»Keltenstadt« Dünsberg im Fokus internationalen Interesses

EU-Projektabschluss und neue Publikation zum Dünsberg

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DeutschlandEisenzeitSiedlung

Moderne Grabungen bringen seit 1999 Licht in die Geschichte des keltisch besiedelten Dünsbergs, wenige Kilometer nordwestlich von Gießen gelegen. In spätkeltischer Zeit bot dieser markante, fast 500 Meter hohe Berg ideale Bedingungen für die Anlage eines mächtigen Oppidums, gesichert durch eine dreifache Wallanlage. Deren Siedlungsfläche betrug rund 90 Hektar.

Internationalität wurde von Beginn an groß geschrieben. Jeweils in den Sommermonaten erforschte ein etabliertes Team zusammen mit freiwilligen Helfern aus aller Welt einige Abschnitte des Berges, ermöglicht überwiegend durch Sponsoring aus der Region und ehrenamtlich geleistete Arbeit. Neben den verschiedensten europäischen Staaten gehören auch Australien, Neuseeland, Ghana, China und die USA zu den Herkunftsländern der Dünsbergmannschaft. So erschien es nur folgerichtig, dass nun auch ein EU-Projekt aus diesen Forschungsaktivitäten hervor ging.

Mit dem Ende der Kampagne 2004, in der Grabungen an verschiedenen Stellen im südlichen Vorfeld des Oppidums neue Belege besonders zu den kultischen Aspekten lieferten, wurden die Grabungen vorläufig beendet. Als Auflage für mögliche weitere Untersuchungen müssen zunächst die vorliegenden Funde wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Dabei handelt es sich um über 11.000 Fundeinheiten, von denen rund zwei Drittel Keramik, aber auch 20 % Metall sind. Mit über 80 % Anteil an diesen Metallfunden ist der Eisenanteil ungewöhnlich hoch. Dies erfordert zwar hohe Kosten für die Restaurierung, liefert andererseits aber eine extrem wichtige Quellengattung der Spätlatènezeit, die in dem Umfang bislang kaum bekannt ist. Ein großer Teil der Restaurierungsarbeiten wurde bereits aus Spendengeldern finanziert. Zudem kann durch die Vorlage der gesichert aus den Grabung stammenden Funde auch die Zuweisung des bislang überwiegend aus Raubgrabungen stammenden Materials überprüft werden.

Eine Auswertung der Keramik verspricht ebenso spannende Ergebnisse. Dies ist zum einen der Vergleich zwischen verschiedenen Stellen der Oppidum-Besiedlung und dem Kultbereich im südlichen Vorfeld. Aber auch die chronologische und typologische Einordnung der Keramik: Gerade zum jetzigen Zeitpunkt nimmt der Dünsberg eine Schlüsselstellung ein zwischen Glauberg, Christenberg und Waldgirmes, und auch neues Material aus rechtsrheinischen Höhensiedlungen und Bad Nauheim kam in den letzten Jahren hinzu. Somit ist die Gelegenheit günstig, nun diese „Lücke“ zu füllen. Die Frage des Einflusses germanischer Gruppen am Dünsberg sowie die „Ubierfrage“ sind vom Keramikmaterial her nach wie vor offen. Wir hoffen auf Unterstützung von DFG und EU für die geplanten Forschungsarbeiten.

Der Dünsberg in einem europaweiten Projekt

Zur Steuerung dieser archäologischen Aktivitäten gründete sich 2005 der Verein Archäologie im Gleiberger Land e.V., der mit dem Dünsberg-Verein e.V. das keltische Erbe erforschen und in die Zukunft retten will. Beide Vereine nahmen an einem EU-geförderten Projekt teil. Unter dem Titel „Rome’s conquest of Europe: Military aggression, native responses and the European public today“ („Die Eroberung Europas durch Rom: militärisches Vorgehen, Reaktionen der einheimischen Bevölkerung und die europäische Öffentlichkeit heute“) hatte dies ein Volumen von rund 300.000 Euro (bei 50 Prozent Eigenleistung) und endete nach zehnmonatiger Laufzeit am 30. April 2006. Federführend und Träger eines der drei Teilprojekte war das „Ecomuseo de Cap de Cavalleria“ auf Menorca (Spanien). Daneben die Universität Edinburgh (Großbritannien) und die beiden heimischen Vereine am Dünsberg. Die Hauptziele des im Rahmen von „Kultur 2000“ geförderten Projekts waren:

  • Erhaltung und Hervorhebung des gemeinsamen europäischen Kulturerbes
  • Der Austausch optimaler Verfahrensweisen zwischen den Wissenschaftlern der drei Partner-Institutionen durch Arbeitstreffen und Ideenaustausch
  • Das Kulturerbe soll möglichst vielen Bürgern zugänglich gemacht werden, und zwar durch Ausstellungen, Informationszentren und Veranstaltungen
  • Förderung von wechselseitigen Kenntnissen über die Geschichte anderer europäischer Länder durch Informierung der Öffentlichkeit über dieses Projekt
  • Ansprechen der Öffentlichkeit durch innovative Ausstellungstechniken.

