sind hier Reste der palatia erhalten, die als wichtigste Bestandteile die eigentlichen Wohngebäude, die Repräsentationsräume mit der aula für offizielle Empfänge im Zentrum und den circus als Begegnungsstätte von Kaiser und Volk anläßlich der Wagenrennen umfaßten.

Am bekanntesten ist der großartige, heute noch in beträchtlichem Maße vorhandene Diokletianspalast in Split, der erst als Residenz des abgedankten Kaisers diente, aber bis auf den Circus die Hauptbestandteile eines palatium aufwies. In jüngerer Zeit sind die Überreste des Galerius - Palastes in Thessaloniki und der Altersresidenz desselben Kaisers, Romuliana, durch die archäologische Wissenschaft ins Licht der Öffentlichkeit gerückt worden. Dazu kommt die anscheinend dem Maximian zuzuweisende Anlage einer großen villa suburbana im andalusischen Cordoba, die aber nur kurzzeitig vor dem Afrika-Feldzug genutzt worden sein dürfte, weshalb auch hier der Circus fehlt.

Neben diese Repräsentationsbauten traten die zum Grenzschutz wichtigen Truppenlager, die castella, welche neuangelegt wurden oder Umbauten bereits bestehender waren: Man kann von einem regelrechten Bauprogramm sprechen, das in allen einschlägigen Regionen verwirklicht wurde.

Im Osten war es eine Militärstraße, die strata Diocletiana, mit den zugehörigen, häufig quadratisch mit vier Ecktürmen errichteten Lagern. In Afrika geht es um die centenaria, ursprünglich für rund 100 Soldaten gedachte Kleinfestungen. In Britannien wurden die großen Kastelle des litus Saxonicum gegen Überfälle von See her angelegt, während an der Rheingrenze und an der Donau Verstärkungen alter castra erfolgten, aber auch eindrucksvolle neue, das Gelände ausnutzende Festungen angelegt wurden, wozu überall der Ausbau der Stadtmauern im Hinterland hinzutrat. Verschiedene inschriftliche Zeugnisse dokumentieren diese militärische Bautätigkeit, deren Verwirklichung dem Prestige der Kaiser als Schützer des Reiches zugutekam.[5]

Aufgrund der negativen Erfahrungen vergangener Jahrzehnte begann Diokletian parallel zum Ausbau des Grenzschutzes mit einer Reform des Heeres. Einerseits wurden die traditionellen Großeinheiten, die Legionen, jeweils in mehrere kleinere aufgeteilt, die entweder an den limites verblieben oder im Hinterland als mobile Reserve stationiert wurden. Darüberhinaus wurden den schon vorhandenen kleineren Einheiten, den sogenannten Hilfstruppen, neuere, zum Teil aus Nichtreichsangehörigen rekrutierte beigesellt, deren Beinamen ihre Gründung in dieser Zeit anzeigen; besonderer Nachdruck wurde dabei auf die Verstärkung der Reiterei gelegt.

Einherging mit dieser Maßnahme eine intensive Nutzung des Reservoirs an erfahrenen Soldaten, die sich bis zu höchsten Kommandeursstellen empordienen konnten. Ein derartiger aus militärischen Erwägungen vollzogener Aufstieg führte die so Geförderten auf der sozialen Stufenleiter in den Ritterstand, der dem Senatorenstand rangmäßig nachfolgte. Besonders befähigte Männer konnten kraft kaiserlicher Verleihung sogar in diesen gelangen, der freilich vieles von seiner althergebrachten Macht eingebüßt hatte - attraktiv war allein noch das höhere Sozialprestige, denn die Senatoren galten weiterhin als Spitze der Gesellschaftspyramide nach dem Kaiser.

