Ausgrabungen in Kamid el-Loz

Eine Tänzerin, ihr Siegel und eine 2500 Jahre alte Babyflasche

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AusgrabungVorderasien/Naher OstenFrühe Hochkulturen im Vorderen OrientBestattungen

Die Ausgrabungen des Freiburger Seminars für Vorderasiatische Archäologie im Libanon geben lebensnahe Einblicke in den persischen Alltag vor 2500 Jahren.

Der Nahe Osten ist heute Synonym für einen Konfliktherd. Das war nicht immer so. Unter den Persern herrschte hier ein Großreich. Dennoch wurde diese Epoche lange Zeit stiefmütterlich von Archäologen behandelt. Jetzt werfen die Ausgrabungen der Freiburger Archäologin Marlies Heinz in Kamid el-Loz neue Schlaglichter auf den Aufstieg des Ortes zur bedeutenden Handelsstadt in der Beqa’a Ebene unter persischer Regie.

Die Areale des perserzeitlichen Friedhofs, den die Ausgräber dieses Jahr freilegten, verraten, dass die Bestattungsstelle wesentlich größer als gedacht war. „Damit ergeben sich völlig neue Perspektiven für die Bedeutung der Siedlung zur Perserzeit“, so Heinz. Die sensationellen Funde einer reich geschmückten Frau und eines Kleinkindes mit Babyflasche lassen den Alltag vor 2500 Jahren wieder lebendig werden.

Seit 1997 leitet die Freiburger Professorin die Ausgrabungen von Kamid el-Loz. Doch die diesjährige Kampagne war besonders erfolgreich. Schon am zweiten Tag stießen die Ausgräber auf das Grab einer jungen Frau. „Am Anfang entdeckten wir nur einzelne Perlen, die verstreut an der Oberfläche lagen. Als aber immer mehr Stücke zu Tage kamen, wurden die Arbeiter nervös“, beschreibt die Freiburger Studentin Corinna Frommherz die Situation. Als klar wurde, welch bedeutenden Fund die Arbeiter gemacht hatten, mussten die Archäologen gleich am ersten Wochenende durcharbeiten, um die wertvollen Schmuckstücke vor Raubgräbern zu schützen.

Nachdem sie das Skelett komplett freigelegt hatten, zeigte sich, dass es sich um eine prächtig geschmückte junge Frau handelte. Am Hals trug sie eine lange Kette aus Achaten, Karneolen und 28 Silberperlen. Bronzene Fußreifen mit kleinen Tierköpfen zierten ihre Beine, ihr Totengewand wurde mit einer wertvollen Brosche zusammengehalten. Vielleicht hatte sie ihre Augen geschminkt. Ein in der Nähe gefundenes verziertes Futteral eines antiken Kajalstift aus Bronze, verrät, dass dies damals üblich war.

Ein Skarabäus mit Siegelritzung weist die Frau als hochrangige Person aus. Sie hatte das Recht, Schriften zu siegeln. Er gibt den Archäologen aber auch Hinweise auf die engen Beziehungen, die zu Ägypten bestanden. „Der überregionale Handel erlebt mit der Perserzeit einen enormen Aufschwung“, erklärt Ausgrabungsleiterin Marlies Heinz. Sie ist überzeugt, dass im 5. Jahrhundert v. Chr. Kamid el-Loz ein Kreuzungspunkt von Überlandwegen im internationalen Handelsnetz war.

Neben der „Tänzerin“, wie die libanesischen Ausgräber die reich bestattete Tote liebevoll nannten, fanden sich weitere zahlreiche Bestattungen von Frauen ohne Beigaben sowie eine Kleinkindbestattung mit einer Babyflasche aus Ton. „Man kann sich noch genau vorstellen, wie das Kleine an der Flasche genuckelt hat“, beschreibt Heinz den einzigartigen Fund.

Doch so bewegende Einblicke das neue Areal des perserzeitlichen Friedhofes auf das Leben in der persischen Provinz gewährt, so viele Fragen sind noch offen: Wo lag die Siedlung zu diesem großen Friedhof? Welche Bedeutung hatte Kamid el-Loz vor der Ankunft der Perser und welche Folgen hatte die persische Eroberung für die einheimische Bevölkerung?

Diesen Fragen will die Professorin in den nächsten Kampagnen weiter nachgehen. Doch schon jetzt erweist sich Kamid el-Loz als eine Schlüsselsiedlung für die Erforschung der Perserzeit in der Levante.

Kamid el-Loz

Aus der frühen Bronzezeit stammt der älteste Nachweis von siedelnden Menschen am Tell Kamid el-Loz. Allerdings hat man aus dieser Zeit bisher nur Keramik und noch keine Baustrukturen gefunden. Die ersten sicheren Nachweise einer Siedlung hat man durch die Hausbefunde, die in die mittlere Bronzezeit datieren. Von da an ging es für die Siedlung lange Zeit nur bergauf. In der späten Bronzezeit stieg die Siedlung, damals Kumidi genannt, zu einer „Großstadt“ auf und wurde zum Sitz der ägyptischen Verwaltung in der Beqa'a Ebene.

Nach dem Ende des ägyptischen Einflusses in der Region änderte sich die Rolle der Stadt. Aber auch in der Eisenzeit, dass zeigen die diesjährigen Funde aus der Epoche der Perser, spielte Kamid el-Loz im Konzert der größeren Städte.

In hellenistisch-römischer Zeit war die Stadt ununterbrochen von 100 v.Chr. bis 600 n.Chr. besiedelt. Aus der byzantinischen Zeit und dem Mittelalter fehlen bisher jegliche Baustrukturen, lediglich einige Keramikfragmente sind bisher bekannt, doch leider ohne jeglichen Fundkontext.

Ob Kamid el-Loz kontinuierlich von der Frühen Bronzezeit bis ins 7. Jahrhundert n. Chr. besiedelt war, ist nicht nachzuweisen und sicherlich auch nicht anzunehmen. Klar ist hingegen, dass es immer sehr lange Epochen der Besiedlung gab und Kamid el-Loz immer wieder eine bedeutende Stellung in der Region einnahm.


(Informationen: Seminar für Vorderasiatische Archäologie Universität Freiburg)

info

Weitere Informationen zu den Ausgrabungen finden Sie auf den Seiten des Seminars für Vorderasiatische Archäologie in Freiburg:

www.vorderasien.uni-freiburg.de