Sanisera an der Nordspitze Menorcas steht in Verbindung mit der römischen Eroberung Menorcas 123 v.Chr. Dort befinden sich ein natürlicher Hafen, ein Militärlager sowie eine Stadtanlage, die in späterer Zeit nicht überbaut wurde. Eine neue Ausstellung im dortigen Museum informiert über Archäologie und Natur der Halbinsel, und auch das EU-Projekt mit seinen Partnerorganisationen wird präsentiert. Die Ausstellung und mehrere Informations-Broschüren wurden von der EU gefördert. Hier fand das „start-up meeting“ der Projektpartner Ende Juni 2005 statt.

Alchester bei Oxford ist ein römisches Lager, das unmittelbar im Zuge der Eroberung Britanniens 44 v.Chr. gegründet wurde. Von hoher Bedeutung sind die dortigen Holzfunde, die eine jahrgenaue Datierung erlauben sowie hölzerne Schreibtafeln mit Inschriften. Im Rahmen des Projektes wurden über 850 Metallobjekte geroentgt und im Detail fotografiert; eine Datenbank mit den Ergebnissen wurde erstellt. Eine Ausstellung über die Ergebnisse wird vorbereitet.

Am Dünsberg selbst ist ein Gehöft in keltischem Stil vom Dünsberg-Verein gebaut worden, unmittelbar hinter dem bereits errichteten Keltentor am Parkplatz. Informationstafeln stellen Archäologie und Natur am Dünsberg dar. Zu dem Zeitpunkt wurde eine archäologische Voruntersuchung des Baugeländes vom Verein Archäologie im Gleiberger Land e.V. durchgeführt, die allerdings keine keltischen Strukturen an dieser Stelle ergab; Scherben wiesen aber auf Besiedlung im weiteren Vorfeld des Oppidums hin. In diesem Jahr wird zur Einweihung des Gehöfts am 13. August ein Keltenfest stattfinden.

Während der Grabungen am Dünsberg wurde immer wieder die Frage gestellt, wo denn die Funde zu sehen seien. Zwar gibt es einen kleinen Ausstellungsbereich im Museum Wetzlar, doch besteht der Wunsch, die Funde in unmittelbarer Nähe zum Oppidum selbst auszustellen. Erfreulicherweise wurden dem Verein Archäologie im Gleiberger Land e.V. noch 2004 Räume in der Gemeindeverwaltung Biebertal zur Verfügung gestellt. Diese wurden in Eigenarbeit und mit dankenswerter Unterstützung der Jugendwerkstätten Gießen e.V. renoviert. Zugute kamen uns mehrere gespendete Vitrinen von bedeutendem Wert. Die Räume konnten im vergangenen November offiziell von der Gemeinde an den Verein übergeben werden. Das Museum trägt den Namen „KeltenKeller – Museum zur Archäologie des Gleiberger Landes“. Die Eröffnung ist noch für 2006 geplant. Neben den Ausstellungsräumen ist hier auch das Magazin der Funde beherbergt sowie Räume für Fundauswertung, Arbeitstreffen und Vorträge. Mittlerweile wurde auch der Internet-Auftritt www.archaeologie-im-gleiberger-land.de, der die Ausgrabungen und die archäologische Forschung am Dünsberg repräsentiert, umgestaltet.

Ein Workshop an der University of Edinburgh (Schottland) bildete Ende April den wissenschaftlichen Abschluss des Projektes. Bei einer zusätzlichen öffentlichen Festveranstaltung wurden alle drei Projekte vorgestellt. Der Gesamtprojektleiter und langjährige Mitarbeiter der Dünsberggrabungen, Fran Valle Montero (Baskenland/Spanien) zog ein positives Resümee – die vorgegebenen Ziele sind erreicht worden!

Im Rahmen des Projektes ist nun ebenfalls eine neue Publikation über die archäologischen Untersuchungen des Dünsberg erschienen. Das Heft fasst die aktuellen Forschungsergebnisse sowie das Umfeld der Ausgrabungen am Dünsberg zusammen: Der Dünsberg bei Biebertal, Kreis Gießen. Archäologische Ausgrabungen in einer keltischen Stadt.

Damit gehen auch nach dem Ende der Ausgrabungen die Arbeiten am und um den Dünsberg weiter. Das Landesamt für Denkmalpflege Hessen gab den Auftrag, aus den bekannten Ortsakten und den bislang nicht erfassten Denkmälern und Fundstellen ein aktuelles Fundstellenkataster zu erstellen. Auch für archäologische Voruntersuchungen und Notbergungen steht der Verein mit Fachpersonal und Grabungsequipment jederzeit zur Verfügung. Nicht zuletzt dadurch sollen das bewährte Team zusammen gehalten und die bestehende Unterstützung der Öffentlichkeit am Leben erhalten werden, denn nur so kann die Forschung weitergehen. Der Dünsberg ist nach wie vor hochgradig gefährdet!

 

Tipp

Lesen Sie weitere Artikel von Claudia Nickel zum Dünsberg:

»Gold und Silber wünsch´ ich mir ...« [April 2005]

Die Grabungen am Dünsberg 2003 [September 2004]

Neue Ausgrabungen auf dem Dünsberg [Januar 2003]