Einige Karrieren solch erfahrener Militärs sind überliefert. Darüberhinaus wurden auch im zivilen Staatsdienst die Ritter gegenüber den Senatoren gefördert, so daß letzteren nur noch wenige, ausschließlich mit Verwaltungsaufgaben versehene Ämter verblieben, so etwa als Spitzenstellung die Stadtpräfektur von Rom. In der Regierungszeit Konstantins des Großen begann dann die fast vollständige Verschmelzung beider Stände.[6]

Im administrativen Bereich ist die Reform der Territorialverwaltung, im fiskalischen sind die Neuordnung des Steuersystems, die Revision der Währung und die Festsetzung von Höchstpreisen für Waren und Dienstleistungen hervorzuheben. Um eine straffere Verwaltung der Provinzen zu erreichen, wurden diese vielfach verkleinert, die mit Truppen versehenen zudem gesondert behandelt: Während ihre Zivilbelange dem Statthalter blieben, wurden die militärischen Aufgaben jeweils einem eigenen Befehlshaber mit dem Titel dux übertragen, der auch für mehrere verkleinerte Provinzen zuständig sein konnte.

Diese sich über Jahre hinziehende Neuordnung wurde durch die allerdings erst in der Spätzeit Diokletians begonnene Einsetzung von Beamten, die den Statthaltern übergeordnet waren und die Aufsicht über eine Reihe von Provinzen erhielten, komplementiert: Diese Amtsinhaber führten den Titel vicarius, ihre Zuständigkeitsbereiche hießen Diözesen; von diesen wurden in der nachdiokletianischen Zeit 12 geschaffen.

Zu den Hauptaufgaben der zumeist dem Ritterstand angehörenden Statthalter, der praesides und correctores, gehörte die Einnahme der Steuern. Reichsweit eingeführt wurde ein neues Erhebungssystem, das mit den Schlagworten capitatio und iugatio definiert wird: Die in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung hatte pro Kopf und Landbesitzeinheit einen jeweils nach der Güte des Bodens bemessenen Betrag an die Staatskasse abzuführen, der alle fünf Jahre von eigenen Staatsbeamten, den exactores, neu festgesetzt wurde: Die Bezeichnung für diesen später auf 15 Jahre verlängerten Steuerzeitraum, die indictio, wurde zu einem noch lange in nachantiker Zeit üblichen Mittel allgemeiner Zeitrechnung.

Im Jahre 301 wurden andererseits mittels kaiserlichen Erlasses die Wertrelationen der etwa acht Jahre zuvor eingeführten neuen Münztypen geregelt, von denen der nummus, eine große Kupfermünze mit Silberüberzug, sowie der argenteus, eine reine Silbermünze, für den Umlauf am wichtigsten waren. Im Gegensatz zur früheren Kaiserzeit beschränkte sich der Bild- und Legendenvorrat jedoch auf wenige Typen, mit denen die vier Herrscher ihr eigenes Bild mitsamt einiger Szenen wie Staatsopfer, drei Münzgöttinnen (monetae), Feldlager und Genius populi Romani präsentierten. Einzig die nicht für den Umlauf gedachten Medaillons zeigten eine beträchtliche Vielfalt, wurden sie doch den Stützen des Staates, Offizieren und Beamten, zum Geschenk gemacht.

Zur Vervollständigung der wirtschafts- und finanzpolitischen Reform wurde schließlich Ende 301 das große Höchstpreisedikt erlassen, das als eine der wichtigsten Inschriften der gesamten Antike fast zur Gänze überliefert ist: Für Hunderte von Waren und Dienstleistungen wurden Maximalpreise festgelegt, die bei hohen Strafen nicht überschritten werden durften; etliche Vergleichsangaben in Papyri zeigen, daß die tatsächlichen Preise meist merklich darunterlagen.[7]

Das Jahr 303 brachte zwei wichtige Ereignisse, das zwanzigjährige Regierungsjubiläum der Augusti zusammen mit der Zehnjahresfeier der Caesares sowie die Einleitung der großen Christenverfolgung.

Diese begann am 29. Februar und wurde in Angriff genommen, um die in der Präambel des Höchstpreisediktes genannte fortuna rei publicae nostrae angesichts des nahenden Regierungsjubiläums durch Überwindung des letzten inneren Widerstandes zu verwirklichen. Die vollkommene Harmonie im Reich schien durch die Widerspenstigkeit der Anhänger des christlichen Glaubens gefährdet, da diese nicht gewillt waren, den wiederbelebten Staatskult mit Iuppiter an der Spitze der Götter und seinem wichtigsten Helfer Hercules anzuerkennen: Beide waren die Schutzgottheiten ihrer irdischen Vertreter, der vier Kaiser.

Die sich über etliche Jahre hinziehende Verfolgung brachte dennoch nicht den erwünschten Erfolg, da die Widerstandskraft der Verfolgten trotz der vielen Getöteten unterschätzt wurde. Schließlich ließ Galerius im Jahre 311 die staatlichen Maßnahmen beenden, um die Anhänger des neuen Glaubens in die Einheit des Reiches einzubinden und sie zu ständigen Fürbitten an ihren Gott zum Wohle der Kaiser anzuhalten.

Diokletian und seine Herrscherkollegen mußten daher ihre Regierungsjubiläen ohne innenpolitischen Frieden begehen, doch fielen sie nichtsdestoweniger prächtig aus, was wie für vergleichbare Ereignisse numismatische Festprägungen verdeutlichen. Am 20. November 303 trafen sich Diokletian und Maximian in Rom zu ihrer großen Jubiläumsfeier, während der ein Monument eingeweiht wurde, das sogenannte Fünfsäulendenkmal, von dem eine Basis mit vier Reliefs eines Staatsopfers erhalten ist; den Gesamteindruck vermittelt ein Relief des Konstantinsbogens. Die Reaktion der Öffentlichkeit zeigt die Weihung eines Ehrenbogens in der Gemeinde Macomades, Provinz Numidia: Hier stifteten zwei städtische Priester Statuen der Victoria für den Bogen auf Geheiß des Stadtrates und verbanden dies ausdrücklich mit der Zwanzigjahrfeier, ja sie wünschten den Augusti sogar noch eine dreißigjährige Regierungszeit.

Daß es dazu jedoch nicht kam, entsprang dem schon einige Jahre zuvor gefaßten Entschluß Diokletians, wenige Zeit nach dem Festereignis abzudanken und die Herrschaft an die beiden Caesares weiterzugeben, worin ihm Maximian nicht ganz gewollt folgte. So legten der ältere Kaiser am 1. Mai 305 in Nicomedia und sein Kollege am selben Tage in Mediolanum das Kaisertum nieder und zogen sich in vorbereitete Altersruhesitze zurück, ersterer in seinen großen Palast nach Aspalathos, der zweite in eine unbekannte Villa in Süditalien.[8]

Die Regierungszeit Diokletians, die er zuerst allein, dann zusammen mit Maximian in einer Dyarchie und schließlich mit Constantius und Galerius in einer der Öffentlichkeit breit vorgestellten Tetrarchie, deren göttliche Unterstützung betont wurde, absolvierte, erscheint im Gesamtüberblick als eine der grundlegendsten Epochen der römischen Kaiserzeit. Sie war vor allem durch eine umfängliche Reformtätigkeit gekennzeichnet, die vergleichbar höchstens durch Augustus verwirklicht worden war.

Auch wenn einige ihrer Bestandteile nicht mehr zu Ende geführt werden konnten und die tatsächliche Wirksamkeit nicht immer gesichert ist, muß diese Leistung doch anerkannt werden. Sie beruhte auf einer kritischen Überprüfung der Schwachpunkte, welche dem Imperium Romanum im Verlaufe des 3. Jahrhunderts so schwer zu schaffen gemacht hatten, und der Umsetzung von durchdachten Methoden zu einer weitgehenden Abhilfe. Freilich darf man nicht übersehen, daß in der Christenverfolgung eine manifeste Verkennung der Sachlage zum Ausdruck kommt, die jedoch durch die Unterordnung der Religionspolitik unter die grundsätzliche Maxime erklärt werden kann, daß nur der traditionelle Staatskult ein ideologisches Mittel zur umfassenden innenpolitischen Konsolidierung sein könne. Hierin offenbart sich besonders deutlich die Rückbesinnung auf die althergebrachten Werte der res publica Romana.

Daß sich das Herrschaftssystem der Tetrarchie letztenendes trotz erfolgverheißender Ansätze nicht durchsetzen konnte, kann man Diokletian nur zum Teil anlasten. Die Herrschaft seines mittelbaren Nachfolgers Konstantin verdunkelte allerdings schon bald das Andenken an seine eigene Regierungszeit. Die Historiker von heute erkennen dagegen Diokletians wirkliche Bedeutung in der römischen Geschichte an und sind gewillt, sie abgewogen zu beurteilen.

Fussnoten
  1. Dieser Kurzbeitrag faßt die Ergebnisse zusammen, die der Autor in einer umfassenden Untersuchung vorgelegt hat: Wolfgang Kuhoff, Diokletian und die Epoche der Tetrarchie. Das römische Reich zwischen Krisenbewältigung und Neuaufbau (284-313 n. Chr.), Frankfurt am Main u.a. 2001.

  2. Die genannten historischen Ereignisse sind bei Kuhoff, Diokletian 17-106, behandelt. Eine Übersicht über die wichtigen Daten zur Geschichte Diokletians und seiner Mitherrscher gibt Dietmar Kienast, Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 2. Aufl. 1996, 266-287.

  3. Das Medaillon aus dem großen Schatzfund von Beaurains bei Arras wurde vielfach erörtert (Kuhoff, Diokletian 161 Anm. 443); in den Zusammenhang des Gesamtfundes ordnen es ein Pierre Bastien - Cathérine Metzger, Le trésor de Beaurains (dit d'Arras), Wetteren 1977, 94 f. Nr. 218.

  4. Die umfassende Analyse des Galerius-Bogens legte Hans Peter Laubscher, Der Reliefschmuck des Galeriusbogens in Thessaloniki, Berlin 1975, vor; siehe jetzt auch Kuhoff, Diokletian 598-627. Die deutlichen Verluste im Erhaltungszustand konnte auch eine kürzlich abgeschlossene Restaurierung nicht aus der Welt schaffen.

  5. Die tetrarchischen Repräsentationsbauten erfuhren aufgrund der neuen archäologischen Untersuchungen in jüngerer Zeit erhöhte Aufmerksamkeit, die sich in einigen Sammelbänden niederschlug: Dragoslav Srejovic (Hrsg.), Roman Imperial Towns and Palaces in Serbia, Belgrad 1993; Ders. (Hrsg.), The Age of the Tetrarchs. A Symposium Held From the 4th to the 9th October 1993, Belgrad 1995; L'Antiquité Tardive 2, 1994. Zum Gesamtkomplex siehe jetzt auch Kuhoff, Diokletian 716-783.

  6. Kuhoff, Diokletian 426-483 (Heeresreform und Offiziere), 399-410 (Senatoren und Ritter).

  7. Der Gesamtbereich der wirtschaftlich-fiskalischen Reformmaßnahmen wird von Kuhoff, Diokletian 483-564, erörtert. Die letzte Textausgabe des Höchstpreisediktes legte Marta Giacchero, Edictum Diocletiani et Collegarum de pretiis rerum venalium, in integrum fere restitutum e Latinis Graecisque fragmentis, 2 Bde., Genua 1974, vor; seitdem sind einige neue Fragmente hinzugekommen.

  8. Die Ereignisse schildert Kuhoff, Diokletian 230-245 (Regierungsjubiläen), 246-297 (Christenverfolgung) und 297-326 (Abdankung): Die Quellen und frühere Literatur sind ausführlich in den Anmerkungen aufgeführt.